Schlechte Zahlen Amazon will zu viel auf einmal

Für den Online-Riesen Amazon zählt nur Umsatz-Wachstum. Doch wie lange kann er noch die verlustreiche Strategie durchhalten?

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Die Quartalsergebnisse seines Unternehmens präsentiert Amazon-Chef Jeff Bezos schon lange nicht mehr selbst. Anders als CEOs wie Tim Cook von Apple, Mark Zuckerberg von Facebook oder Larry Page von Google hat er keine Zeit und vor allem keine Lust, sich für die Zahlen zu rechtfertigen. Schließlich geht es um kurzfristige Bestandsaufnahmen, die er so hasst. Zudem ist Amazon bekannt dafür, beim Umsatz oder beim Gewinn die Erwartungen der Börsianer zu verfehlen.

Und so musste auch jüngst wieder Amazon-Finanzchef Tom Szkutak die – schlechten – Quartalszahlen erklären. Zwar wächst Amazon weiter. In diesem Jahr wird der Konzern voraussichtlich weltweit knapp 92 Milliarden Dollar umsetzen. Doch während Facebook oder Google hochprofitabel sind, macht Amazon regelmäßig Verluste. Von April bis Ende Juni erwirtschaftete der Online-Gigant zwar 19,3 Milliarden Dollar, ein beachtliches Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Doch das Wachstum ist mit einem Verlust von 126 Millionen Dollar teuer erkauft. Im laufenden Quartal, warnte Szkutak vorsorglich, könnte der Fehlbetrag sogar bis zu 810 Millionen betragen, im ganzen Geschäftsjahr könnte er sich auf eine Milliarde summieren.

Prompt stürzte die Aktie um rund zehn Prozent ab, der Börsenwert sank damit um 15 Milliarden Dollar. Das vom Umsatz wesentlich kleinere Facebook mit vermutlich zwölf Milliarden Dollar Erlösen in diesem Jahr war beim Börsenwert schon vor Wochen an Amazon vorbeigezogen.

Bisher konnte Bezos seinen Kurs durchhalten, auf kurzfristige Gewinne zugunsten langfristigen Wachstums zu verzichten. Doch die Stimmen mehren sich, dass er sich mit seinen zahlreichen Baustellen übernommen hat. „Bezos macht zu vieles auf einmal“, warnt Managementberater Kevin Paul Scott von ADDO Worldwide. „Das kann nicht gut gehen.“

Der Amazon-Gründer muss investieren, um all die Gefechte durchzustehen, die er angezettelt hat. Gegen Google und Microsoft will er die Vorherrschaft beim Vermieten von Internet-Rechenkapazitäten verteidigen. Vor allem die Wachstumschancen dieser Sparte sind der Grund, warum sich der Wert der Amazon-Aktie in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht hat. Um den Vorsprung zu halten, baut Bezos die Datenzentren aus und senkt laufend die Mieten. Eine teure Materialschlacht.

Keine Garantie für Gewinne

Mit Netflix, Apple und Google streitet er sich derweil um den Markt der Online-Videotheken. Um das Angebot attraktiver zu machen, produziert Amazon eigene Thriller und Komödien und hat dafür namhafte Hollywood-Regisseure wie Steven Soderbergh verpflichtet. Dafür will Bezos allein im laufenden Quartal über 100 Millionen Dollar ausgeben.

Aktien-Info Amazon. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Fire Phone in der Kritik

Im Tablet-Geschäft konkurriert Amazon mit seinen Kindle-Lesegeräten und Fire-Tablets gegen Apple, Google und Samsung. Damit nicht genug: Jetzt wirft Bezos auch noch ein Smartphone auf den US-Markt. Allein das Marketing für das mit einem zweijährigen Mobilfunkvertrag für 199 Dollar angebotene Fire Phone wird mehrere Hundert Millionen Dollar kosten. Schon vor dem Marktstart haben Profi-Tester es aber wegen fehlender Apps und eines zu schwachen Akkus verrissen. Hinzu kommt noch eine Set-Top-Box für Fernseher. All die Geräte sollen den Verkauf digitaler Medien wie E-Books, digitale Zeitschriften, Musik und Filme ankurbeln. Doch wie viele dieser Geräte Amazon bisher verkauft hat und ob es mit der Hardware Verluste macht, ist ein streng gehütetes Geheimnis. „Wir wollen Geld machen, wenn Kunden unsere Geräte nutzen, nicht bei deren Kauf“, hat Bezos einmal sein Geschäftsmodell erklärt.

Klar ist nur: Jüngst musste Amazon den Preis für seinen Prime-Service, der in den USA gratis Lieferung innerhalb von 48 Stunden sowie eine Video- und Musikbibliothek bietet, von 79 auf 99 Dollar anheben. Vielleicht ist es ein Vorgeschmack auf den Tag, an dem der Gigant mangels Wettbewerb Preise diktieren kann. Zumindest einem Ziel bleibt Bezos treu.

2015 wird sein Konzern die Umsatzschwelle von 100 Milliarden Dollar überspringen. Doch das ist noch lange keine Garantie für Gewinne. Analyst Michael Pachter von Wedbush Securities bleibt skeptisch: „Was ist, wenn sie 200 Milliarden Dollar erreichen und trotzdem keinen Profit erzielen?“

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