Routerzwang Netzbetreiber wollen das Geräte-Monopol zurück

Seit 2016 dürfen Verbraucher selbst entscheiden, über welche Router sie von zu Hause ins Internet gehen. Quelle: dpa

Seit 2016 haben Internetnutzer das Recht, ihre Router für den Web-Zugang selbst zu wählen. Nun wollen Deutsche Telekom und andere Netzbetreiber die Routerfreiheit wieder kippen. Verbraucherschützer und Experten schlagen Alarm.

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Eigentlich hatte der Bundestag den jahrelangen Streit zwischen Netzbetreibern und Verbraucherverbänden 2016 mit einem Machtwort beendet. Seit der Neuregelung des Telekommunikationsgesetztes (TKG) dürfen die Kunden selbst entscheiden, mit welcher Technik sie ins Internet gehen und ausdrücklich eigene Router an der Anschlussdose ihres DSL- oder Kabelzugangs einsetzen. Laut TKG endet die Hoheit der Netzbetreiber am sogenannten „passiven Netzabschlusspunkt“.

Nun aber, drei Jahre später, droht plötzlich die Rückkehr des Routerzwangs: Im Zug des Glasfaserausbaus wollen die deutschen Internetanbieter ihre Kunden wieder verpflichten, firmeneigene Router einzusetzen. Die Deutsche Telekom und die vier Anbieterverbände Anga, Buglas, Vatm und VKU monieren in einem gemeinsamen Positionspapier, die deutsche Routerfreiheit verstoße gegen EU-Regularien. Deshalb wollen sie die bisherige, verbraucherfreundliche Regelung im Zuge der Harmonisierung von EU-Vorschriften wieder kippen. Anlass ist die Novelle des europäischen Rechtsrahmens für Telekommunikation, die bis Ende 2020 in deutsches Recht übertragen werden muss.

Die Festlegung des TKG auf einen „passiven“ Anschlusspunkt – zu Deutsch, eine dumme Anschlussdose fürs DSL- oder Breitbandkabel – sei nicht nur rechtlich nicht haltbar, so die fünf Unterzeichner in ihrem Schreiben. Sie hemme zudem die Weiterentwicklung des Glasfaserausbaus. Internetanschlüsse für derart leistungsstarke Netze, so die Argumentation, benötigten einen aktiven Netzabschluss. Kurz, ein vom Netzbetreiber geliefertes und vorkonfiguriertes Endgerät. Wahlfreiheit vom Kunden, soll das wohl heißen, stört da nur.

Verzögerungen beim Glasfaserausbau

Ohne den Router vom Internetanbieter, so die recht unverhohlene Warnung im Positionspapier der Anbieter, drohten zusätzliche Verzögerungen beim ohnehin schon schleppenden Glasfaserausbau in der Bundesrepublik. „Ohne die Kontrolle über den (aktiven) Netzabschluss“, heißt es in dem Papier „wird der Ausbau insgesamt nachhaltig behindert.“ Die deutsche Regelung wirke als Hemmschuh für die technische und die Produktentwicklung – und die die Festlegung auf einen passiven Netzabschlusspunkt negativ auf den Glasfaserausbau aus.

Verbraucherverbände und Technologieexperten kritisieren diesen Vorstoß scharf. „Das ist das alte Bestreben der Internetanbieter, ein Monopol bei der Netztechnik zu Lasten der Kunden durchzusetzen“, sagt Oliver Müller. Der Referent für Telekommunikation bei der Verbraucherzentrale NRW spricht sich vehement für den Beibehalt der Routerfreiheit aus. Er verweist darauf, dass die Netzbetreiber im Fall des Routerzwangs ihre den Kunden gelieferten Geräte zum Teil erheblich in ihren Funktionen beschneiden könnten. „Wenn Netzbetreiber Zugriff auf Geräte ihrer Kunden haben oder möglicherweise einzelne Leistungen beeinflussen können, ist das auch eine Gefahr für die Netzneutralität.“

Mehr Funktionen nur für mehr Geld

Das ist nicht bloß Theorie: Vor dem Fall des Routerzwangs hatten manche Netzbetreiber technisch überholte Geräte noch zu deutlich höheren Preisen an ihre Kunden verkauft oder vermietet. Zum Teil berechneten sie Zusatzgebühren, um etwa das WLAN im Router freizuschalten. Oder sie blockierten die Möglichkeit, parallel zum regulären Telefonanschluss weitere, günstigere Anbieter zu nutzen. Und im Frühjahr hatte sich der inzwischen zu Vodafone gehörende Internetanbieter Unitymedia vor Gericht das Recht erstritten, auf den von ihm bereitgestellten Routern beim Kunden zusätzliche, öffentliche WLAN-Zugänge zu aktivieren.

Angesichts solcher Praktiken kommt Widerstand auch vom DVPT Anwenderverband Kommunikation aus Frankfurt. „Bei der Rückkehr zum Routerzwang drohen steigende Kosten, weniger Funktionsvielfalt und ein potenziell größeres Sicherheitsrisiko – wie wir das bereits erlebt haben“, so DVPT-Experte Stephan Schmidt. Tatsächlich waren etwa bei einer Hacker-Attacke im November 2016 mehr als eine Million Telekom-Router ausgefallen, weil deren Software fehlerhaft war. Erst nach mehreren Tagen war der Konzern in der Lage, die Schwachstelle mit Updates zu beheben. Kunden, die ihre eigenen Router am Telekom-Anschluss betrieben hatten, waren von dem Angriff nicht betroffen.

Doch auch jenseits solcher Probleme gebe es keinen vernünftigen Grund für eine Abkehr von der geltenden Rechtslage, sagt Schmidt und fordert, „an der Routerfreiheit nicht zu rütteln“. Und auch die europäische Dachorganisation der Telekom-Regulierungsbehörden Berec verweist in einem aktuellen Regelungsentwurf zur Definition des Netzabschlusses auf die EU-Vorgabe, dass „Endkunden das Recht haben, […] Anschlusstechnik ihrer Wahl an ihrem Internetzugang zu nutzen.“

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