Edward Snowden befürwortet Spionage. Aber nicht so, wie sie derzeit in den USA von der NSA betrieben wird. In einer Fragestunde rechtfertigte er die Weitergabe von hunderttausenden geheimen Datensätzen über zweifelhafte Praktiken an die Medien. Denn die gesellschaftlichen Auswirkungen dessen, was da geschehe, könne man überhaupt gar nicht überbewerten. Aber noch sei Zeit, umzudenken.
Vor einer Woche verteidigte US-Präsident Barack Obama vehement die Spionageprogramme der amerikanischen Geheimdienste und nannte sie in vollem Umfang legal. Jetzt antwortet der, der den mächtigsten Mann der Welt zur Ankündigung leichter Reformen gezwungen hatte: Edward Snowden.
Der frühere freie Mitarbeiter der NSA sieht das Ganze völlig anders. Gezielte Spionage ist manchmal nötig, räumt er in der über einstündigen Frage-und-Antwort-Sitzung am Donnerstag auf seiner Unterstützer-Seite ein. Aber hier werde nicht spioniert, hier würden gerade die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens verändert. Die US-Geheimdienste sammeln Snowdens Informationen zufolge hunderte Millionen SMS-Nachrichten pro Tag, hören Internet- und E-Mail-Kommunikation ab, wissen, wann Regierungsmitglieder befreundeter Nationen mit wem telefonieren, verfügen über Hintertüren in iPhones und Android-Smartphones und vieles mehr. Darunter ist eine gigantische Datenbank über die Telefonate, die innerhalb der USA geführt werden. Und das alles, um einer Bedrohung zu begegnen, durch die jährlich laut Snowden weniger Amerikaner zu Tode kämen als durch „Badewannenunfälle oder Polizeibeamte.“
Die permanente Dauerüberwachung bleibe nicht ohne Folgen: Da wäre der Effekt der unbewussten Verhaltensänderung, wenn man wisse, dass man permanent überwacht werde, so Snowden. Das sei durch Studien belegt und ein schleichender Prozess. Einer der noch am wenigsten verstandene Effekt dieser gigantischen, alles umspannenden Dauerüberwachung der Menschheit sei die Erstellung eines „permanenten Verhaltensprotokolls“ der täglichen Aktivitäten. Dies ermögliche in Zukunft unbegrenzte rückwärtsgewandte Ermittlungen für den Fall, dass ein bis dahin unbescholtener Bürger doch irgendwann einmal die Neugier der Behörden erregt: „Sie erinnern sich vielleicht nicht, wo Sie am 12. Juni 2009 zum Dinner waren. Aber die Regierung weiß es.“
Warum er sich nicht der amerikanischen Justiz stelle, habe einen einfachen Grund. Der Schutz für „Whistleblower“ – Menschen, die illegale Praktiken in Unternehmen oder Behörden anzeigen – sei in den USA zu schwach, verteidigte Snowden sein russische Exil. Hätte er seine Bedenken Kongressmitgliedern mitgeteilt, so seine Erklärung, hätte er wegen einer schweren Straftat angeklagt werden können.