Bis 1989 herrschte in Tschechien die Kommunistische Partei. „Damals waren die Märkte vollkommen abgeschottet“, sagt Simkanič. Die Zeit des Sozialismus hat sich tief in die DNA des tschechischen Internet-Markts eingebrannt. Das zeigt sich am Nutzerverhalten: „Die meisten Tschechen nutzen keine Online-Dienste aus Amerika oder Deutschland.“
Stattdessen vertrauen sie auf die heimischen Angebote. Davon profitieren tschechische Unternehmen, die den Markt und seine Bedürfnisse kennen. „Der Schlüssel ist es, lokal zu wirtschaften und nicht auf den globalen Markt abzuzielen“, so Simkanič.
Ein Prinzip, das Seznam wie kaum ein anderes Unternehmen verkörpert. Ein Beispiel dafür ist Seznams Kartendienst Mapy.cz. Google kaufte teure, hochauflösende Satellitenbilder von Tschechien, um seinen Dienst Google Earth aufzupeppeln und zeigt bei Streetview selbst Straßenansichten von kleinsten Dörfern an – ein finanzieller Aufwand, bei dem Seznam nicht mithalten will.
Trotzdem ist Simkanič sicher: „Den besten Karten-Service in Tschechien bietet Seznam.“ Mapy.cz ist zudem der meistgenutzte Kartendienst Tschechiens – einer Online-Umfrage des tschechischen IT-Magazin Zive zufolge nutzen 58 Prozent der Tschechen den Kartendienst – und das obwohl Google die überzeugendere Optik hat.
Dafür bieten Zima und seine Kollegen etwas, was Google nicht hat: „Wir wissen, dass die Tschechen gerne wandern und Rad fahren“, erklärt Zima. In Tschechien gibt es hunderte Kilometer gekennzeichneter Wanderwege. „Auf diese Vorliebe haben wir unseren Kartendienst zugeschnitten.“
Öffnet der Nutzer Mapy.cz, sieht er rot markiert die Wanderwege. Zoomt er heran, werden Höhenlinien sichtbar, aber auch Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Raststätten und Lokalen. Sind sie in Seznams Branchendienst Firmy.cz verzeichnet, kann der Nutzer gleich sämtliche wichtigen Informationen zu den Lokalen abrufen.
Das wichtigste für die Tschechen ist aber die kartographische Darstellung, die der traditionellen Form nachempfunden ist; sie ziert seit Jahrzehnten die heimischen Straßenkarten. Die Tschechen sind versiert darin, topografische Karten zu lesen und haben deswegen auch besondere Ansprüche an eine Karte: Sie erwarten höchste Präzision und Liebe zum Detail. In anderen Ländern ist das nicht so gefragt, weswegen der Aufwand für Google, hier nachzuziehen, zu groß wäre.
Um all das anbieten zu können, hat Seznam einen Wanderkarten-Verlag gekauft und dessen Daten in Mapy.cz eingespeist. Da das mobile Internet in den bergigen Regionen schwach ist, würde dieser Service nichts nützen, wenn er nur online verfügbar wäre. „Deswegen haben wir die gesamten Daten auf eine Smartphone-App gespielt, sodass man sie überall abrufen kann – auch offline“, erklärt Zima. Mit Google Maps dagegen kann man nur lokale Ausschnitte abspeichern und offline nutzen.
Die Mapy-App ist kostenlos. „Mapy ist wie unser E-Mail-Service ein Beispiel für Dienste, die uns eine Menge Geld kosten, aber finanziell nichts einbringen“, sagt Zima. Dafür stärkten sie die Marke und lenkten Aufmerksamkeit auf die Services mit denen Seznam Geld verdient.