Serdar Somuncu

Plötzlich kriminell?

Albtraum Identitätsdiebstahl: In Handschellen, weil ich einen Lkw voller Teddybären gekauft haben soll ...

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Quelle: Laif

Ich bin ein gewissenhafter Mensch. Ich räume meine Wohnung auf, ich schaue zweimal, ob ich die Herdplatte ausgeschaltet habe, und ich zahle pünktlich meine Rechnungen. Umso größer war die Überraschung, als ich vor einigen Wochen aus dem Urlaub kam und voller Entsetzen feststellen musste, dass sich in meinem Briefkasten etliche Mahnungen und Inkassobriefe stapelten. Bei näherem Hinsehen bemerkte ich, dass es sich dabei um zahlreiche Interneteinkäufe über Versandhäuser handelte, die ich niemals getätigt hatte. Klamotten, Schmuck und sogar Möbel im Wert von insgesamt mehr als 20.000 Euro. Plus der Mahn- und Inkassogebühren. Ein Albtraum!

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Jemand hatte offensichtlich in meinem Namen Waren bestellt, sich diese irgendwohin liefern lassen und war dann sang- und klanglos verschwunden. Was tun?

Ich habe zunächst versucht, Kontakt zu den zahlreichen Warenhäusern aufzunehmen. Aber man versauert mit seiner Geschichte entweder in Hotlines oder wird ungläubig abgewiesen. Auch die Polizei, bei der ich vorstellig wurde, um Anzeige zu erstatten, schien Besseres zu tun zu haben, als sich auf die Verfolgung meiner Quälgeister zu machen. Gelangweilt wurde ich zu den Akten gelegt – mit dem Hinweis, dass man sich darum kümmern werde. Zwischenzeitlich meldete sich meine Bank und fragte, was denn los sei, man habe über die Schufa Meldung bekommen, dass ich offensichtlich zahlungsunfähig sei. Plötzlich stand meine Existenz auf dem Spiel. Ich geriet in Panik.

Identitätsdiebstahl gehört zu den Wachstumszweigen in der Betrügerbranche. Der boomende Internethandel macht es Kriminellen leicht, an ihre Beute zu kommen. Dabei gibt es organisierte Banden, die die Ware nicht für sich bestellen, sondern weiterverkaufen. Die Methode ist denkbar einfach. Man besorgt sich den Namen und das Geburtsdatum eines Menschen, ruft bei einer Bestellhotline an und lässt sich die Ware an eine beliebige, meist fingierte Adresse liefern. Und das alles auf Rechnung.

Es bleibt ein Rätsel, wieso große Versandhäuser wie Amazon, Zalando oder Otto das zulassen, wo man doch sonst bei jeder Gelegenheit verifizieren muss, auch wirklich derjenige zu sein, der die Ware bestellt. Mittlerweile reagieren auch Kontrollsysteme wie die Schufa auf die Gesetzeslücke. Für eine geringe Gebühr konnte man sich bisher schon bei IdentSafe anmelden und jede Kaufbewegung verfolgen, die im eigenen Namen verursacht wurde. Gab es eine Unregelmäßigkeit, konnte man Widerspruch einlegen. Nun arbeitet die Schufa an einem Frühwarnsystem, das schon bei der Bestellung erkennt, dass etwas nicht stimmt. Dennoch bleibt der Ärger groß, denn der eigentliche Haken liegt bei den Versandhäusern. Würden die genauer darauf achten, wem sie was andrehen, hätte man der Masche schon längst den Riegel vorschieben können.

So aber bleibe ich der Ungewissheit ausgeliefert, eines Tages in Handschellen abgeführt zu werden, weil eine kriminelle Bande in meinem Namen eine Lkw-Ladung voller Teddybären auf Rechnung bestellt hat.

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