Roboter Werden Androiden zur Gefahr oder zu Gefährten?

Humanoider Roboter im Kundenservice Quelle: TU Darmstadt

Prototypen von High-Tech-Robotern gleichen dem Menschen schon aufs Haar. Doch was taugen sie wirklich und wie nützlich oder gefährlich werden sie für uns?

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Elenoide ist eine Maschine, sieht aber fast wie ein Mensch aus und wird auch schon so behandelt. Behutsam streicht Ruth Stock-Homburg der Roboterfrau eine blonde Strähne aus der Silikonstirn, damit die Frisur aus echtem Haar optimal sitzt.

Die Psychologin lehrt Betriebswirtschaft an der TU Darmstadt und forscht im ausgegliederten Leap-in-time-Labor, wie Roboter auf Menschen wirken. Ihr Team hat heute Testpersonen eingeladen, die bei Elenoide in ein fiktives Hotel einchecken sollen. Dafür ist ein Tresen aufgebaut, hinter dem die maschinelle Empfangsdame frisch kostümiert, frisiert und geschminkt Stellung bezogen hat.

Irgendwann könnten Kunden einer Bank, Gäste eines Hotels, Besucher eines Museums oder sogar Patienten eines Krankenhauses tatsächlich mit maschinellen Dienern zu tun bekommen. „Das liegt bei uns noch in der Zukunft, doch in Japan gehören Dienstleistungsroboter bereits zum Alltag“, sagt Expertin Stock-Homburg. Elenoide ist der wohl wichtigste Baustein ihrer Experimente. Sie ist der bisher einzige menschenähnliche Roboter, der in Europa im Einsatz ist.

Eine Roboterdame als Concierge

Mit Elenoide betritt eine neue Generation sogenannter Androiden die Bühne, die äußerlich nichts mehr mit den putzigen Plastikmännchen zu tun haben, wie sie bisher schon auf Messen oder in einigen Bankfilialen herumrollen. Der japanische Erfinder Hiroshi Ishiguro wurde berühmt, weil er einen Androiden namens Geminoid baute, der ihm aufs Haar gleicht. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn die sorgfältig geföhnte Perücke seiner Schöpfung soll Ishiguro mit eigenen Haaren ausgestattet haben.
Bei solchen Menschmaschinen liegen die Erwartungen der Nutzer wegen der perfekten Optik besonders hoch. Doch sind die Androiden schon so weit, wie sie aussehen? Und wenn ja: Wie nützlich oder gefährlich werden ihre Fähigkeiten für den Menschen?

Unnachahmliche Präzision

Ingenieure und Wissenschaftler unterscheiden drei Robo-Klassen: Traditionelle Industrieroboter ohne Ähnlichkeit mit Menschen, humanoide Kopffüßer im Transformers-Look und schließlich als optische Königsklasse die menschenähnlichen Androiden.
Dass Maschinenhände außerordentliches Fingerspitzengefühl besitzen können, beweisen bereits die klassischen Fertigungsroboter, wie sie seit den frühen 1970er-Jahren in immer leistungsfähigerer Form entwickelt werden und den Traum von der automatischen Fabrik wahrgemacht haben.

In Deutschland stellt Kuka aus Augsburg solche Industrieroboter her. Sie zapfen bei Aktionärsversammlungen des Unternehmens Biergläser mit herrlichen Schaumkronen voll oder fordern staunende Messebesucher zu einem Tischtennismatch heraus. Im realen Einsatz schrauben, schweißen, montieren oder stapeln sie in unnachahmlicher Präzision und Geschwindigkeit an den Fließbändern überall auf der Welt. Manche Industrieroboter arbeiten so hektisch, dass sie ihren Dienst aus Sicherheitsgründen eingesperrt in einen Käfig verrichten müssen. Andere sind so zahm, dass sie Hand in Hand mit Menschen arbeiten können. Ähnlichkeit mit uns haben diese Apparate aber keine.

Das ist bei humanoiden und androiden Robotern anders. Humanoide sind putzige kleine Kerlchen, wie das Standardmodell Pepper aus dem Hause Softbank Robotics, die mit ihren Kulleraugen beim menschlichen Gegenüber Emotionen wecken können. Sie sprechen aus eingebauten Lautsprechern, sind aber auf den ersten Blick als Maschine erkennbar. Androiden wie Elenoide oder Gemenoide aber wetteifern geradezu darum, ihren menschlichen Vorbildern möglichst nahe zu kommen.

Die Computerexperten aus dem Team von Wissenschaftlerin Stock-Homburg haben monatelang teils in Nachtschichten programmiert, bis Gesten, Augenaufschlag und Sprache von Elenoide so realistisch wie möglich saßen. Der japanische Hersteller A-Lab hat das Geschöpf nur mit einer Basissoftware ausgestattet. Vor ihrem Einsatz als elektronische Empfangsdame bei den Darmstädter Experimenten musste Elenoide also erstmal fleißig lernen.

Über die Kameras in Elenoides Augen beobachten die hinter einer Trennwand verborgenen Wissenschaftler, wie ihre Testpersonen auf die Robofrau reagieren. Die fiktiven Hotelgäste sehen sich nur der mechanisch-digitalen Empfangsdame gegenüber – von den Experimentatoren bekommen sie nichts mit.

Roboterfrau als Unikat

Ihren Auftritt perfektioniert Elenoide mit einer Echthaarperücke, dezentem Make-up und einem Business-Kostüm mit orangem Jackett und weißer Bluse. Die Roboterfrau ist ein Unikat, das Stock-Homburg und ihr Team gemeinsam mit dem Hersteller aus Japan entwickelt haben. Als Vorbild diente das Gesicht einer den Entwicklern bekannten Managerin, die Körpermaße sind einer weiteren real existierenden Person nachempfunden. Kostenpunkt: Ein mittlerer sechsstelliger Eurobetrag. Die Dr. Hans-Riegel-Stiftung und das Darmstädter Pharmaunternehmen Merck haben das Projekt finanziell unterstützt.

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