Die Münchner Tanzbar Paradiso war in schummriges Rotlicht getaucht, die Wände mit goldenen Masken drapiert, und auf der Bühne rekelte sich eine Burlesquetänzerin zum James-Bond-Song „Goldfinger“. Mit der erotischen Folklore-Show startete die Singlebörse Friendscout24, eine Tochter der Deutschen Telekom, vor wenigen Monaten ihren neuen Online-Ableger Secret.
„Prickelnde Abenteuer“ und „Spaß mit Gleichgesinnten“ verheißt die Seite. Kurz: Der Online-Dienst will Sextreffs und Affären zwischen seinen Mitgliedern vermitteln. Ein paar Häkchen bei den sexuellen Wünschen, ein paar Euro für die Kontaktanbahnung, und schon startet „die lustvolle Entdeckungsreise“, so das Versprechen.
Für Diskretion, Datenschutz und Sicherheit bürgt letztlich auch der Friendscout-Eigentümer Deutsche Telekom. Ausgerechnet ein braver Dax-Konzern mit dem Bund als Großaktionär verdient am Bunga-Bunga-Business? Vor wenigen Jahren hätte die frivole Unternehmung noch einen Skandal ausgelöst.
Heute bleibt die Entrüstung aus. Stattdessen feiert Friendscout-Chefin Martina Bruder ihren „Einstieg in einen echten Wachstumsmarkt“ und empfiehlt ihr Unternehmen als „Full-Service-Anbieter“ für alle Liebeslagen.
Harter Wettbewerb
Tatsächlich ist das Segment, das im Branchenjargon unter der sittsamen Vokabel Casual Dating firmiert, noch vergleichsweise klein. Nur ein Bruchteil der 190 Millionen Euro Umsatz, den die deutsche Datingindustrie 2010 insgesamt eingespielt hat, entfiel auf Sexvermittler à la Secret.
Dennoch vermag das Gewerbe die Fantasie von Investoren wie Nutzern zu beflügeln. Noel Biderman, Chef der weltweit größten Online-Seitensprungagentur Ashley Madison, wähnt bereits die Chance, seinen Fremdgehclub als „eines der am schnellsten wachsenden sozialen Netzwerke auf dem ganzen Planeten zu etablieren“.
Beseelt vom Glauben an den Erfolg der Mission – und ausgestattet mit reichlich Selbstbewusstsein –, will der Kanadier nun auch in Deutschland durchstarten. Doch Biderman und Friendscout-Chefin Bruder müssen sich auf harten Wettbewerb einstellen. Rivalen wie Joy-Club, Prime-Date, First Affair oder C-Date tummeln sich bereits in der Branche.
Digitale Kontakthöfe | ||||
Die wichtigsten Internet-Portale für die Partner- und Abenteuersuche | ||||
Preis für drei Monate in Euro bei Nutzung aller Funktionen | Eigentümer | Zielgruppe | Bewertung Stiftung Warentest | |
Partnerbösen | ||||
Parship | 180,00 | Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck | Singles mit gehobenem Niveau, ab Ende 20 | 2,2 |
be2 | 150,00 | Investorenkreis um Internet-Unternehmer Robert Wuttke | Singles ab 25, die eine feste Beziehung suchen | 3,0 |
Elitepartner | 180,00 | Tomorrow-Focus (Burda-Verlag) | Akademiker für lange Partnerschaft | 3,1 |
eDarling | 150,00 | Eharmony, Samwer-Brüder, Holtzbrinck-Ventures | weniger elitär, Durchschnittsalter Ende 30 | 3,3 |
partner.de | 74,50 | Meetic | Singles aus ganz Europa, durchschnittlich Anfang 40 | 3,4 |
partnersuche.de | 179,00 | Unister | Singles, die eine ernsthafte Beziehung suchen | 3,4 |
Zwei übergreifende Trends sind für den Zeitenwandel in der Datingindustrie verantwortlich:
Breites Sortiment
Neue Freizügigkeit: Die Wahrnehmung von Sex in der Gesellschaft hat sich verändert. Sex werde zunehmend als „eine Art Freizeitbeschäftigung“ mit Wellness-Charakter
gesehen, konstatiert der Soziologe Jean-Claude Kaufmann von der Pariser Sorbonne-Universität.
Jenseits aller Tugendtümelei wirft die Entwicklung grundsätzliche Fragen zu Moralvorstellungen und dem Wesen von Beziehungen auf. Für einen Teil der Bevölkerung war und ist die Suche nach losen Kontakten oder Affären schon immer Normalität.
Neu ist: Die offene Akzeptanz dafür hat zugenommen – und das nicht mehr nur bei Männern. Das Selbstbewusstsein von Frauen in Sachen Sex wächst
Wirtschaftlicher Druck: Die Goldgräberzeiten sind für das Gros der traditionellen Online-Kuppler vorbei, die Suche nach Alternativen und Ergänzungen zum lahmenden Kerngeschäft beginnt. Denn während die Umsätze vieler Datingdienste in der Vergangenheit allein schon deshalb zulegten, weil die Zahl der Internet-Nutzer stieg und die Partnersuche via Netz gesellschaftsfähig wurde, ist das Marktwachstum in Deutschland inzwischen deutlich abgeflaut.
Der Werbedruck steigt, zugleich sind Einstiegsbarrieren für neue Anbieter gering. Web-Spezialisten bieten Seitenbetreibern bereits Fertigbausätze für den Start eigener Nischenplattformen an – inklusive einer Grundausstattung an Mitgliederprofilen. Und so tummeln sich neben den Schwergewichten Parship, eDarling und Elitepartner zig Singlefundgruben im Netz.
Laut dem Branchendienst Single-Börsenvergleich widmen sich allein in Deutschland mittlerweile mehr als 2500 Online-Anbieter dem Partnerglück – vom bildungsnahen Schichtvermittler AcademicPartner bis zu Zuckerjungs.de, wo reife Frauen nach jungen Lovern fahnden.
Es gibt eigene Singlebörsen für liebestolle Bauern und Trucker, einsame Golfer und Doktoren. Heiratswillige Christen bandeln bei Himmlisch-Plaudern.de an, alleinstehende Satanisten bei Schwarzesglueck.de.
Es gibt nicht nur efolgreiche Partnerbörsen
Angesichts der Masse an Portalen startete eine Parship-Tochter Ende August bereits eine eigene Meta-Suchmaschine für die Rasterfahndung nach dem Glück. Über solista.com sollen Bindungswillige nun parallel bei verschiedenen Anbietern suchen – wobei sich die Auswahl regelmäßig ändert.
So erlag die blutgruppenbasierte Partnersuche mit dem klangvollen Namen Rosso Di Amore jüngst der Mitglieder-Anämie. Auch Reiterflirt, eine Plattform für Pferdefreunde, wurde vom Betreiber wieder abgehalftert. Zu überschaubar scheinen die Nutzerzahlen, als dass sich mit dem Gros der Nischenplattformen auf Dauer Geld verdienen ließe. In der Summe machen sie den Branchengrößen aber dennoch zu schaffen.
Dabei schien der Markt keine Grenzen zu kennen, als am Valentinstag 2001 mit Parship eine der ersten Online-Partnerbörsen Europas startete und ein jahrhundertealtes Gewerbe umkrempelte.
Am 29. September 1650 erschien in London die vermutlich erste Kontaktanzeige. Sir John Dimly, Lord of Manor of Charleton and Henry Castle, wünschte „einen Vertrag der Ehe mit einer jungen Frau zu schließen“, egal, „ob sie Jungfrau oder Witwe ist“. Sein Interesse galt vielmehr den pekuniären Aspekten der Liaison: „Die Frau muss ein eigenes Vermögen von 300 Guineas besitzen“, ließ Dimly wissen. Ob der Lord erfolgreich war, ist nicht überliefert. Die Kontaktanzeige als Instrument der Partnersuche begann jedoch ihren Siegeszug.
Psychologische Partnersuche
Erst das Internet änderte die Spielregeln. Statt Selbstbelobigungen von Paarungswilligen zu veröffentlichen, unterbreiten Parship & Co. ihren Nutzern psychotestbasierte Vorschläge. Bei der Anmeldung klicken sich die Singles durch einen Fragekatalog, nennen Hobbys und Musikgeschmack, bewerten, welche Rolle Kinderwunsch oder Treue für sie spielen. Anschließend scannt der Computer die Datenbank nach Mr. oder Mrs. Right.
Anoymität - Segen und Fluch
Das Matching getaufte Ritual soll dabei helfen, den passenden Partner aus der Menge zu filtern – und die teils üppigen Gebühren von bis zu 180 Euro pro Quartal rechtfertigen. Als Segen und Fluch zugleich gilt die Anonymität, die nur schrittweise abgebaut werden kann. Und so endet mancher E-Mail-Flirt abrupt, sobald das erste Foto freigeschaltet wird.
Bei der Juristin Uta Viegener, 40, und dem Zahnarzt Klaus Rocholl, 45, die über Elitepartner zusammenfanden, hat es dagegen auf Anhieb gefunkt. Die ersten zwei Wochen tauschten die beiden nur E-Mails aus, über weitere vier Wochen telefonierten sie abends stundenlang, bevor sie sich das erste Mal trafen.
Danach ging alles ganz schnell: Sechs Wochen nach der ersten Begegnung machte Rocholl seiner Internet-Liebe einen Heiratsantrag. Uta Viegener sagte Ja.
Vernetzt, verliebt, verheiratet – geht es nach Elitepartner-Chef Jost Schwaner, werden solche Liebesgeschichten in Zukunft zur Regel. „Spätestens 2015 wird sich die Mehrheit der Paare online finden“, prophezeit Schwaner. Dennoch lasse das Tempo der Entwicklung nach. In der Branche gehe es jetzt um Verdrängung.
Der Rosenkrieg
Bis vor wenigen Jahren war der Markt klar aufgeteilt. Parship dominierte das deutsche Matching-Geschäft. 2004 stieß Elitepartner, ein Unternehmen der Burda-Tochter Tomorrow Focus, dazu. Seiten wie Friendscout24 oder neu.de, bei denen nicht die Suche nach dem Partner fürs Leben im Vordergrund steht, sondern das Flirten in allen Facetten, eroberten derweil die jüngeren Zielgruppen.
Digitale Kontakthöfe | ||||
Die wichtigsten Internet-Portale für die Partner- und Abenteuersuche | ||||
Preis für drei Monate in Euro bei Nutzung aller Funktionen | Eigentümer | Zielgruppe | Bewertung Stiftung Warentest | |
Sexkontakte/Seitensprung | ||||
Ashley Madison | Credit-Point-System | Avid Milfe Media | Meist verheiratete Frauen und Männer | k.A. |
C-Date | Frauen 0/ Männer 119,70 | Investorenkreis um Internet-Unternehmer Robert Wuttke | Durchschnittlich Mitte bis Ende 30 mit gehobenem Niveau | k.A. |
First Affair | Frauen 0/ Männer 39,99 | netforge | Breites Publikum, durchschnittlich Anfang 30 | k.A. |
FlirtFair | Frauen 0/ Männer 119,70 | Zain Vermögensverwaltung (diverse Online-Investoren) | Anfang 30 auf der Suche nach Erotik-Abenteuern | k.A. |
Joy-Club | Frauen 0/ Männer 59,70 | Online-Fachverlag Feig & Partner | Für Singles, Paar Transsexuelle, Fotografen | k.A. |
Lovepoint | Frauen 0/ Männer 99,00 | Networld Projects (Wolfgang Herkert) | Durchschnittsalter 36, Seitensprung oder Traumpartner | k.A. |
Meet2Cheat | Frauen 0/ Männer 89,70 | imaxx21 | Durchschnittlich Mitte 30 auf Seitensprung-Suche | k.A. |
Secret | Credit-Point-System | friendscout24 (Deutsche Telekom) | vor allem Frauen | k.A. |
Hier können die Mitglieder zwar Such- und Ausschlusskriterien festlegen, durchstöbern die Datenbank in der Regel aber selbst nach passenden Profilen und gefälligen Fotos.
Für Bewegung sorgte indes die Gründung von eDarling. Ende 2008 starteten die Unternehmerbrüder Samwer ihre Version der Partnervermittlung und katapultierten die Anmeldequoten mit einer Flut an Fernsehspots nach oben – ebenso wie die Marketingkosten für die Konkurrenz. Um die Mitgliederzahlen zu halten, mussten fortan auch die Rivalen auf allen Kanälen trommeln.
Geschäft sortiert sich neu
Branchenkenner beziffern den Aufwand, um einen Neukunden zu gewinnen, inzwischen auf bis zu 200 Euro. Aus Sicht von eDarling ist die Strategie aufgegangen. „Wir wachsen täglich, während bei Wettbewerbern bereits Mitarbeiter gehen mussten“, sagt eDarling-Manager und -Mitgründer Kai Rieke mit einem Seitenhieb auf Parship.
Dort wurden im Mai zehn Prozent der Stellen gestrichen. Parship-Geschäftsführer Peter Schmid keilt zurück: „Die meisten Partnerportale erkaufen sich ihr Wachstum mit herben Verlusten.“
Parship dagegen verdiene seit vier Jahren Geld und werde „auch weiter profitabel arbeiten“. Der Umsatz sei 2010 nahezu konstant zum Vorjahr bei 55,4 Millionen Euro geblieben. Doch auch Schmid räumt ein: „Der Markt ist hart, die Margen gehen runter.“
Konsolidierung überfällig
Parship-Rivale Robert Wuttke, Chef und Gründer der Online-Partnervermittlung be2, hat sich daher auf das Ausland konzentriert. Das Unternehmen ist in 37 Ländern aktiv. „Im deutschen Partnervermittlungsgeschäft ist eine Konsolidierung überfällig“, sagt Wuttke.
Als mögliche Paarung haben Brancheninsider bereits Parship und Elitepartner ausgemacht. „Momentan spricht in der Branche jeder mit jedem“, sagt Elitepartner-Chef Schwaner.
Nicht nur das Geschäft der Partneragenturen sortiert sich neu. Auch die Datinganbieter stehen unter Druck. Facebookbasierte Balzportale wildern in ihrem Revier.
300 000 neue Mitglieder vermeldet etwa der in London beheimatete Anbieter Badoo – weltweit, jeden Tag. Insgesamt zählt Badoo derzeit über 120 Millionen Nutzer, rund zwei Millionen sollen es allein in Deutschland sein.
Web-2.0-Erfolge feiern auch die Community Zoosk und das Kennenlernnetzwerk Meetone, an dem sich in der vergangenen Woche die Sendergruppe ProSiebenSat.1 beteiligt hat.
Die Folge: Traditionelle Datinganbieter versuchen selbst in der Netzwerkwelt Fuß zu fassen, oder erweitern schlicht ihre Zielgruppe.
So will Friendscout24 seit Kurzem mit einem Beziehungstest im Matching-Segment punkten, hat es mit Secret aber eben auch auf all jene Frauen und Männer abgesehen, die nach einem kurzen Techtelmechtel trachten.
König der Kuppler
Seit dem Start von Secret im Februar haben 100 000 Mitglieder online ihre Vorlieben und Tabus angeklickt und den Grad ihres Verlangens nach Intimrasuren, Dessous oder Fesselspielen definiert. Ähnlich wie klassische Partnervermittler listet die Datenbank anhand der Angaben die vielversprechendsten Kandidaten auf.
Das Geschäftsmodell: Um Kontakt aufzunehmen oder Fotos freizuschalten, bezahlen die männlichen Nutzer mit Guthabenpunkten, sogenannten Credits, die sie zuvor bei Secret erstanden haben.
Alles Weitere klären die Paarungswilligen untereinander.
Ähnlich funktionieren auch andere Casual-Dating-Plattformen, die sich mal mehr, mal weniger explizit an Fremdgeher richten oder aber Singles ansprechen, die zwar Spaß am Sex, aber keinen Bedarf an Bindung haben. An Interessenten herrscht kein Mangel.
Online-Dating mit TÜV-Logo
Zwar dürfte ein Teil der Nutzer Abwanderer von klassischen Singleportalen sein. Schließlich gingen auch dort schon immer Kavaliere auf die Pirsch, die unter dem Stichwort Körpergröße stolz „17 mal 4 Zentimeter“ vermeldeten.
Die Erotik-Portale versuchen auf ihren Seiten allzu tumbe Avancen zu unterbinden. Statt praller Pornobildchen gibt es bei Secret & Co. allenfalls erotisch angehauchte Posen zu besichtigen, garniert mit den Versprechen: Diskretion und Datensicherheit blieben gewahrt. Überprüfbar sind derlei Aussagen kaum.
Doch immerhin lassen sich einzelne Anbieter von unabhängigen Dritten kontrollieren. Die Internet-Seite von Joy-Club, einem Sprössling des fränkischen Online-Verlags Feig &Partner, der „über eine Million reale Mitglieder“ vermeldet, ziert etwa das Datenschutz-Prüflogo des TÜV Saarland.
Siebenstelliger Umsatz erwartet
Das Kalkül dahinter: Mit dem Sicherheitsversprechen und einer zurückhaltenden Optik soll vor allem das Interesse von Frauen an den Portalen geweckt werden. Denn die ignorierten in der Vergangenheit meist all jene rustikalen Angebote, die durchs Netz waberten. Die Männer blieben allein.
Die neue Ausrichtung scheint erfolgreicher. Prime-Date, 2010 von Ex-Parship-Chef Arndt Roller und dem Marketingmanager Felix Brosius gegründet, soll in diesem Jahr einen siebenstelligen Umsatz schreiben. Während Parship, eDarling und Elitepartner aus Sorge ums Image Abstand zu den Netzeskapisten halten, stürzt sich be2-Gründer Wuttke mit Verve auf das „attraktive“ Segment.
2008 gründete der frühere Chef der Suchmaschine Lycos mit C-Date eine Affärenplattform, die heute in 35 Ländern aktiv ist und bei der sich bereits acht Millionen Frauen und Männer registriert haben. Damit dürfte Wuttke zu Europas König der Kuppler avanciert sein. Weltweit wird er nur von Ashley-Madison-Chef Biderman in den Schatten gestellt.
Mehr als zehn Millionen Nutzer verzeichnet sein Untreueportal nach eigenen Angaben. Sie kommen aus den USA, Kanada, Australien, Brasilien und vielen europäischen Ländern und bescherten dem Unternehmen 2010 rund 60 Millionen Dollar Umsatz. In diesem Jahr sollen es sogar 100 Millionen Dollar werden.
Baggern um deutsche Fremdgeher
Dabei helfen Nutzer wie holgi123123 aus Niedersachsen. Der gebundene Zweimetermann möchte „knisternde Erotik erleben, riechen und anschauen“. Holgi sucht eine Affäre. Für jede Kontaktaufnahme und jeden Chat muss er ein paar Credit-Points zahlen. Je nach Paket sind so bis zu 3,95 Euro pro E-Mail fällig.
Seit einem Jahr baggert Ashley Madison inzwischen um Deutschlands Fremdgeher.
Zwei Millionen Euro hat Biderman bereits ins Marketing gesteckt und ließ unlängst ein riesiges Plakat mit Fotos von Arnold Schwarzenegger, Horst Seehofer und Bill Clinton an einer Berliner Hotelfassade aufhängen. Unter den prominenten Fremdgehern stand die Frage: „Was haben diese drei Männer gemeinsam?“ Sie hätten „besser Ashley Madison nutzen sollen“.
Weitere fünf Millionen Euro Werbemittel für die diskreten Vermittlerdienste sind geplant. Doch auch bei Ashley Madison sind Fremdgeher nur teilweise vor Ertappung sicher. Das Risiko wird zwar über eine neutral gehaltene Kreditkartenabrechnung minimiert. Doch falls sich der Partner oder die Partnerin selbst anmeldet und ein Profil enttarnt, droht Ungemach.
Und das Löschen des Profils lässt sich Ashley Madison von den Nutzern teuer bezahlen.
Friedhof der Profile
Ohnehin hat die Branche mit ihrem Image zu kämpfen, was weniger an ihren verruchten Diensten als am teils windigen Geschäftsgebaren in früheren Zeiten liegt. Vor allem die Versprechungen vieler kleinerer Anbieter gelten noch immer als ähnlich valide wie die Selbstbeschreibungen mancher Nutzer. Die nach eigenem Befinden
„dralle Rubens-Prinzessin“ erweist sich im bürgerlichen Leben als schlichte Pummelfee, der angeblich pulsierende Kontaktbasar als Friedhof der Profile. Zudem ist nicht auszuschließen, dass professionelle Sexarbeiterinnen auf den Portalen auf Kundenfang gehen oder die Betreiber selbst ihre Nutzer über Lockvögel schröpfen.
Letzteres dürfte bei den namhaften Anbietern aber tabu sein, schon aus Angst, dass sich Abzockvorwürfe im Web verbreiten. „Durch den Einstieg großer Unternehmen wird das Segment insgesamt seriöser“, sagt Marktbeobachter Henning Wiechers, der die Internet-Seite Single-Börsenvergleich betreibt.
Partner findern per GPS
Der Experte erwartet, dass das zügellose Treiben demnächst auch die Smartphones erobert. „Der Gay-Bereich gilt als Datingavantgarde“, sagt Wiechers. Und in der Szene sorgt etwa das Angebot Grindr für Furore.
Dahinter verbirgt sich eine Smartphone-App, die dem Nutzer via GPS-Ortung anzeigt, welche anderen Grindr-Mitglieder sich in der Nähe aufhalten – bereit für ein spontanes Treffen. „Dog-lover looking for doggy-style“, lauten nun die Grußbotschaften aus der Nachbarschaft. Seit Kurzem gibt es das Angebot unter dem Namen Blendr auch für Heterosexuelle.
An einem Segment des Liebesmarktes scheinen derlei Entwicklungen jedoch abzuperlen: der Deluxe-Partnervermittlung, wie sie etwa die Berliner Unternehmerin Christa Appelt für Erben, Manager oder andere zu Wohlstand gekommene Klienten oft per Zeitungsannonce organisiert. Selbst die Tonlage hat sich seit Lord Dimleys Zeit offenbar nur unwesentlich geändert.
Da sehnt sich ein „Einkommens-Millionär“ und nebenher „Ferrari-Fahrer“ nach einer anspruchsvollen Partnerin. Eine Münchner Unternehmertochter („Zweitwohnsitz Côte d’Azur“) sucht Geborgenheit bei einem „lebensgereiften, erfolgreichen Mann“. Das Internet? „Das ist für meine Klienten nichts“, sagt Appelt. „Nicht in dieser Liga.“