Der Duisburger, der auf seinem Schreibtisch die Fanta neben seinen Computer gestellt hat, ahnt kaum, dass er der Netzgemeinde via Webcam Einblick in sein Arbeitszimmer gewährt. Ebenso wenig der Besitzer des holzvertäfelten Häuschens aus dem niedersächsischen Springe, dessen Überwachungskamera fremden Menschen verrät, dass die Haustür nur angelehnt ist und das Fenster daneben auf Kipp steht. Suchdienste wie Shodan oder Censys, eine Art Google fürs Internet der Dinge, listen aber beide auf, neben zahlreichen anderen öffentlich erreichbaren Webcams in der Republik. Jede von ihnen gibt den Blick frei in ein Leben. Und dies ist erst der Anfang.
Immer mehr Menschen rüsten die eigenen vier Wände zum vernetzten Heim hoch. Ob Sicherheitskamera, vernetztes Thermostat, digital steuerbares Türschloss: Die Deutschen werden in diesem Jahr mehr als 410 Millionen Euro in die Digitalisierung ihrer Haustechnik stecken. Binnen zwei Jahren hat sich der Anteil der Smart-Home-Haushalte auf heute gut zehn Prozent verdoppelt. Und sie gewähren damit, oft ohne es zu wissen, unfreiwillige Einblicke.
Bereits „2021 werden drei Viertel der Smart-Home-Technik weltweit für koordinierte Internetangriffe missbraucht“, so die Prognose des IT-Marktforschers Gartner. Ohne ausreichenden Schutz der vernetzten Technik daheim können Angreifer das digitale Familienalbum, Gesundheitsunterlagen oder die Steuerdaten auf dem privaten PC durchsuchen. Sie können die ans Internet angeschlossenen Geräte sabotieren oder die Elektronik im smarten Heim kapern, um sie sich für weitere Cyberattacken anderswo zunutze zu machen.
Wenn der Toaster Fotos schickt
Solche Angriffe gab es bereits: Schon im Frühjahr 2014 hatte etwa der Sicherheitsdienstleister Proofpoint vernetzte TV-Geräte, Set-Top-Boxen und einen Kühlschrank entdeckt, über die Hacker in den USA gut 750 000 Spamnachrichten verschickt hatten. Und im Herbst 2016 schalteten Kriminelle erstmals Millionen gekaperter Alltagsgeräte zu einer global koordinierten Attacke zusammen, um Onlinedienste wie Amazon, Netflix oder Spotify zu blockieren.
Eine neue Generation von Routern für Privathaushalte soll es den Angreifern nun deutlich schwerer machen. Die Geräte vernetzen nicht bloß Laptop, Tablet, Handy und die verschiedensten Smart-Home-Geräte per WLAN. Zugleich arbeitet darin Filtertechnik aus professionellen Firewalls, mit denen auch Unternehmen ihre IT-Systeme gegen Hacker sichern.
Die Schutzboxen überwachen, wer von außen einzudringen versucht. Und sie blockieren verdächtige Datenströme ins Netz – wenn etwa das Thermostat plötzlich beginnt, Bilddateien zu verschicken, die Alarmanlage virenverseuchte Webseiten aufruft oder die Webcam im smarten Fernseher plötzlich anfängt, Live-Bilder ins Internet zu senden.
Die IT-Spezialisten Bitdefender aus Rumänien sowie F-Secure aus Finnland sind die ersten, die solche Sicherheitsrouter in Deutschland anbieten. Die Bitdefender Box 2 und der F-Sense-Router kosten knapp 200 Euro. Updates für die Filtersoftware gibt es ein Jahr lang gratis, fürs Folgejahr berechnet Bitdefender 99 Euro, F-Secure kassiert 9,99 Euro im Monat.
Wie in den USA, wo bereits an die zehn Hersteller ähnliche Technik verkaufen, werden auch in Deutschland weitere Anbieter folgen. Der schwäbische Hersteller Avira hat seine Firewall Safe Things für Ende des Jahres angekündigt. Das Hamburger Start-up eBlocker werde seine gleichnamige Filter-Box „im zweiten Halbjahr um Funktionen aus der professionellen Netzwerkabsicherung erweitern“, kündigt Gründer Christian Bennefeld an. Die Deutsche Telekom will ebenfalls mitmischen. „Wir sehen Bedarf für eine einfache Sicherheitslösung, die alle vernetzten Geräte absichert“, heißt es bei dem Konzern. „Daran arbeiten wir aktuell.“