Serie Wirtschaftswelten 2025 Die Maschinen holen uns ein

Maschinen lernen aus Daten - und zwar sehr schnell. Wie gut, dass wir ihnen etwas Entscheidendes voraushaben.

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Künstliche Intelligenz Quelle: Fotolia

Ein Computer gewinnt beim Poker gegen den menschlichen Gegner. Immer. Das ist keine Zukunftsvision, sondern Wirklichkeit. Und er gewinnt nicht wegen der besseren Software - sondern einem Mehr an Daten. Das ließ ihn in einer aktuellen Studie im Fachmagazin "Science" mehr über Poker lernen als jeder menschliche Spieler es je könnte.

Und wieder wurde eine scheinbar zutiefst menschliche Fähigkeit von Maschinen übernommen. Nach Schach. Bilder erkennen. Sprachen übersetzen. Auto fahren.

Das funktioniert, weil die Maschinen aus den Daten lernen. Sehr schnell. Im Rechnen sind wir Menschen schon lange nicht mehr konkurrenzfähig. Zu recht, denn das war ohnehin eine Einbahnstraße! Die Evolution hat uns nicht für den raschen Umgang mit Zahlen optimiert.

Über den Autor (Mayer-Schönberger)

Die Maschinen holen uns aber auch ein, weil ihre Vorhersagen besser werden. Und das liegt an der Welt, vor allem auch an uns. Denn wer wissen will, was morgen passiert, der extrapoliert am Besten aus dem Heute.

Das ist keineswegs perfekt, aber es ist ein ziemlich guter Anfang. Wir Menschen machen das ständig: Wenn wir gestern an einer eisigen Stelle mit dem Auto ins Rutschen kamen, werden wir dort heute besonders vorsichtig sein.

Vorhersehbares Verhalten

Unser Verhalten ist daher oft vorhersehbarer als wir glauben. Weil wir Gewohnheitstiere sind; und weil wir intuitiv gerne meinen, die Zukunft sei wie die Gegenwart (oder die Vergangenheit), nur eben mehr davon.

Deshalb können Maschinen Text in fremde Sprachen übersetzen. Sie haben aus Milliarden an Sätzen mathematisch ermittelt, wie häufig ein bestimmtes Wort in einer Sprache in ein bestimmtes Wort einer anderen Sprache übersetzt wurde. Und dieses Wissen wenden sie an neue Texte an. Das geht manchmal schrecklich schief, aber oft trifft es ins Schwarze oder ist jedenfalls gut genug, um den Sinn zu verstehen.

Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz

Deshalb können Maschinen lediglich aus Internet-Suchanfragen vorhersagen, wie verbreitet die Grippe ist, und welche Medikamente gemeinsam genommen wahrscheinlich eine bislang unbekannte Nebenwirkung haben. Rolls-Royce sagt vorher, welche Teile eines Flugzeugtriebwerks brechen, noch bevor diese tatsächlich kaputt gehen (und kann die Teile vor dem Defekt tauschen). Und die Maschinen des Startup-Unternehmen PriceStats prophezeien die Inflationsrate anhand der Veränderungen der Preise bei Anbietern wie Amazon.

Bessere Prognosen

Auch wenn die so von Maschinen gemachten Vorhersagen nicht immer stimmen, sind sie in vielen Bereichen besser als alles Bisherige. Das ist nicht das Problem. Das sind viel mehr und häufiger wir selbst. Oder genauer gesagt: Das Problem ist, wie wir Menschen auf diese Fähigkeiten der Maschinen reagieren.

Serie "Wirtschaftswelten 2025"

Wir nehmen die Vorhersagen der Maschinen und glauben, darin oft Ursachen zu erkennen, obwohl die Vorhersagen bloß scheinbare Zusammenhänge in den Daten aufzeigen. Dann vertrauen wir der Vorhersage der Maschine über zukünftiges Verhalten, wie heute schon in 30 amerikanischen Bundesstaaten, um zu entscheiden ob jemand auf Bewährung frei kommt.

Dann bekommen Einserschüler einen Rabatt auf die Autohaftpflicht, weil sie laut Vorhersage in weniger Unfälle verwickelt sind. Da ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Vision im Spielfilm „Minority Report“, in dem Menschen ins Gefängnis kommen, weil vorhergesagt wurde, dass sie ein Verbrechen begehen.

Interview mit einem Roboter

Bedürfnis nach Sicherheit

Diese Vorhersage der Zukunft mag unser gesellschaftliches Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen, aber sie nimmt uns auch die Freiheit, über unsere Zukunft selbst zu entscheiden. Ist uns diese Freiheit kein Stück Risiko wert?

Und: In allen diesen Fällen haben wir den Vorhersagen der Maschinen mehr Bedeutung zugeschrieben als ihnen tatsächlich zukommt. Als Menschen sind wir gefährdet, die Grenzen der Vorhersage zu verkennen und uns damit den Maschinen auszuliefern. Hier müssen wir gegensteuern, ja manches vielleicht bewusst nicht vorhersagen wollen.

Dabei haben gerade wir Menschen den Maschinen etwas Entscheidendes voraus. Wir sind kreativ und originell und voller Fantasien. Wir können die Zukunft, wenn wir uns bemühen, auch ganz anders denken als die Gegenwart - und zwar so, wie es keine Maschine vorhersagen kann.

Das ist unsere wahre Stärke. Das macht uns einzigartig - und das ist gut so.

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