
Seinen Videorekorder hat Achim Berg vor Jahren schon verschrottet. „Die Technik war überholt“, erklärt Microsofts Deutschland-Chef den Bann fürs Videoband. Heute steuert ein Multimedia-PC die Video-, Foto- und Musikwiedergabe in Bergs Haus bei Köln. Das entschärft selbst Streit um das Fernsehprogramm: Ein Druck auf die Fernbedienung stoppt Bundesliga, Talkshow oder Serie im Wohnzimmer und speichert sie im PC. Ein weiterer Druck setzt die Sendung zeitversetzt auf dem Arbeitszimmer-Monitor fort.
„Den Rechner kann ich per Internet steuern“, sagt Berg. Zudem kann der 45-Jährige auf Bilder oder Videos sogar unterwegs zugreifen – per Handy. Selbst die Musik im Ferienhaus kommt via Web von der Festplatte daheim. Preis des „ausgeprägten Technikspieltriebs“: Stundenlange Tüftelei und „ein gut fünfstelliger Eurobetrag“, sagt der Technikfan und Vizepräsident des Elektronikbranchenverbands Bitkom.
Der Fernseher als zentrales Multimediadisplay daheim, der PC als Universalspeicher für jede Form digitaler Unterhaltung: Bisher war derlei Technik bestenfalls Spielwiese für einen kleinen Kreis von Technikenthusiasten, ein teures, komplexes Hobby. Im Massenmarkt dagegen blieb die von der Industrie seit Jahren propagierte Verschmelzung von Unterhaltungs- und Computerwelt eine Luftnummer: zu kompliziert, zu wenig ausgereift, zu teuer.
Geräte leicht miteinander vernetzen
Damit ist jetzt Schluss: Wenn die Elektronikbranche ab Freitag dieser Woche in Berlin auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) ihre Neuheiten präsentiert, gehört vernetzbare Heimunterhaltung zu den wichtigsten Trendthemen der größten europäischen Branchenmesse.
Egal, ob Flachbildfernseher von Sony, Samsung oder Philips, HiFi-Anlagen von Denon, JVC oder Pioneer oder Mobiltelefone wie etwa von LG oder Nokia – quer durch alle Produktkategorien gibt es kaum noch eine Sparte der Unterhaltungselektronik, die nicht für die Vernetzung gerüstet ist. „Und dank des Technikfortschritts nimmt das Tempo der Verschmelzung noch zu“, sagt Henrik Köhler, Chef der Consumer-Lifestyle-Sparte bei Philips.
Vor allem: Wo bisher ein Informatik-Diplom nötig war, um die Geräte zur Zusammenarbeit zu bewegen, reicht es heute meist, Fernseher, Computer, Multimediafestplatte und Netzwerkrouter zusammenzustecken oder noch einfacher: sie mit dem kabellosen WLAN-Netz zu verbinden. Der Rest geschieht weitgehend automatisch. Schluss mit frustig.
Heimvernetzung ist Trend
Endlich klappt nun die Wiedergabe der im Computer gespeicherten Urlaubsfotos auch auf dem Flachbild-TV im Wohnzimmer. Spielend einfach kann die Stereoanlage die für iPod, Walkman & Co. angelegten digitalen Musiksammlungen wiedergeben. Das Web-Radio empfängt sein Programm in jedem Zimmer per WLAN. Sogar der digitale Videorekorder lässt sich dank Internet-Zugang, vom Bürocomputer oder per iPhone fernsteuern.
Das kommt an. Laut einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage des Marktforschers TNS Convergence Group interessiert sich bereits rund ein Drittel der Deutschen für Angebote der digitalen Heimvernetzung. So wird die neue Technik in der Krise zum Hoffnungsträger. Die Branche setzt auf einen Wachstumsschub, der dem schrumpfenden Geschäft mit Unterhaltungselektronik neue Impulse geben soll. So summierten sich die Umsätze mit Technik für die Heimvernetzung in Deutschland bereits 2008 auf rund 600 Millionen Euro. Bald soll sie, wie schon in den USA, zum Milliardengeschäft werden.
„Bis 2010 werden allein bei Sony 90 Prozent aller Geräte vernetzungsfähig sein“, sagt etwa Martin Winkler, Marketingchef bei der Deutschland-Dependance des japanischen Elektronikriesen. „Die Chancen, dass sich die Technik jetzt durchsetzt, sind so gut wie nie“, urteilt Bitkom-Vize Berg.