Social Media Facebook und Co. - Hier spricht nicht nur der Chef

Mitmachnetze können Kommunikation und Zusammenarbeit in einem Unternehmen massiv verändern. Mitarbeiter erwarten Transparenz, geben ungefragt Feedback, und der Chef muss mehr zulassen statt nur zu kontrollieren.

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Viele Unternehmen haben ein gespaltenes Verhältnis zum Thema Social Media. Im Hinblick auf externe Kommunikation und Marketing ist ihnen zwar klar, dass sie Plattformen wie Facebook, Youtube, Xing oder Twitter verstärkt nutzen müssen, um Kunden oder Bewerber anzusprechen. Gleichzeitig zögern aber noch viele, das Mitmachnetz auch ins Unternehmen einziehen zu lassen. Werden Blogs, Wikis, Chats und Foren zu normalen Arbeitsmitteln, kann sich jeder Mitarbeiter einbringen, seine Ideen teilen oder Vorschläge der Kollegen bewerten. Kommentieren können die Mitarbeiter dann auch jede Entscheidung des Managements, Feedback gibt es ungefragt und unmittelbar. Chefs, aber auch die interne Kommunikation müssen umdenken, wie die Beispiele eines TK-Konzerns und eines kleinen IT-Service-Dienstleisters zeigen.

Deutsche Telekom: Eine Plattform für 235.000 Mitarbeiter

Als Stephan Grabmeier vor vier Jahren zur Deutschen Telekom kam, gab es dort schon viele Web-2.0-Initiativen. Mit den Jahren sind über 200 Mitarbeiter-Blogs, eine Wiki-Plattform mit mehr als 42.000 Usern und ein direkter Kanal zu René Obermann entstanden, über den Mitarbeiter Fragen und Anliegen persönlich an den Vorstandschef richten können. Die insgesamt 46 Plattformen waren aber nicht miteinander vernetzt. Darum startete die Telekom vor einem Jahr auf Basis der Jive-Plattform ihr eigenes soziales Netzwerk, unter dessen Dach sich alle internen Social-Media-Tools finden. Bislang nutzen 44.000 der weltweit 235.000 Mitarbeiter das „Telekom Social Network".

Die digitalen Superstars
TelekommunikationDie Telekommunikationsunternehmen spielen ihre Stärken im Mobilfunkbereich voll aus. Die Branche erreicht erreicht den höchsten Durchschnittswert bei mobilen Aktivitäten. So nutzt Vodafone zum Beispiel eine App zur direkten Kundenkommunikation. Die T-Mobile-App bietet den Kunden an, jederzeit auf ihre Datenzugreifen zu können. Auch O2 bemüht sich, den Kundenkontakt über soziale Netzwerke zu verbessern. Quelle: dpa
Sport FashionAdidas liegt bei den Unternehmen im Sport Fashion-Segment ganz vorne. Der Branchen-Primus verfolgt eine beispielhafte Mobile-Strategie und hat zudem viele serviceorientierte Apps im Angebot. Damit können User zum Beispiel persönliche Trainingsfortschritte messen oder über Outfits abstimmen. Auf ihren Webseiten nutzen die bekannten Marken bisher nur wenige interaktive Tools, um die Kundenanbindung zu stärken. Um so stärker konzentrieren sie sich auf die Social-Media-Kanäle. Quelle: dpa/dpaweb
VerbrauchsgüterindustrieDie Verbrauchsgüterindustrie kennt die Bedeutung starker Marken sehr gut. Im Digital Activity Index 2012 spielt sich diese Branchenerfahrung allerdings nicht wider. Nur wenige Unternehmen stechen positiv hervor. Darunter auch Coca Cola und Pampers. Beide Unternehmen setzen auf eine Mischung aus App-Angeboten und sind in den sozialen Netzwerken stark vertreten. Die nationalen und regionalen Player sind deutlich weniger im Internet aktiv und senken den Durchschnitt drastisch. Somit landet die Verbrauchsgüterindustrie auf dem letzten Platz des Index in der Branchensicht. Quelle: REUTERS
RetailSehr uneinheitlich ist das Bild im Retail-Bereich. Lidl erreicht im Social-Media-Segment sehr gute Werte. bei den Webseiten wiederum liegt Tchibo mit einer langen Verweildauer der Kunden auf der Seite vorne. Mobil sind vor allem Aldi, Ikea und Edeka aktiv, die solide Apps für iOS und Android anbieten. Quelle: ZB
BaugewerbeVerglichen mit den reinen Verbrauchermarken erreicht der Bau- und die Zuliefererindustrie gute Werte für ihre Webseiten. So bieten etwa Grohe und Hansgrohe Interaktionsfeatures an, die die Kundenbetreuung beschleunigen. Die Apps in dieser Branche sind vor allem Prospekt-Apps, in denen die eigenen Produkte beworben werden. Quelle: dpa
FashionDie Fashion-Unternehmen punkten vor allem mit ihren Webseiten. Einzelfälle, wie Hugo Boss oder New Yorker, tummeln sich auch im Bereich Social Media. Hugo Boss präsentiert sich vor allem mit Videos von Fashion-Shows auf der Plattform YouTube. Bei den mobilen Anwendungen liegt s.Oliver vorne. Das Unternehmen bietet eine App mit Fashion-Memory-Spiel an. Street One und Gerry Weber vernachlässigen die sozialen Netzwerke und die Möglichkeit, sich mit mobilen Anwendungen zu positionieren. Quelle: dpa
Hotels und TouristikUnter den Hotels gibt es keine "digitalen Stars", obwohl Unternehmen wie Best Western, Marriott und NH Hotels mit mobilen Anwendungen erfolgreich auf dem Markt sind. Eigene Apps zeigen an, wie viele Zimmer noch frei sind und leiten Reservierungen weiter. Die Nutzer honorieren das und bewerten gerade diese Apps als sehr nützlich. Quelle: dpa

Grabmeier, der als Head of Center of Excellence Enterprise2.0 das Thema verantwortet, ist überzeugt, dass die Web-2.0-Plattform das Unternehmen verändern wird: „Command and Control ist ein gestriger Führungsstil, heute müssen Führungskräfte Moderatoren sein. Im ‚Telekom Social Network‘ müssen sie Fragen transparent beantworten und auch mal Kritik hinnehmen. Ein soziales Netzwerk ist darum nicht nur Software, die wir nutzen, sondern wir beginnen, völlig anders zu kommunizieren und zu arbeiten." So gelte es, die Kommunikation zu verändern, Dialog statt Push heißt das Ziel. Die Kommunikationsabteilung verliert ihren Status als alleiniger Hüter und Verteiler der Information. In Umfragen fand die Telekom heraus, dass Mitarbeiter am meisten den Inhalten vertrauen, die Mitarbeiter selbst erstellen. Für Grabmeier liegt in der transparenteren Kommunikation mehr Chance als Risiko: „Die Angst vor internen Shitstorms erwies sich als unberechtigt. Bisher hat es keinen gegeben. Shitstorms passieren nur, wenn man handwerkliche Fehler macht, etwa Kommentare löscht, nicht antwortet oder die Netiquette missachtet. Die Community hat ein großes Selbstregulativ."

Wie sehr die Telekom von der Community profitieren kann, zeigt der Relaunch der HR-Intranets. Um mehr über die Anforderungen der Mitarbeiter an das Portal zu erfahren, waren sie zu einem „Jam" eingeladen. In Lauf des auf drei Tage begrenzten Online-Meetings gingen 2500 Kommentare, über 200 Abstimmungen und 93 neue Ideen ein, von denen schließlich 73 umgesetzt wurden. Der Stress bei der Einführung des HR-Intranets hielt sich laut Grabmeier in Grenzen, nicht zuletzt, weil man die Betroffenen früh einband.

Bisher ist jeder fünfte Mitarbeiter im „Telekom Social Network" aktiv. Durch Schulungen, vom Webinar bis zum Coaching von Führungskräften, sollen möglichst viele Mitarbeiter erreicht werden, so Grabmeier: „In den nächsten zwei Jahren wird sich herausstellen, ob wir die Organisation durch Enterprise 2.0 nachhaltig transformieren können oder ob Social Media einer digitalen Elite überlassen bleibt."

Beck et al.: IT-Probleme löst die Community

Auch Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer von Beck et al., hat die Vorteile von Social Media für sich und sein Unternehmen längst erkannt. Seit der Münchner IT-Dienstleister die Kommunikationsplattform „IBM Connections" einführte, weiß jeder Mitarbeiter, ob in Deutschland, Brasilien oder Rumänien, woran die Kollegen arbeiten und wer Unterstützung braucht. Dateien, Links und Ideen werden online abgelegt, was das Zusammenarbeiten stark verändert, so Lautenbacher: „Wir orientieren uns weniger am Dokument, das der Einzelne bearbeitet und dann weitergibt, sondern stellen oft unfertige Inhalte in Foren, Blogs oder Wikis und bringen sie gemeinsam zum Abschluss." Um so arbeiten zu können, müsse man sich verabschieden vom Gedanken, nur ausgefeilte Dokumente weiterzugeben, und sich den Ideen der anderen öffnen. Diese Art der Zusammenarbeit mache das Gros der internen Mails überflüssig, Lautenbachers internes Mail-Volumen hat sich nach seinen Angaben auf zehn Prozent des früheren Umfangs reduziert. Auch der interne IT-Support ist bei Beck et al. durch die Social-Business-Plattform Geschichte: „Seit wir die Probleme in unsere Support-Community stellen, findet sich immer schnelle Hilfe. Einziges Regulativ ist ein ‚Community-Gärtner‘, der zweimal in der Woche unbeantwortete Anfragen mit einem Ausrufezeichen hinterlegt."

Bei Beck et al. ist die Teilnahme an der Plattform verpflichtend, und Führungskräfte sind angehalten, über wichtige Themen zu bloggen. Lautenbacher vergleicht die Social-Business-Plattform gern mit einem Biergarten. Das Bier gibt es nur von einer Stelle, aber die Besucher können zwischen Essensangeboten wählen oder sich die Brotzeit selbst mitbringen: „Wer ein soziales Netzwerk im Unternehmen nutzt, sollte wachsen lassen und zulassen statt zu kontrollieren. Regeln braucht es nur wenige, etwa, dass keine negativen Beiträge auf Profilen gepostet werden dürfen oder dass sich die Themen auf das Geschäftliche beschränken."

Dieser Artikel ist zuerst bei Computerwoche erschienen.

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