Second Hand Warum das Geschäft mit Gebrauchtklamotten im Netz gerade so boomt

Das Berliner Unternehmen Momox firmiert seinen Gebrauchtklamottenshop Ubup künftig unter dem Label

Der deutsche Marktführer Momox wächst in der Krise zweistellig. Vor der Konkurrenz von Zalando, AboutYou und H&M fürchten sich die Berliner nicht – und gehen trotzdem einen radikalen Schritt.

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Es gibt sie, die Profiteure der Coronakrise – auch im Handel jenseits des Online-Platzhirschen Amazon: Einer von ihnen ist Momox, Marktführer im Auf- und Weiterverkauf von gebrauchten Büchern, CDs, Filmen, Computerspielen und Kleidung. Dieses auch ReCommerce genannte Geschäft boomt aktuell. 

Laut Aussage von Momox-Chef Heiner Kroke im Gespräch mit der WirtschaftsWoche wird der Umsatz des Berliner Unternehmens im vergangenen Jahr auf gut 310 Millionen Euro steigen – ein Plus von 60 Millionen Euro gegenüber 2019. „Die Corona-Pandemie stützt den ohnehin vorhandenen Trend zu mehr Nachhaltigkeit“, sagt Kroke. „Denn viele Konsumenten hinterfragen, wie sie leben – dabei spielt die Kleidung und ihre Herkunft eine große Rolle. Das hilft unserem Geschäft.“ Vor allem aber dürfte Kroke davon profitieren, dass sein größter Konkurrent in normalen Zeiten ganz zu ist: Second-Hand-Märkte, die vor allem in den Metropolen des Landes in den vergangenen Jahren ein immenses Wachstum verzeichnet hatten.

Und so wächst das Geschäft mit Gebrauchtklamotten noch stärker als der Rest des Second-Hand-Marktes: „Wir werden damit 2020 stärker gewachsen sein als Momox insgesamt – und der Fashion-Anteil damit deutlich über den 13-Prozent-Anteil des Jahres 2019 liegt.“ Seit 2014 kaufen die Berliner Jacken, Jeans, T-Shirts und Pullover von Endnutzern auf – und verkaufen sie im eigenen Online-Shop mit dem Namen Ubup.com weiter.

Damit ist Momox Vorreiter in einem aktuellen Trend: Denn viele Nutzer gerade in Deutschland legen auch beim Online-Shopping zunehmend Wert auf Umweltschutz und Recycling. Statt Neuware verlegen sie sich daher in Richtung Second-Hand-Mode: „Als wesentliche Haupttreiber sehe ich übervolle Kleiderschränke – und das steigende Bewusstsein der Menschen in Richtung Nachhaltigkeit“, sagt der E-Commerce-Experte Jochen Krisch vom Online-Portal Exciting Commerce. „Zudem ist es online respektive mit dem Smartphone vergleichsweise einfach und bequem, die Kleidung wieder in den Kreislauf zu geben.“

Dass Momox hier den Zeitgeist trifft, zeigt auch eine repräsentative Studie des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag des Unternehmens von Anfang November: Demnach ist der Nachhaltigkeitsaspekt die wichtigste Motivation für den Kauf von gebrauchter Kleidung ist: Fast neun von zehn Befragten geben an, Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen, weil dies gut für die Umwelt ist (86 Prozent). Erst auf dem zweiten Rang folgt der Kostenaspekt: Vier von fünf Shoppern kaufen Second-Hand-Kleidung aufgrund der Preisersparnis im Vergleich zur Neuware (79 Prozent).

Wie lukrativ jener Markt geworden ist, zeigt sich auch an einem weiteren Umstand: Mittlerweile sind mit Zalando, AboutYou sowie H&M gleich mehrere Branchengrößen in das Geschäft eingestiegen und verkaufen Gebrauchtklamotten über ihre Online-Shops. „Der Markteinstieg bedeutet in erster Linie ein steigendes Bewusstsein für das Thema“, sagt der E-Commerce-Experte Krisch. „Für Second-Hand-Anbieter bietet dies zudem mehr Möglichkeiten, die ausgediente Kleidung loszuwerden.“

Keine Läden, die nach Mottenkugeln stinken

Momox-Chef Kroke ängstigt der Vorstoß der Konkurrenz laut eigenem Bekunden jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil: „Wenn auch große Player mit ihrer medialen Power das Geschäft mit Gebrauchtklamotten entdecken, können wir das als Marktführer nur gut finden“, sagt der Manager. „Denn ein nicht unbeträchtlicher Teil der Konsumenten hat Second-Hand-Mode noch gar nicht auf dem Radar. Viele denken bei Second Hand an Läden, die nach Mottenkugeln stinken – davon hat sich das Geschäft längst weiterentwickelt. Genau das beweist der Markteintritt der Rivalen.“

Kroke sieht sich unter anderem wegen seiner jahrelangen Erfahrungen im Gebrauchtgeschäft im Vorteil. „Die Herausforderungen im ReCommerce sind ganz andere als bei Neuware“, sagt der Momox-Chef. „Die Lieferanten der Ware sind zugleich auch Kunde – das ist was ganz anderes als die Zusammenarbeit mit einem Hersteller.“

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Daher setzt Momox vor allem auf eine ausgeklügelte Logistik, um in dem margenarmen Geschäft mit Gebrauchtklamotten dennoch Geld verdienen zu können. Besonders viel Arbeit haben die Momox-Entwickler in den Algorithmus gesteckt, der die Preise ermittelt, zu denen ein Kleid oder ein Pullover weiterverkauft wird. Er berücksichtigt, wie viele Exemplare davon im Lager liegen und wie sehr sich Kunden dafür interessieren; alle 30 Minuten passt der Algorithmus die Preise an.

Zudem unternimmt er jetzt einen weiteren Schritt, um die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Statt wie bisher unter dem vergleichsweise kryptischen Namen Ubup – die Abkürzung für „used but precious“, sprich gebraucht aber (noch) wertvoll – firmiert die Gebrauchtmodesparte von nun an unter Momox Fashion. Anfang Februar soll das Geschäft zudem mit eigenen TV-Spots beworben werden. „Viele Nichtkunden – und selbst Kunden - konnten mit dem alten Namen wenig anfangen“, sagt Kroke. „Mit der Umbenennung stellen wir unser Geschäft mit Gebrauchtkleidung noch einmal neu auf.“

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