
Die Frage, warum Google so heiß auf den kleinen tschechischen Online-Markt ist, beantwortet Pavel Zima scherzhaft: „Sie wollen die Weltkarte in ihrem Hauptquartier komplettieren.“ Eine ernsthafte Erklärung hat er nicht. Offenbar gehört Tiefstapeln zu Zimas Geschäft.
Er ist seit 2006 Geschäftsführer der Suchmaschine Seznam. Wie das US-Vorbild, so hat auch Zima über die Jahre ein ganzes Imperium um seine Suchmaschine herum aufgebaut: Ein eigener Streaming-Dienst mit selbstproduziertem Inhalt, ein E-Mail-Dienst, ein Karten-Dienst, Gelbe Seiten und eigene Nachrichtenseiten gehören zu dem 1996 gegründeten Konzern.
Seznams Dienste
Mapy.cz ist der meistgenutzte Kartendienst Tschechiens. Er bietet vor allem Informationen für Touristen, aber auch Fotoansichten und detaillierte Informationen zu den Wanderwegen Tschechiens. Täglich nutzen mehr als 200.000 Tschechen Mapy.cz und planen über 250.000 Routen. Der Dienst ist sowohl online abrufbar als auch als App. Dann funktioniert er sogar offline.
Über viele Jahre lang war Novinky.cz die meistfrequentierte Nachrichtenseite Tschechiens. 1,2 Millionen Visits verzeichnet die Seite täglich – damit ruft sie jeder fünfte Tscheche, der online ist, auf.
Mit Firmy.cz bietet Seznam einen Service, der eine Volltext-Suche mit verschiedenen Kategorien und Regionen kombiniert, sodass Nutzer in der Lage sind, Unternehmen in ganz Tschechien zu suchen. Der Katalog enthält über 600.000 Unternehmen, die dort gelistet sind. Über zwei Millionen Tschechen besuchen die Seite monatlich.
Um tschechische Online-Shops nach Angeboten zu durchforsten, hat Seznam Zbozí entwickelt. Mit der Suchmaschine kann man Preise vergleichen, Shops in der Nähe absuchen und herausfinden, ob das gewünschte Produkt noch auf Lager ist. Zudem gibt es Informationen über Bezahlungsweise und Lieferung bei den verschiedenen Anbietern.
Stream.cz ist Seznams Online-Fernsehsender. Jede Woche produziert Seznam für den Sender 40 eigene Shows. Begonnen hatte Stream.cz als eine Art tschechisches Youtube – als das nicht erfolgreich war, hat sich Seznam von dem von Nutzern generierten Content verabschiedet und auf eigene Produktionen gesetzt.
Skilk.cz ist ein Werbesystem – vergleichbar mit Google Adsense. Die Werbung wird bei den Ergebnissen der Suchmaschine Seznam.cz angezeigt – sowie auf den Partnerseiten Seznams. Die Werbenden zahlen pro Klick auf die Werbung.
Seznams Email-Service ist der meist genutzt kostenlose Email-Service Tschechiens. Nach eigenen Angaben gibt es acht Millionen aktive Email-Konten. 1,5 Millionen Tschechen besuchen die Seite täglich und versenden rund fünf Millionen Mails täglich.
Sreality ist ein Online-Marktplatz zum Kaufen, Verkaufen und Vermieten von Immobilien aller Art. Die Datenbank vereint die Angebote tschechischer Makler mit denen von Privatanbietern. Auf der Seite finden sich detaillierte Beschreibungen der Objekte inklusive Fotos, Videos und Karten. Den Service nutzen täglich 76.000 Tschechen.
Damit ist Seznam das fast Undenkbare gelungen: Die tschechische Firma kann dem milliardenschweren Google-Konzern seit eineinhalb Jahrzehnten auf dem tschechischen Markt Paroli bieten.
Laut eigener Aussage laufen 55 Prozent aller Suchanfragen über Seznams Suchmaschine, 90 Prozent der Tschechen nutzten mindestens einmal im Monat einen der Dienste. Damit sei er verantwortlich für 60 Prozent aller Visits im tschechischen Netz.
Das macht Seznam zu einer Ausnahme. Weltweit hat Google ansonsten nur in Russland (Yandex), Japan (Yahoo) und China (Baidu) nicht die Mehrheit auf dem Suchmaschinenmarkt. Wie konnte Zima das gelingen?
Erfolgsfaktor 1: Den Markt früh besetzen
Gegründet wurde Seznam von Ivo Lukačovič. Während der Google-Vorgänger BackRub 1996 online ging, tippte der damalige Student händisch die Webseiten aus dem tschechischen Internet in eine nach Themen geordnete Liste. Dann verknüpfte er sie mit Keywords, sodass Internet-Nutzer diese Webseiten suchen konnten. Daher auch der Name. Seznam heißt zu Deutsch: Liste.
Damit stieß Lukačovič das Tor zum tschechischen Internet auf. Mit Seznam.cz erreichte er im ersten Jahr 10.000 Nutzer täglich. Um sein Projekt zu finanzieren, schaltete er Bannerwerbung. Als Lukačovičs Freund Pavel Zima 1998 zum Team stieß, ging Google gerade online – und strebte gleich den Weltmarkt an. Zu diesem Zeitpunkt war das Seznam-Team fünf Mann stark, erreichte täglich 100.000 Nutzer und hatte eine klare Zielsetzung: Das tschechische Internet in all seinen Facetten zu durchdringen.
Für die Tschechen war Seznam zu diesem Zeitpunkt schon zum Synonym für das Internet geworden und zu einem geflügelten Wort: „Seznamen“ sagt der Tscheche - statt „googlen“.
„Der frühe Markteintritt ist nur ein Erfolgsfaktor“, sagt Jan Simkanič, Buchautor, Geschäftsführer des tschechischen Branchendiensts InternetInfo und Kenner des dortigen Online-Markts. „60 Prozent aller tschechischen Haushalte nutzen noch heute Seznam.cz als ihre Startseite.“
Hier dominiert Google nicht den Suchmaschinenmarkt
Auf dem chinesischen Markt hat Google nicht fußgefasst. Mit einem Anteil von 0,37 Prozent steht es sogar hinter Bing zurück. Marktführer in China ist Baidu mit 56 Prozent des Markts, gefolgt von Qihoo 360, die 29 Prozent halten.
Auch in Südkorea hat Google einen schlechten Stand. Nicht einmal zwei Prozent der Marktanteile kann Google auf sich vereinigen. Naver dominiert mit 77 Prozent der Anteile den Markt. Navers stärkster Konkurrent ist die lokale Suchmaschine Daum, die 18,8 Prozent inne hat.
In Russland muss Google sich aktuell mit rund 30 Prozent des Markts zufrieden geben. Marktführer ist die russische Suchmaschine Yandex, die 60 Prozent der Marktanteile auf sich vereinnahmt. Dritt stärkste Macht in Russland ist Mail.ru, die sieben Prozent der Marktanteile haben.
Da Google für den tschechischen Markt keine Zahlen veröffentlicht, ist nicht klar, wer Marktführer ist. Fest steht, dass die tschechische Suchmaschine Seznam bis 2010 den tschechischen Markt dominierte. Google hatte damals nur 20 Prozent der Marktanteile inne. Seznam beansprucht die Marktführerschaft bis heute. Branchenkenner schätzen Seznams Anteile zwischen 40 und 60 Prozent – Googles ebenfalls.
Dass das so bleibt, versuchen mittlerweile 1000 Mitarbeiter zu gewährleisten. Seznam ist trotz der Anstrengungen profitabel: Das Unternehmen setzte 2013 über 100 Millionen Euro um – ein Drittel davon war reiner Gewinn. Für Google sind solche Summen zwar Kinkerlitzchen, für europäische Verhältnisse aber ziemlich beeindruckend.
All das erreichte Seznam nicht nur, weil es früher auf dem Markt war. Vor Google gab es viele andere. Sie scheiterten und verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Altavista beispielsweise ging schon 1995 online – und war gegenüber Google trotzdem chancenlos. Auch Fireball ist heute kaum noch jemandem ein Begriff. Auf dem Online-Markt gibt es keinen Artenschutz.
„Altavista versuchte, mit Google auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Das ist schwierig“, sagt Zima. „Wir kämpfen lieber auf dem lokalen Markt und bieten Features, die Google nicht bieten kann.“