
Wenn Unternehmen passende Internetadressen suchten, wurden sie bislang oft in der Südsee fündig. Fernsehsender nutzen gern das Länderkürzel von Tuvalu (.tv), Radiosender die Adressen der Föderierten Staaten von Mikronesien (.fm) und auch Tonga wird unter .to häufiger im Netz als in der realen Welt angesurft. Doch solche Zweckentfremdung von Ländernamen wird bald überflüssig, denn im kommenden Jahr beginnt die totale Freiheit im Netz.
Die wichtigsten Fragen zu den neuen Internet-Endungen
Mit neuen Top Level Domains (TLD) wird der Namensraum im Internet ausgeweitet. Neben den Länderkürzeln (wie .de) und 21 generischen Top Level Domains (wie .org, .net, .com) wird es hunderte neuer Adress-Endungen geben. Die zuständige Behörde Icann hat jahrelang über die Ausweitung beraten.
Folgende Dax-Unternehmen haben sich beworben: Bayerische Motorenwerke AG mit .bmw oder .mini, Linde AG mit .linde, MAN SE mit .man, Merck KGaA mit .merck, RWE AG mit .rwe, SAP AG mit .sap, Deutsche
Post AG mit .deutschepost oder .trust und Volkswagen mit .volkswagen und .audi
Internationale Bewerber sind unter anderem: Amazon, AOL, Apple, Calvin Klein, Canon, Cartier, Chrysler, Cisco, Dell, Deloitte, Fiat, Google, Honda, Intel, Microsoft, Mitsubishi, Ricoh, Samsung, Sanofi, SAS, Seat, Sony, Suzuki, Symantec, Toshiba, Verisign, Yahoo, Zara
Dazu gibt es geografische Top Level Domains wie Afrika (.africa), Amsterdam, Bayern, Berlin, Hamburg, Kapstadt (.capetown), NRW, Paris, Sydney, Stockholm, Tokio (.tokyo), Zürich (.zuerich).
Von den deutschen Bundesländern sind Bayern mit .bayern, Berlin mit .berlin, Hamburg mit .hamburg, Nordrhein-Westfalen mit .nrw und das Saarland mit .saarland vertreten. Als einzige deutsche Stadt neben Berlin tritt Köln an, gleich sowohl mit .koeln, als auch mit .cologne.
Das Bewerbungsverfahren begann am 12. Januar 2012. Bis Ende des Jahres prüft die ICANN nun die Anträge und muss vor allem über konkurrierende Bewerbungen entscheiden. Frühestens 2013 werden die ersten neuen Top Level Domains im Netz sein.
1998 wurde die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), mit Sitz in Kalifornien, von einem Zusammenschluss verschiedener Interessenverbände gegründet. Die privatrechtliche aber nicht-kommerzielle Organisation verwaltet die Top Level Domains, entscheidet über Erweiterungen und technische Änderungen - sie wird daher auch manchmal als "Internet-Regierung" bezeichnet. Das Board of Directors der ICANN besteht aus 21 Mitgliedern aus aller Welt. Bekannte deutsche Mitglieder waren unter anderem Helmut Schink (Siemens AG), Andy Müller-Maguhn (Stellvertretender Vorsitzender des Chaos Computer Club Berlin e. V.) und Hagen Hultzsch (ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom AG).
Bei konkurrierenden Bewerbungen haben Markeninhaber Vorrang. Allerdings könnte es trotzdem zu Streitfällen kommen sein, beispielsweise wenn sich um .bounty der Schokoriegelhersteller und der Küchenrollenproduzent bewerben. Können sich beide nicht auf eine gemeinsame Nutzung einigen, kommt es zu einer Auktion.
Als weiterer Schutzmechanismus soll ein Trademark Clearinghouse eingerichtet werden – bei diesem Zentralregister können Marken registriert werden. Das genaue Prozedere ist jedoch noch unklar.
Allein die Bewerbungsgebühr bei der Icann beträgt 185.000 Dollar. Zudem sind die technischen und juristischen Anforderungen hoch: Jeder der eine der neuen Topleveldomains betreibt, hat ähnliche Rechte und Pflichten, wie die DENIC, die jetzt die .de-Adressen verwaltet. Daher können sich auch keine Privatpersonen bei der ICANN für die neuen Endungen bewerben, sondern nur Firmen und Organisationen, die bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu gehört ein Nachweis der technischen Befähigung. Experten schätzen den Aufwand im ersten Jahr auf mindestens 500.000 eher eine Million Euro.
Schon jetzt kann man sich Domains mit den neuen Adressen reservieren, teils direkt bei den Bewerberinitiativen, teils bei den üblichen Registraren die auch bisherige Adressen vermitteln. Die Kosten dürften später ähnlich wie bei bisherigen Domains liegen: Von zweistelligen Eurobeträgen für normale, wenig gefragte Adressen bis zu sechs- und siebenstelligen Summen bei besonders attraktiven Begriffen.
Befürworter hoffen auf neue Marketingmöglichkeiten und ein besseres Ranking in Suchmaschinen, wenn die gefragten Begriffe Teil der Domain sind. Zudem steigt die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten und neuer, noch freier Domains immens. Die große Frage ist jedoch, ob und welche TLD sich durchsetzen. Denn einerseits lassen sich sehr eindeutige und attraktive Adressen bilden, andererseits wird das Netz dadurch viel unübersichtlicher. Entscheidend für den Erfolg wird es sein, ob und wie große Unternehmen die Adressen nutzen und vermarkten.
Hintergrund ist eine radikale Ausweitung des Adressraums: die für die Regulierung des zuständige Behörde Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) erlaubt künftig fast jede Endung. Zu den bisher geläufigen Länderkürzeln wie .de für Seiten aus Deutschland, sowie den 21 sogenannten generischen Top Level Domains wie .com oder .org, könnten Hunderte neue Endungen dazukommen. Adressen-Endungen wie .berlin, .gmbh oder .shop. werden damit bald normal.
Drei Dax-Konzerne wollen sich eigene Adress-Endungen zulegen. „Wir bewerben uns um .sap“, erklärte SAP gegenüber der WirtschaftsWoche. Der Softwarekonzern erhofft sich davon „neue Möglichkeiten im Marketing“. Auch der Essener Energiekonzern RWE und Linde werden sich um eine neue Adress-Endung bemühen. Der Münchner Industriegasehersteller verspricht sich davon unter anderem „eine schnellere Auffindbarkeit in Suchmaschinen, eindeutige Identifizierbarkeit oder die direkte Weiterleitung auf die jeweilige Landesseite“.
Die teuersten Domains





Am 12. Januar beginnt die dreimonatige Bewerbungsfrist bei der für die Regulierung des Datennetzes zuständigen Behörde Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers). Für Unternehmen sind die Top Level Domains jedoch nicht billig. Allein als Bewerbungsgebühr verlangt Icann einmalig 185 000 Dollar, dazu kommt hoher juristischer und technischer Aufwand beim Betreiben der Endungen. „Eine Million Euro im ersten Jahr muss man mindestens kalkulieren“, sagt Thorsten Troge, Markenrechtler bei der Anwaltskanzlei TaylorWessing.
Ein Viertel der Dax-Konzerne verzichtet
Das lässt selbst viele große deutsche Unternehmen zögern: Laut einer Umfrage der WirtschaftsWoche verzichtet mehr als ein Viertel der 30 größten börsennotierten Unternehmen auf eine Bewerbung, „Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis“, heißt es bei Siemens. „Das jetzige System ist etabliert und funktioniert.“ Neben den Münchenern verzichten auch Allianz, BASF, Beiersdorf, K+S, Lufthansa, Metro, Munich Re und Salzgitter auf eine Bewerbung.
„Derzeit ist noch unklar, ob sich die neuen Top Level Domains dauerhaft durchsetzen werden“, begründet BASF seinen Verzicht. Die Verunsicherung ist groß, zwei Drittel der Befragten haben sich daher kurz vor dem Start der Bewerbungsphase noch nicht endgültig entschieden oder wollten sich zu den Plänen nicht öffentlich äußern. International haben bislang Canon, Deloitte und Hitachi gesagt, dass sie eine Bewerbung planen.