Soziale Netzwerke Wer kann neben Facebook noch überleben?

Seite 4/4

Milliardenpoker um die Zukunft von Facebook

Auch Mark Zuckerberg hat diese Entwicklung und das daraus resultierende Potenzial des aufstrebenden Rivalen frühzeitig erkannt. Schon vor drei Jahren wollte er – nach Instagram – auch Snapchat übernehmen.

Drei Milliarden Dollar hat Facebook den Gründern Evan Spiegel und Bobby Murphy geboten, zu diesem Zeitpunkt eine enorme Summe. Jeder der beiden Gründer hätte dabei rund 750 Millionen Dollar eingesackt. Das Duo entschied sich dagegen.

Und der Erfolg gibt ihnen recht: So schauen die Snapchat-Nutzer, erzählen Insider, inzwischen täglich sieben Milliarden Videos an. Bei Facebook sind es mit acht Milliarden zwar noch etwas mehr – allerdings hat das Netzwerk auch acht Mal so viele Nutzer (siehe Grafik Seite 56). Zudem spielt Facebook seine Videos automatisch ab – Snapchat-Nutzer starten sie gezielt.

Wer beim Datenschutz gute Noten bekommt
Ist Datenschutz schon in Deutschland eine heikle Sache, sieht es in den USA noch viel kritischer aus: Die dortigen Ermittlungsbehörden wie die NSA haben durch den Patriot Act, der nach den Anschlägen des 11. September 2001 erlassen und kürzlich leicht abgemildert wurde, viel umfassendere Rechte und Befugnisse zur Abfrage von Daten von Privatpersonen. Und diese nutzen sie auch, während die Gesetze und Regulierungen im Bereich Datenmanagement und Datenschutz mit den technologischen Entwicklungen nicht mithalten können. Die Nichtregierungsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) will mit ihrem regelmäßigen Datenschutz-Report „Who has your back“ auf dieses Problem aufmerksam machen. EFF untersucht 24 große IT- und Telekomunternehmen daraufhin, wie sie mit dem Thema Datenschutz umgehen. Quelle: dpa
Der Report bewertet einerseits, ob sich Firmen gegen teils willkürliche staatliche Überwachung wehren. Zudem wird die Transparenz bewertet, die Firmen darüber herstellen, ob und wie staatlichen Ermittlungsbehörden bei ihnen Zugriff auf Nutzerdaten fordern. Die EFF hat über vier Jahre die Praktiken großer Internet- und IT-Konzerne beobachtet und analysiert, ob die Firmen ihren Fokus eher auf den Schutz der Nutzerdaten oder eher auf die Kooperation mit staatlichen Ermittlern legen. Dabei konnten sie in den vergangenen vier Jahren eine Entwicklung feststellen. Quelle: AP
Während das Thema Datenschutz vor vier Jahren bei kaum einem Unternehmen auf der Agenda stand, hat nun – einige Snowden-, Wikileaks-Enthüllungen und Spähaffären später – laut EFF ein Umdenken eingesetzt: Viele Firmen veröffentlichen Reports über ihren Umgang mit Nutzerdaten und über Regierungsanfragen nach Nutzerdaten. Quelle: dpa
Die EFF hat die Entwicklungen damit aufgefangen, dass sie die Firmen nun unter anderem in der Kategorie des industrieweiten Standards vorbildlicher Praktiken bewerten. Ihre Kriterien im Überblick: 1. Unter dem erwähnten industrieweiten Standard verstehen die Aktivisten etwa, dass die Firma den Staat bei einer Datenanfrage nach einer offiziellen Vollmacht für den spezifischen Fall fragt. Außerdem wird erwartet, dass das Unternehmen einen Transparenzreport über staatliche Anfragen veröffentlicht und dass die Firma deutlich macht, wie sie mit den Regierungsanfragen formell verfährt. 2. In einer weiteren Kategorie wird geprüft, ob Internetfirmen die jeweiligen Nutzer einzeln informieren, wenn sie beziehungsweise ihre Daten von Regierungsanfragen betroffen waren. Als Best Practice Beispiel gelten die Firmen, die ihre Nutzer schon vor der Weitergabe über solche staatlichen Anfragen informieren, sodass diese sich juristisch zur Wehr setzen können. Quelle: dpa
3. Die Aktivisten checkten auch, ob Firmen bekannt machen, wie lange sie Nutzerdaten speichern. Es wurde dabei nicht bewertet, wie lange die Unternehmen IP-Logins, Übersichten über individuellen Datentransfer und auch eigentlich bereits gelöschte Daten speichern und für Ermittlungen verfügbar halten – es geht nur um die Transparenz.4. Regierungen und staatliche Ermittlungsstellen fragen nicht nur Nutzerdaten an, teils verlangen sie von Internet- und Telekomkonzernen auch, unliebsame Nutzer zu blockieren oder Nutzeraccounts zu schließen. Für diese Praxis war zuletzt insbesondere Facebook kritisiert worden, das einige Insassen von Gefängnissen an der Eröffnung eines Accounts hinderte. Auch Informationen darüber honorierten die Aktivisten mit einer positiven Bewertung, wobei ihnen besonders Twitter in dieser Kategorie mit einem umfangreichen Report über Lösch-Gesuche positiv auffiel. 5. Unternehmen bekamen auch eine positive Bewertung, wenn sie sich im öffentlichen Diskurs gegen staatlich geduldete oder gar intendierte Hintertüren in Software und Netzwerken stellen. 21 von 24 untersuchten Firmen nehmen mittlerweile eine solche kritische Position gegenüber dem Überwachungsstaat ein. Quelle: dpa
Adobe hat laut den Aktivisten in den vergangenen Jahren alle Best Practice Standards übernommen, die in der Branche etabliert sind. Adobe verlangt von Ermittlungsbehörden eine explizite Erlaubnis, Daten von Nutzern anzufordern und bekennt sich zudem öffentlich dazu, keine Hintertüren in die eigene Software einzubauen. „Alle Regierungsanfragen für Nutzerdaten müssen bei uns durch den Vordereingang kommen“, schreibt Adobe in seinem Transparenzreport. Die EFF wertet eine solche starke Position gegen die früher gängige Praxis als bemerkenswert – unabhängig von der Wahrhaftigkeit. Quelle: AP
Triumph für Tim Cook. Apple erfüllt alle Kriterien der Aktivisten für möglichst große Transparenz im Bereich Datensicherheit. Der IT-Konzern lässt allerdings einige Hintertürchen offen, neben den Verpflichtungen zur Verschwiegenheit, die ihm etwa durch Gerichte in Einzelfällen auferlegt werden können. Apple behält sich vor, Nutzer nicht über eine Datenabfrage zu informieren, wenn dies nach Einschätzung des Unternehmens gefährlich für das Leben oder die Unversehrtheit von Personen werden könnte. Dies lässt Raum zur Deutung. Quelle: REUTERS

Kein Wunder, dass Zuckerberg laut Snapchat-Chef Spiegel sogar gedroht haben soll, den Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Tatsächlich startete Facebook Ende 2012 einen Frontalangriff und kopierte kurzerhand die Kernfunktion von Snapchat. Mit Poke entwickelte es eine App, die wie Snapchat Nachrichten nach dem Konsum automatisch löschte.

Doch hier erlebte Zuckerberg zum ersten Mal die Grenzen seines Wachstumspotenzials: Mangels Erfolgs stellt Facebook Poke nach nur 15 Monaten still und leise wieder ein.

Die Erfahrung bestärkte Zuckerberg darin, im Februar 2014 lieber knapp 20 Milliarden Dollar für den Kurznachrichtendienst WhatsApp zu berappen, als noch eine Pleite mit einer Kopie zu riskieren.

Die Anleger haben den Glauben an den Kurznachrichtendienst Twitter verloren. Der Kurs der Aktie ist auf ein Allzeit-Tief gefallen.

Twitters letzter Anlauf

Die Strategie, aufstrebende Konkurrenten zu kaufen oder zu kopieren, bedroht nun auch Twitter. Denn Dorseys größter Hoffnungsträger heißt Periscope. Mit der App, die Twitter im vergangenen Jahr kaufte, können Nutzer Videos live ins Netz übertragen. Zuschauer können die Aufnahmen sofort kommentieren und weiterempfehlen. Er setzt große Hoffnungen in das Jedermann-Fernsehen. „Wir werden kräftig investieren, um der Marktführer bei Livevideos zu sein“, verspricht Dorsey.

Allerdings hält Facebook mit einem eigenen Angebot namens Facebook Live dagegen. Der Vorteil ist, dass für die Funktion nicht wie bei Periscope eine eigene App heruntergeladen werden muss, sondern sie bereits in die Facebook-Anwendung integriert ist. Bislang konnten zwar nur ausgewählte Prominente den Livedienst nutzen. Doch Facebook will die Funktion für alle Nutzer seines Netzwerkes freischalten. Dann stünden den etwa 20 Millionen Nutzern von Twitters Videoangebot Periscope auf einen Schlag potenzielle 1,5 Milliarden gegenüber.

Es wird also keinen Deut leichter für Dorsey. Womöglich verhindert derzeit vor allem das Interesse potenzieller Aufkäufer, dass die Twitter-Aktie noch stärker abstürzt. Facebook selbst kommt zwar kaum infrage, weil das die Kartellbehörden auf den Plan rufen würde. Doch die von Larry Page geführte Google-Mutter Alphabet soll Interesse haben, wenn der Preis stimmt.

Oder Dorsey findet noch die zündende Idee zum Überleben. Denn – auch das lehrt das Beispiel Apple – für den zweiten Akt, den Wiederaufstieg, braucht es mehr als Politur fürs Kernprodukt: Jobs gelang die Trendwende erst mit einem ganz neuen Produkt: Der iPod verlieh Apple 2001 den Rückenwind, um neu durchzustarten.

Will Dorsey wie einst Jobs die Magie in sein Unternehmen zurückbringen, muss er vermutlich Twitter ganz neu erfinden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%