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Raubkopierportal Kino.to Das Netzwerk der Film-Piraten

Am Tag nach einer Großrazzia beim größten deutschen Raubkopierportal Kino.to und dessen Abschaltung kommen erste Details über das wahre Ausmaß des Film-Piraten-Ringes ans Licht. Demnach war dieser viel größer als angenommen.

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Aufnahme der Internetseite Quelle: dpa

Es war eine langwierige Jagd. Seit mehr als zwei Jahren verfolgten Staatsanwälte und Spezialisten der Filmbranche die Betreiber von Kino.to, dem mit Abstand beliebtesten illegalen deutschen Filmportal. Vier Millionen Besucher suchten sich dort täglich die neuesten Kinofilme und Fernsehserien, nach Schätzungen der federführenden Generalstaatsanwaltschaft Dresden spielte die Seite den Betreibern monatlich einen einstelligen Millionenbetrag an Gewinn ein. Doch trotz dieser Größenordnung und der dahinter stehenden professionellen Infrastruktur, verloren sich die Spuren der Ermittler zwischen Irland, Spanien, Russland und der Pazifikinsel Tonga.

Doch am Mittwoch gelang der entscheidende Schlag: Mit 250 Polizisten und Steuerfahndern sowie 17 Datenspezialisten durchsuchten die Behörden 42 Wohnungen, Büros und Rechenzentren in 20 Orten, darunter Zwickau, Berlin, Hamburg und München. Der Schwerpunkt der Razzia lag laut einem Bericht der "Dresdner Neuesten Nachrichten" in Leipzig. Dort seien die Beamten in Wohnungen und Geschäftsräume im Zentrum und dem Stadtviertel Grünau eingerückt. "Von hier aus wurde Kino.to gesteuert", sagte der Oberstaatsanwalt dem Blatt. 

Zeitgleich durchsuchten Beamte auch Räumlichkeiten in Spanien, Frankreich und den Niederlanden. Sie beschlagnahmten mehrere Server und schalteten Internetseiten ab. 13 Personen wurden verhaftet, eine ist auf der Flucht. Allein in Leipzig wurden drei Personen festgenommen, ein dritter Leipziger ging den Fahnder in Palma de Mallorca ins Netz.

Der Durchsuchungsbeschluss, der der WirtschaftsWoche in Auszügen vorliegt, deckt nun das ganze Ausmaß des Raubkopier-Ringes auf. Die Gesellschaft zu Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), ein Ableger der Film- und Spielindustrie, sowie die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) hatten zuvor unter anderem aus Informationen von Szeneaussteigern das Puzzle zusammengesetzt.

Kino.to aus Leipzig gesteuert

Demnach steckt hinter Kino.to, laut GVU der Coca-Cola unter den Raubkopierplattformen, ein riesiges Netzwerk von Portalen und Datenhostern. Die Personen hinter Kino.to betreiben nach Kenntnissen der GVU in Personalunion selbst vier Videohoster. Das sind die Seiten, auf denen die Filme gespeichert sind - Kino.to selbst veröffentlichte nur die Links, die auf die Videoseiten verweisen.

16 weitere Videohoster arbeiteten eng mit Kino.to zusammen. Sie hatten sich dem Vernehmen nach teilweise als eine Art Dienstleister bei Kino.to beworben. Zu den nun von der Kriminalpolizei dicht gemachten Hostern zählen in der Szene so bekannte Seiten wie Archiv.to, Filebase.to oder Serienguide.org. Zudem war Kino.to eng mit anderen Raubkopierportalen wie Movie2K.to, Neu.to, Streamline.to und Moviestream.to verknüpft.

Die meisten Videos lagerten den Informationen zufolge auf Servern des französischen Rechenzentrumsbetreibers OVH, dass laut GVU in der Szene sehr beliebt ist. Nach der Razzia gegen den Kino.to-Ring gestern sei der Verkehr auf den Servern regelrecht zusammengebrochen heißt es.

Werbung für Porno- und Pokerseiten

Ihr Geld verdiente das Netzwerk vor allem mit Werbung, die zum Teil zweifelhafte Anbieter auf den Seiten schalteten. Dahinter verbargen sich nicht selten sogenannte Abzockfallen, mit denen diese arglose Nutzer in nutzlose Software-Abonnements lockten. Diese von windigen Anwälten eingetriebenen Gelder liefen offenbar auf den Konten von Kino.to zusammen. Die Betreiber der Seite verteilten sie dann weiter an Videozulieferer. Zudem veröffentlichte die Seite zuletzt immer mehr Werbung für Porno- und Pokerseiten.

Die Internetseite Netzfeuilleton.de veröffentlichte gestern ein Interview mit einem mutmaßlichen Filmlieferanten von Kino.to. Der habe sich auf Dokumentationen und ein paar US-Serien spezialisiert und sich so im Monat 1000 Dollar dazuverdient. Wer Serien wie Dr. House und Glee hochgeladen habe, habe mehr verdient. Direkten Kontakt zu den Kino.to-Machern habe er nicht gehabt, das sei auch nicht nötig gewesen: "Es ist alles anonym".

Die Raubkopierszene reagierte auf den Schlag gegen Kino.to und die anderen Seiten noch am gestrigen Abend mit einer sogenannten DDOS-Attacke gegen die Website der GVU. Dabei wird die Seite mit einer Flut von Anfragen überschüttet, sodass sie unter der last zusammenbricht. Die Website war danach nicht mehr zu erreichen.

Matthias Leonardy, der Geschäftsführer der GvU, erwartet, dass der Schlag die Szene zumindest einige Zeit stark trifft. Allerdings gibt es noch einige ähnliche Portale: "Wir sehen in Deutschland 18 weitere relevante Seiten", sagt Leonardy.

„Wir beginnen jetzt mit Vernehmungen der Beschuldigten“, sagte der Staatsanwalt. Die Behörden werden in den nächsten Tagen die beschlagnahmten Daten auswerten. Dem Vernehmen nach waren sie unter anderem auf der Suche nach Buchhaltungs- und Steuerunterlagen der beschuldigten Unternehmen, deren Schriftverkehr, Verträgen, tabellarischen Aufstellungen, Notizen und Adresslisten. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass die Ermittlungen mehrere Monate dauern werden.

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