„Recht auf schnelles Internet“ Eine große Chance vertan

Quelle: imago images

Nun hat auch der Bundesrat dem Plan der Bundesregierung zugestimmt, allen Menschen in Deutschland einen schnellen Internetzugang zu garantieren. Doch was nach einem Meilenstein der Digitalisierung klingt, bleibt nur ein leeres Versprechen. Ein Kommentar.

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Die Kritiker hatten bis zuletzt gehofft, dass die Länderkammer die Bundesregierung zur Nacharbeit zwingt und Bürgerinnen und Bürger doch noch Anspruch auf wirklich schnelle Internetzugänge bekommen. Doch seit diesem Freitag (10.6.) ist klar, dass es auch den Vertreterinnen und Vertreter der Länder im Bundesrat am Willen fehlt, Deutschland im Netz an entscheidender Stelle mehr Schwung zu verleihen.

Mit gebremster Euphorie zwar, aber doch mit Mehrheit haben die Länder den Plänen von Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) zugestimmt, den Menschen im Land erstmals einen Rechtsanspruch auf schnelle Internetzugänge zu gewähren. Dabei richtet sich die Kritik nicht gegen das Vorhaben. Was enttäuscht, ist das Leistungsversprechen, das damit verbunden ist. 

Denn das, was da als „schnelles Internet“ verkauft wird, ist weit entfernt davon, was heute zeitgemäß wäre. Wissing zieht die Grenze bei Download-Raten von nur 10 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Damit garantiert sein „Versprechen“ gerade mal ein Drittel der Leistung, wie sie die EU-Kommission vor zehn Jahren bereits mit 30 Mbit/s als Untergrenze für einen schnellen Netzzugriff definiert hatte.

Und leider hat der Bundesrat die Chance vertan, diesen ambitionslosen Plan angemessen nachzuschärfen.

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Dabei ist es ist im Netz heute leider wie im deutschen Straßenverkehr: Auf Deutschlands Datenautobahn herrscht Dauerstau, Videostreams ruckeln, Up- und Downloads von Daten ziehen sich. Und schnelle Glasfaseranschlüsse bis in Haus oder Wohnung sind bis heute flächendeckend Mangelware.

Was Bürgerinnen und Bürger hierzulande Tag für Tag beim Surfen im Netz leidvoll feststellen, bestätigen Daten des Analysedienstes Ookla, der weltweit das Tempo von Internetverbindungen vergleicht. Da liegt die Hightechnation Deutschland im Vergleich europäischer Staaten abgeschlagen im Mittelfeld auf einem ernüchternden 18. Rang. Während Onliner in Monaco, der Schweiz, Dänemark, Frankreich oder Spanien im Mittel mit Downloadraten von mehr als 200 Megabit pro Sekunde rechnen können, reicht es in Deutschland nur für knapp 140 Megabit.

Da klingt es nach einem Meilenstein (und von der FDP noch immer als solcher bejubelt wird), dass das Bundeskabinett nun allen Menschen im Land ein Recht auf schnelles Internet garantieren will. Das soll nicht bloß die „digitale Teilhabe“ der Menschen am zunehmend vernetzten Leben sicherstellen, sondern auch die Digitalisierung der Gesellschaft insgesamt voranbringen.

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Doch was der überfällige Aufbruch hätte werden können, bleibt nun nach dem Bundesratsbeschluss ein enttäuschend anspruchsloses Vorhaben des auch sonst eher unsichtbaren Digitalministers Volker Wissing (FDP): Rückwirkend zum 1. Juni sollen nun also Internet-Festnetzanschlüsse künftig bundesweit ein Mindesttempo von gerade einmal 10 Mbit/s im Download liefern, und im Upload noch enttäuschendere 1,7 Mbit/s.

Dieser Schritt kommt zehn Jahre zu spät

Das ist, man muss es so deutlich sagen, eine digitale Nullnummer, die weder den Wirtschaftsstandort Deutschland voranbringt, noch den genervten Onlinekunden einen nennenswerten Vorteil verspricht. Bei knapp 42 Millionen Haushalten im Land gibt es laut der jüngsten Statistik der Bundesnetzagentur bereits heute mehr als 36 Millionen Festnetz-Breitbandanschlüsse. Bald 94 Prozent davon liefern schon heute mehr als die versprochenen zehn Megabit, drei von zehn Anschlüssen schon mehr als 100 Megabit. Nur gut sechs Prozent der vermarkteten Anschlüsse erreichen nicht die nun angepeilte Garantiegeschwindigkeit von zehn Megabit.

Dass das Netz auch dort künftig etwas schneller werden soll, ist für die Betroffenen sicher ein Gewinn. Und auch, dass Menschen in den bis heute verbliebenen Offline-Ecken der Republik künftig ein Recht auf ein Mindestmaß an Onlinezugriff bekommen sollen, ist sicher ein kleiner Fortschritt. Aber statt Grund zur Freude gibt der nun abgesegnete Rechtsanspruch eher Anlass zur kritischen Nachfrage, warum solch ein Rechtsanspruch in einem Industrieland wie unserem nicht schon seit mindestens einem Jahrzehnt existiert?

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Und so setzt auch der aktuelle Vorstoß im Grunde nur die erschreckend ambitionslose Digitalpolitik früherer Bundesregierungen fort. Digitalisierung wird hierzulande bestenfalls verwaltet und nicht offensiv gestaltet. Ein Aufbruch, der Deutschland als Digitalnation wirklich voranbringen würde, sähe anders aus. Insofern, Herr Wissing, gehen Sie noch mal über die Bücher und legen Sie nach, bevor der Bundestag über den Kabinettsvorschlag entscheiden soll. Denn ins Gesetz gehört ein Breitbandanspruch von mindestens 100 Megabit.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 5. Mai 2022 als Beitrag im WiWo-Newsletter Daily Punch und wurde am 10. Juni aktualisiert.
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