Ein Computer gewinnt beim Poker gegen den menschlichen Gegner. Immer. Das ist keine Zukunftsvision, sondern Wirklichkeit. Und er gewinnt nicht wegen der besseren Software - sondern einem Mehr an Daten. Das ließ ihn in einer aktuellen Studie im Fachmagazin "Science" mehr über Poker lernen als jeder menschliche Spieler es je könnte.
Und wieder wurde eine scheinbar zutiefst menschliche Fähigkeit von Maschinen übernommen. Nach Schach. Bilder erkennen. Sprachen übersetzen. Auto fahren.
Das funktioniert, weil die Maschinen aus den Daten lernen. Sehr schnell. Im Rechnen sind wir Menschen schon lange nicht mehr konkurrenzfähig. Zu recht, denn das war ohnehin eine Einbahnstraße! Die Evolution hat uns nicht für den raschen Umgang mit Zahlen optimiert.
Über den Autor (Mayer-Schönberger)
Viktor Mayer-Schönberger ist Jurist und beschäftigt sich am Oxford Internet Institute unter anderem mit gesellschaftlichen Auswirkungen massenhafter Datenanalysen.
Die Maschinen holen uns aber auch ein, weil ihre Vorhersagen besser werden. Und das liegt an der Welt, vor allem auch an uns. Denn wer wissen will, was morgen passiert, der extrapoliert am Besten aus dem Heute.
Das ist keineswegs perfekt, aber es ist ein ziemlich guter Anfang. Wir Menschen machen das ständig: Wenn wir gestern an einer eisigen Stelle mit dem Auto ins Rutschen kamen, werden wir dort heute besonders vorsichtig sein.
Vorhersehbares Verhalten
Unser Verhalten ist daher oft vorhersehbarer als wir glauben. Weil wir Gewohnheitstiere sind; und weil wir intuitiv gerne meinen, die Zukunft sei wie die Gegenwart (oder die Vergangenheit), nur eben mehr davon.
Deshalb können Maschinen Text in fremde Sprachen übersetzen. Sie haben aus Milliarden an Sätzen mathematisch ermittelt, wie häufig ein bestimmtes Wort in einer Sprache in ein bestimmtes Wort einer anderen Sprache übersetzt wurde. Und dieses Wissen wenden sie an neue Texte an. Das geht manchmal schrecklich schief, aber oft trifft es ins Schwarze oder ist jedenfalls gut genug, um den Sinn zu verstehen.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Deshalb können Maschinen lediglich aus Internet-Suchanfragen vorhersagen, wie verbreitet die Grippe ist, und welche Medikamente gemeinsam genommen wahrscheinlich eine bislang unbekannte Nebenwirkung haben. Rolls-Royce sagt vorher, welche Teile eines Flugzeugtriebwerks brechen, noch bevor diese tatsächlich kaputt gehen (und kann die Teile vor dem Defekt tauschen). Und die Maschinen des Startup-Unternehmen PriceStats prophezeien die Inflationsrate anhand der Veränderungen der Preise bei Anbietern wie Amazon.
Bessere Prognosen
Auch wenn die so von Maschinen gemachten Vorhersagen nicht immer stimmen, sind sie in vielen Bereichen besser als alles Bisherige. Das ist nicht das Problem. Das sind viel mehr und häufiger wir selbst. Oder genauer gesagt: Das Problem ist, wie wir Menschen auf diese Fähigkeiten der Maschinen reagieren.
Serie "Wirtschaftswelten 2025"
Nichts wird bleiben, wie es ist. Das Internet verändert unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, das ganze Leben. Datenanalyse ersetzt Bauchgefühl (Big Data), Brillen sprechen mit Autos (Internet der Dinge). Unternehmen müssen sich neu erfinden, Märkte bilden sich neu (informationsökonomische Revolution). Was bedeutet das für Arbeit, Mobilität, Geld, medizinische Versorgung? Und was wird aus uns? In der Kurztextgalerie finden Sie alle im Rahmen der Serie erschienenen Artikel.
Lange waren denkende Computer nur Science-Fiction. Nun aber beantworten die smarten Maschinen schon E-Mails, planen unseren Urlaub und arbeiten als Dolmetscher. Bald sind sie klüger als wir - und können jeden Job übernehmen. Hier geht es zum Artikel.
Viele Menschen fürchten, im Zuge der Digitalisierung von Maschinen ersetzt zu werden. Doch diese Angst trübt den Blick für die Vorteile neuer Technologien, schreibt
Maschinen lernen aus Daten, und zwar sehr schnell. Wie gut, dass wir ihnen etwas Entscheidendes voraushaben, meint Viktor Mayer-Schönberger.
Intelligente Roboter-Autos chauffieren uns schon in wenigen Jahren durch die Städte – und machen dabei auch den eigenen Wagen überflüssig, meint WirtschaftsWoche-Redakteur Jürgen Rees.
Künstliche Intelligenz zu verbieten, ist sinnlos. Doch wenn sie nicht eingeschränkt wird, wird sie uns nicht nur gewaltige Vorteile bringen - sondern auch gewaltige Nachteile, schreibt Gary Marcus.
Intelligente Maschinen werden die Arbeitswelt verändern. Es könnte zu Revolten kommen. Aber nicht durch die Maschinen - sondern durch jene Menschen, die von den Maschinen ersetzt wurden, warnt Patrick Ehlen.
Wir werden auch in Zukunft die Kontrolle über Maschinen behalten – falls wir uns klug und menschlich verhalten. Das ist möglich. Aber keinesfalls sicher, schreibt David Gelernter.
Ist das Ende 40.000-jähriger, durch den Homo sapiens sapiens dominierter Geschichte in Sicht? Selbstlernende künstliche neuronale Netze erledigen manche Aufgabe schon heute besser als Menschen.
Wichtige ethische Fragen sind bislang nicht nur unbeantwortet. Sie sind nicht einmal gestellt, mahnt Bernhard Rohleder.
Die Maschinen nähern sich einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Als speicherprogrammierte Rechner die ersten Befehle ausführen konnten, begannen die Maschinen die Kontrolle zu übernehmen, schreibt George Dyson.
Roboter könnten uns eines Tages als Arbeitskollegen oder Gefährten unterstützen, glaubt der Wissenschaftler Guy Hoffman. Aber wie viel Kontrolle wollen wir den Maschinen überlassen?
Globale Vernetzung und immer billigere Waffen machen Kriege erschwinglich für alle. Wie sich Kriegsführung und -abwehr verändern, beschreibt das fiktive Protokoll einer Attacke aus dem Jahr 2025.
Maschinen entscheiden, Werkstücke erteilen Befehle: Die digitale Fabrik verspricht die Annäherung an das Extrem einer Produktion ohne den Menschen. Die deutschen Unternehmen müssen aufpassen, dass die USA nicht vor ihnen in der Zukunft ankommen. Lesen Sie hier wie es um die Industrie 4.0 in Deutschland steht.
Wir nehmen die Vorhersagen der Maschinen und glauben, darin oft Ursachen zu erkennen, obwohl die Vorhersagen bloß scheinbare Zusammenhänge in den Daten aufzeigen. Dann vertrauen wir der Vorhersage der Maschine über zukünftiges Verhalten, wie heute schon in 30 amerikanischen Bundesstaaten, um zu entscheiden ob jemand auf Bewährung frei kommt.
Dann bekommen Einserschüler einen Rabatt auf die Autohaftpflicht, weil sie laut Vorhersage in weniger Unfälle verwickelt sind. Da ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Vision im Spielfilm „Minority Report“, in dem Menschen ins Gefängnis kommen, weil vorhergesagt wurde, dass sie ein Verbrechen begehen.
Interview mit einem Roboter
Bedürfnis nach Sicherheit
Diese Vorhersage der Zukunft mag unser gesellschaftliches Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen, aber sie nimmt uns auch die Freiheit, über unsere Zukunft selbst zu entscheiden. Ist uns diese Freiheit kein Stück Risiko wert?
Und: In allen diesen Fällen haben wir den Vorhersagen der Maschinen mehr Bedeutung zugeschrieben als ihnen tatsächlich zukommt. Als Menschen sind wir gefährdet, die Grenzen der Vorhersage zu verkennen und uns damit den Maschinen auszuliefern. Hier müssen wir gegensteuern, ja manches vielleicht bewusst nicht vorhersagen wollen.
Dabei haben gerade wir Menschen den Maschinen etwas Entscheidendes voraus. Wir sind kreativ und originell und voller Fantasien. Wir können die Zukunft, wenn wir uns bemühen, auch ganz anders denken als die Gegenwart - und zwar so, wie es keine Maschine vorhersagen kann.
Das ist unsere wahre Stärke. Das macht uns einzigartig - und das ist gut so.