Momox und ReBuy Altkleiderhändler mit Nerd-Qualitäten

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Maschinen für die Kopfarbeit

Unter gewellten grauen Betondecken, in der ehemaligen Zentrale der Berliner Verkehrsbetriebe im Ortsteil Schöneberg, greift Philipp Gattner zu seinem iPhone. Er leitet das Geschäft bei ReBuy, einem der ärgsten Rivalen von Momox, der sich auf gebrauchte Unterhaltungselektronik spezialisiert hat.

Im vergangenen Jahr setzte ReBuy fast 140 Millionen Euro um – zwei Drittel davon entfielen auf Smartphones und sonstige Elektroprodukte. Etwa die Hälfte seiner Produkte, rechnet Gattner vor, seien Mobiltelefone. Und etwas mehr als die Hälfte davon wiederum iPhones. Bei den Apple-Smartphones gibt es nicht allzu viele Variationen, weshalb ReBuy den An- und Verkauf besser automatisiert als Momox.

Gattners Programmierer etwa haben spezielle Apps programmiert, mit denen ReBuy in sieben bis acht Minuten ein iPhone derart durchleuchtet haben, dass sie genau wissen, was es kann – und was womöglich nicht mehr. „Dazu schließen wir ein Handy an einen Rechner an, dann scannt die App das Smartphone automatisch und überprüft Batterie, Kamera, Display und andere wichtige Komponenten“, erläutert Gattner.

Anschließend prüft ReBuy, ob das Smartphone noch ordentlich aussieht – oder die Hülle Kratzer und Dellen aufweist. Auch diesen Schritt, den derzeit noch Menschen erledigen, sollen dereinst Maschinen übernehmen. Daran tüfteln unter anderem die 40 Softwareentwickler in dem 500-Mann-Unternehmen. „Unsere Vision lautet: Ein Kunde legt sein Smartphone in Terminals, die etwa am Flughafen oder Bahnhöfen stehen, und erfährt nach einer Minute, welche Summe er für das Gerät erhält“, so Gattner. In ein bis zwei Jahren, schätzt er, läuft die optische Bewertung per Algorithmus; die Terminals kommen in drei bis fünf Jahren.

Bei Momox erledigen Maschinen zwar nicht die Arbeit in den Lagern, wohl aber die komplexe Kopfarbeit dahinter. Die künstliche Intelligenz, die beim An- und Verkauf von Tommy-Hilfiger-Jeans, Harry-Potter-Büchern oder Hangover-DVDs das richtige Timing und den passenden Preis erkennt, hat das Unternehmen selbst programmiert.

Alle 30 Minuten ein neuer Preis

Besonders viel Arbeit haben die Momox-Entwickler in den Algorithmus gesteckt, der die Preise ermittelt, zu denen ein Kleid oder ein Krimi weiterverkauft wird. Er berücksichtigt, wie viele Exemplare davon im Lager liegen und wie sehr sich Kunden dafür interessieren. Ende Juni etwa lief der Kinofilm „Drei Schritte zu dir“ an, der auf einem Roman basiert. So steht das Buch derzeit weit oben in den Bestsellerlisten, der Lagerbestand bei Momox ist niedrig. Um mehr Ware anzukaufen, bietet das Unternehmen Verkäufern rund sieben Euro für das Buch an. Sobald die Nachfrage sinkt, reguliert der Algorithmus diesen Ankaufspreis wieder nach unten.

„Die Marge im Geschäft mit Gebrauchtwaren ist sehr niedrig“, sagt Unternehmenschef Kroke. „Unser eigener Algorithmus ist daher zentral, damit wir profitabel arbeiten können.“ Die Software passt den Preis für alle zehn Millionen Artikel von Momox im Halbstundenrhythmus an. „Die Preisfindung ist die eigentliche Kunst im Re-Commerce-Geschäft, die Verkaufsstrategien sind sehr ausgeklügelt – das unterschätzen Konkurrenten“, sagt E-Commerce-Experte Krisch. In den USA habe Amazon vor einigen Jahren selber gebrauchte Ware verkauft – und sich aus dem Geschäft wieder zurückgezogen. Bei Momox funktioniert der Algorithmus aber offenbar: Im vergangenen Geschäftsjahr knackte das Unternehmen die Marke von 200 Millionen Euro Umsatz.

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