Wenn die 17-jährige Elene ihre Schule betritt, bekommt ihre Mutter eine SMS: "Elene ist nun in der Schule." Sie wird auch benachrichtigt, wenn ihre Tochter die Schule verlässt. Schwänzen ist damit unmöglich. Elenes Moskauer Schule hat wie andere Lehranstalten der Stadt das Eingangssystem an der Pforte mit einer automatischen Benachrichtigung der Eltern verknüpft.
Auch in Frankreich, Finnland oder Kroatien gibt es diese Praxis. In Deutschland ist die Schwänzer-SMS - noch - die Ausnahme. Dirk Teubner, ein Anbieter solcher Systeme spricht "von einer Handvoll Schulen hierzulande", die die Anwesenheit via Textnachricht protokollieren. Er bedauert die Vorbehalte, insbesondere beim Datenschutz.
Dabei sind potenzielle Spitzel-Assistenten längst in den Taschen des Nachwuchses. 94 Prozent der deutschen 12- bis 19-Jährigen besitzen laut dem medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest ein Handy mit Internetzugang.
Hier können Eltern "Parental Control"-Apps installieren. So gibt es zum Beispiel Tracking-Apps, die automatisch den Standort der Kinder an die gekoppelten Eltern-Geräte senden. Der Marktführer unter den Tracking Apps, "Life 360", hat laut eigenen Angaben weltweit 100 Millionen Nutzer, die Hälfte davon in den USA.
So überwachen die Eltern-Apps
Die App vermittelt nicht nur GPS-Koordinaten. Sie meldet auch, wenn die Kinder bestimmte Worte benutzen, zu schnell fahren oder auf Bildern in sozialen Netzwerken markiert werden.
Kosten: 14,99 Dollar für drei Monate.
Gehen die Kinder nicht ans Handy, können Eltern das Handy kurzerhand sperren. Erst wenn die Kinder zurückrufen, ist das Gerät wieder frei.
Die App kostet 5,99 Dollar.
Die Nanny aus dem Netz bietet Rundum-Überwachung: Internetfilter, Zeitbegrenzungen, Mitlesen in Sozialen Netzwerken, Auswertung des Surfverhaltens.
Kosten: knapp 40 Dollar pro Jahr
Canary zeichnet das Fahrverhalten des Nachwuchses auf. Die App alarmiert die Eltern, sobald sich die Kinder nicht an die Verkehrsregeln halten. Zu den Features des kostenlosen Programms gehört eine alltägliche Fahrauswertung per E-Mail.
,Die App wirbt für ihre 20 Funktionen, mit denen Eltern das Kind überwachen, filtern, kontrollieren, blockieren und verfolgen können. Dazu zählt auch das Mitlesen von SMS.
Kosten:4,95 Dollar / Monat
Auch Qustodio bietet eine Überwachung in sämtlichen Lebensbereichen: Standortvermittlung, Internet-Aktivitäten, SMS und Anrufe. „Alle Informationen, die Sie brauchen, sind in klaren, leicht lesbaren Tabellen und Grafiken dargestellt", wirbt das Unternehmen. Ein besonderes Feature: „Schutz und Überwachung, ohne dass mein Kind davon weiß".
Kosten: Rund 40 Dollar/Jahr
Die Anbieter appellieren an die Urängste vieler Eltern: Endlich weiß man, ob das Kind wohlbehalten in der Schule oder bei den Freunden angekommen ist. "Die Familie zu beschützen war nie leichter", wirbt etwa die App "Mama Bear". "Gute App, um die Kinder im Auge zu behalten", lautet eine der überwiegend positiven Rezensionen im App-Store.
Was laut Werbeversprechen für mehr Sicherheit sorgen soll, birgt für Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, auch Gefahren. "Solche Apps erzeugen eine Atmosphäre der Angst. Sie verstärken sowohl bei Kindern als auch bei Eltern das Gefühl, sie lebten in einer so gefährlichen Welt, dass ständige Kontrolle erforderlich ist", erklärt Honkanen-Schoberth.
Manche Programme gehen sogar noch weiter. So versprechen Anbieter wie "Qustodio", "Net Nanny" oder "My Mobile Watchdog" eine Überwachung in allen Bereichen: die Kontrolle von SMS und Anrufen, Mitlesen der Facebook-Aktivitäten und die Analyse von Browser- und Suchverläufen. Angeblich alles zur Sicherheit der lieben Kleinen.