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Routerzwang soll verboten werden Verdiente Ohrfeige für Netzbetreiber

Seit Jahren verweigern manche Online-Anbieter ihren Kunden die Möglichkeit, am Internetanschluss Router ihrer Wahl anzuschließen. Mit einem neuen Gesetzentwurf will Bundeswirtschaftsminister Gabriel diesem sogenannten Routerzwang endlich ein Ende setzen. Netzbetreibern, die weiterhin die Wahlfreiheit einschränken droht künftig sogar ein Bußgeld. Der Schritt war überfällig.

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So schön sieht WLAN aus
Zu Hause, im Büro und an öffentlichen Plätzen: WLAN ist überall. Aber wie sehen die Wifi-Strahlen eigentlich aus, haben sich der Tech-Blogger Nickolay Lamm und die Astrobiologin M. Browning Vogel Ph.D von der Nasa gefragt. Also griffen sie sich Bilder der Gegend um die Washingtoner National Mall und legten darüber Muster, wie das drahtlose Internet aussehen könnte. Wifi-Wellen haben eine gewisse Höhe und einen bestimmten Abstand zueinander. Er ist kürzer als bei Radiowellen und länger als bei Mikrowellen, sodass eine einzigartige Übertragung entsteht, die nicht durch andere Signale unterbrochen werden kann. Verschiedene Sub-Kanäle werden hier in verschiedenen Farben dargestellt. Quelle: gigaom.com
Die entstandenen Bilder zeigen eindrucksvoll, wie sich die unterschiedlichen Frequenzen der WLAN-Strahlen in der Öffentlichkeit verhalten. Hier werden die Impulse als bunte Kugeln visualisiert. Die Quelle ist rechts im Bild zu sehen. Jede Farbe steht für einen eigenen Ausschnitt aus dem elektromagnetischen Feld. Wifi-Felder sind meist sphärisch (wie hier) oder ellipsenförmig und erstrecken sich an öffentlichen Orten bis zu 300 Meter. Quelle: gigaom.com
Dieses Bild soll zeigen, dass die Impulse etwa sechs Zoll voneinander entfernt sind. Es wird auch deutlich, warum ein öffentlicher Platz nicht immer gleich gut mit Netz abgedeckt ist. Quelle: gigaom.com
Wifi-Antennen können an Bäumen, Laternenmasten oder auf Gebäuden befestigt werden. Mehrere Antennen können das komplette Gebiet um die National Mall abdecken. Das Internet legt sich hier wie eine Decke auf den Platz. Quelle: gigaom.com
Internetwellen sind überall - das machen uns die Bilder eindrucksvoll klar. Aber allen Berichten über schädliche Wirkungen zum Trotz: Sie sind einfach wunderschön. Quelle: gigaom.com

Es gab schon eine Menge dreister Versuche deutscher Netzbetreiber, Kunderechte einzuschränken oder mit sonderbaren Gebühren unberechtigt Kasse zu machen – das reicht von der SIM-Karten-Deaktivierungsgebühr bis zum Plan, nutzungslimitierte Online-Tarife als „Flatrate“ zu verkaufen. Doch kaum eines der Ansinnen war bisher so unverfroren, wie die von DSL- und Kabelnetzbetreibern seit Jahren praktizierte Unsitte, zigtausenden ihrer Breitband-Internetkunden die Herausgabe der Zugangsdaten für ihren Onlinezugang zu verweigern und sie so daran zu hindern, mit einem Router ihrer Wahl ins Netz zu gehen.

Diesem sogenannten „Routerzwang“ will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit einem soeben vorgelegten Gesetzentwurf nun endlich ein Ende bereiten Und er droht darin sogar mit Bußgeldern für widerstrebende Online-Anbieter. Das Papier aus Berlin ist ein Meilenstein in Sachen Kundenrechte im Internet-Geschäft – und eine schallende Ohrfeige für die betroffenen Netzbetreiber. Und das zu Recht.

Sonderbares Rechtsverständnis

Denn die Unternehmen haben jahrelang versucht, vielen Kunden eines der grundlegenden Rechte des liberalisierten Kommunikationsmarktes vorzuenthalten: die Möglichkeit nämlich, am Onlinezugang die Technik zu nutzen, die sie daran betreiben wollen. Was im Telefonmarkt seit den Neunzigerjahren Usus ist – dass jeder Kunde das Telefon seiner Wahl an seine Anschlussdose klemmen kann – torpedierten zahlreiche DSL-Anbieter (darunter O2 und Vodafone bei einigen Tarifen) ebenso konsequent wie fast alle Kabel-Internetanbieter (von Kabel Deutschland bis Unity Media ganz generell).

Dass die Netzbetreiber den Kunden die Herausgabe der für die Konfiguration der Router nötigen Zugangsdaten verweigern, obwohl sowohl deutsche Fernmeldegesetze als auch EU-Maßgaben die freie Endgerätewahl längst für den Web-Zugang als Vorgabe definierten, zeugt von einem ebenso zweifelhaften Rechts- wie Kundendienstverständnis.

Deutschland hat keine Ahnung vom Internet
Laut einer Studie der Internationale Fernmeldeunion (ITU) haben 4,3 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zum Internet oder zu Handys, ein Großteil von ihnen lebt in Entwicklungsländern. Besonders in Afrika mangelt es an der Verbreitung der modernen Technik, wie der Informations- und Kommunikationsentwicklungsindex der ITU zeigt. Internationales Schlusslicht ist die Zentralafrikanische Republik auf Platz 166. Allerdings steigt in den Entwicklungsländern die Verbreitung rasant: 2013 stieg die Verbreitung um 8,7 Prozent - in den Industrienationen waren es dagegen nur 3,3 Prozent mehr. Und einige der Industriestaaten könnten durchaus noch Nachhilfe gebrauchen. Quelle: AP
So schafft es Deutschland nur auf Platz 17, was die Zugänglichkeit und die Nutzung von Internet und Handys sowie die Kompetenz der Bevölkerung im Umgang mit der Technik angeht. In der Bundesrepublik hapert es jedoch nicht nur an der flächendeckenden Versorgung mit schnellen Internetanbindungen. Bereits im Jahr 2012 hat eine Studie von Eurostat den Deutschen in Sachen Computerkenntnisse kein gutes Zeugnis ausgestellt. Und daran hat sich bis dato nicht viel geändert. Nur 58 Prozent der Deutschen haben mittlere bis gute PC-Kenntnisse. Und selbst die Digital Natives, die mit Computern, Internet und Handy groß geworden sind, gehen nicht automatisch kompetent mit den neuen Medien um. Zu diesem zentralen Ergebnis kommt eine weltweite Studie zu den Computer- und Internetkenntnissen von Achtklässlern. Quelle: dpa
Doch selbst die USA - Heimatland von Google, Facebook, Microsoft, Twitter & Co. - wurden von der ITU nur auf Platz 14 eingestuft. Im kommenden Jahr könnten sich die USA jedoch hocharbeiten. Dann nämlich sollen zumindest in New York alte Telefonzellen durch kostenlose Wifi-Stationen ersetzt werden. Fehlen nur noch die ländlichen Regionen versorgt. Quelle: dpa
Österreich und die Schweiz landen im weltweiten Internet-Ranking auf den Plätzen zwölf und 13. Auch bei der „ International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) schnitten Österreich und die Schweiz besser ab, als Deutschland. Die Schüler aus den Nachbarstaaten taten sich leichter, einfache Textdokumente am Computer zu erstelle oder eigenständig Informationen zu ermitteln (Kompetenzstufen III und IV). Von den deutschen Schüler erreichte dagegen nur jeder Dritte die untersten Kompetenzstufen I und II: Das bedeutet, dass viele deutsche Jugendlichen gerade einmal über rudimentäres Wissen und Fertigkeiten beim Umgang mit neuen Technologien verfügt. Sie konnten etwa einen Link oder eine E-Mail öffnen. Quelle: AP
Besser als die deutschsprachigen Länder schnitten dagegen Japan (Platz elf), Luxemburg (Platz zehn), Hongkong (Platz neun) und Finnland (Platz acht). Quelle: dapd
Selbst unsere Nachbarn im Westen sind in puncto Verbreitung und Kompetenz deutlich besser aufgestellt: Mit einem Informations- und Kommunikationsentwicklungsindex von 8.38 kommen die Niederlande auf Platz sieben und sind damit zehn Plätze vor Deutschland mit einem Index von 7,90. Quelle: AP
Auf Platz drei liegt Schweden mit einem Index von 8.67 vor Island (8.64), Großbritannien (8.50) und Norwegen (8.39). Quelle: REUTERS

Konkurrenz unterbinden

Statt die den Kunden zustehenden Rechte umzusetzen, definierten die Online-Anbieter nach Gutdünken selbst, wo ihre Netze enden – nämlich aus Sicht der Unternehmen erst am Telefon- oder Netzwerkstecker ihrer eigenen, in der Konfiguration voreingestellten Router – und unterliefen so die freie Endgerätewahl. Nur so, argumentierten die Anbieter, ließe sich die Qualität der Netze und Verbindungen bis zum Kunden garantieren.

Tatsächlich funktioniert das in anderen – ausländischen – Märkten sowohl am DSL- als auch am Kabelanschluss auch ohne Routerzwang. Und so dient die Weigerung, die Anschlussdaten herauszugeben, wohl weit eher dem Zweck verhindern zu können, dass Kunden ihre Onlinebox beispielsweise parallel zum Anschluss ans Netz ihres Internet-Anbieters auch mit Diensten anderer Netzbetreiber koppeln – etwa konkurrierenden und preiswerteren VoIP-Telefondiensten.

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Mit derlei Blockade-Politik soll nun endlich Schluss sein. Und Gabriels Beamte haben das in ihrer Gesetzesvorlage, die nun in die Abstimmung mit Ländern, Verbänden, Unternehmen und der EU geht, eindeutig klargestellt: „Die freie Wahl eines Endgerätes für den Breitbandanschluss [… wird] gewährleistet“, schreiben sie. Und „notwendige Zugangsdaten haben [die Anbieter] dem Teilnehmer […] unaufgefordert und kostenfrei bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen“.

Noch ist die Vorlage damit nicht als Gesetz verabschiedet und der Widerstand der Netzbetreiber ist abzusehen. Doch Gabriels Beamte haben sich – wie der aktuelle Entwurf zeigt – schon von den Querschüssen der Unternehmen im Vorfeld nicht beirren lassen. Und so ist kaum anzunehmen, dass der Wirtschaftsminister noch nennenswert hinter die eindeutigen Vorgaben aus dem jetzt vorgelegten Papier zurückfallen wird. Und das ist gut so.

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