Serie: Künstliche Intelligenz Aufbruch in die Robo-Zukunft

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Ein neuer Produktionsfaktor

Die Ökonomen stützen ihren Optimismus auf Einsichten aus der Geschichte. Als in der industriellen Revolution etwa der Webstuhl automatisiert wurde, rebellierten die Weber. Doch die Automatisierung führte dazu, dass die Arbeiter andere Tätigkeiten übernahmen, zum Beispiel die Steuerung der Webmaschinen. Die Produktion stieg massiv an, es wurden mehr und neue Produkte aus den industriell gewebten Stoffen hergestellt. Zwischen 1830 und 1900 vervierfachte sich so die Zahl der Arbeitskräfte in dem Gewerbe allein in den USA.

Bei Industriemechaniker Heidemann scheint sich Geschichte schon zu wiederholen: Seit 40 Jahren ist er in seinem Beruf tätig. Dass ausgerechnet die Roboter seine Lieblingskollegen würden, das hätte er im Traum nicht gedacht. Statt wie früher die ewig gleichen Handgriffe zu erledigen, helfen die Maschinen ihm aber nun dabei, ganze Antriebe alleine zu montieren. Das erleichtere nicht nur die Arbeit, „das ist viel befriedigender“, sagt Heidemann.

Mehr Jobs, Wirtschaftswachstum, besseres Leben – ausgerechnet Technologievordenker wie Elon Musk, der Tesla-Chef, glauben nicht uneingeschränkt an das Heilsversprechen. Musk warnt sogar, KI habe das Potenzial, die Menschheit auszulöschen. Und als sich neulich auf Europas größter Techmesse, dem Web Summit, über 50.000 ihrer Vertreter in Lissabon trafen, ergab eine Umfrage unter Topwagnisinvestoren: Die Mehrheit geht davon aus, dass „KI unweigerlich Millionen Jobs vernichten wird“.

Wahrscheinlichkeit, dass Menschen innerhalb von 20 Jahren ganz oder teilweise durch Maschinen ersetzt werden

Hans-Christian Boos, Chef des Frankfurter KI-Spezialisten Arago, sieht diese Entwicklung ziemlich schnell auf uns zurollen. In spätestens fünf Jahren werde schlaue Software jeden Prozess in einem Unternehmen steuern, der sich automatisieren lässt, sagt der KI-Pionier voraus.

Ob in Banken, Versicherungen, Anwaltsbüros: Zehntausende Sachbearbeiter, Buchhalter und Sekretärinnen seien betroffen. Boos findet, das sei eine begrüßenswerte Entwicklung. Denn die Beschäftigten könnten sich dann endlich dem widmen, worin sie immer noch weit stärker seien als die Maschinen: der Kreativität.

Kreative Computer

Nur welche kreative Arbeit könnten die Roboter uns übrig lassen? Auch die Forscher der Stanford-Studie haben darauf keine Antwort. Sie fordern eine Debatte, wie die Pfründe gerecht verteilt werden könnten. Und Techgrößen wie Musk wollen ein Grundeinkommen, um Menschen gegen die Umwälzungen zu „versichern“.

Zwischen Optimismus und Pessimismus bleibt so eine Erkenntnis: Am Ende wird es auf jeden Staat, jede Gesellschaft und jedes Unternehmen selbst ankommen, in welche Richtung sie die explosive Kraft der KI bündeln. Und sicher ist: Mehr denn je werden sie in Bildung und Fortbildung investieren, jeder Einzelne Lernen als lebenslange Aufgabe begreifen müssen. Für SEW-Mechaniker Heidemann in seiner Karlsruher Werkshalle kommt der Wandel zur rechten Zeit. Seit die Roboter ihm die körperlich schwere Arbeit abnehmen, ist er zuversichtlich, die Zeit bis zur Rente bestens zu überstehen.

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Im nächsten Teil: Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang machte als einer der Ersten ein Milliardengeschäft mit KI.

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