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Streit um Musikrechte Die digitale Mission der Künstler gegen die Gema

Künstler gründen eine Gegenorganisation zu dem verhassten Musikrechteverwerter. Ihr Ziel: mehr Kontrolle über die eigenen Werke und neue Formen des Urheberrechts.

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Freier Umgang mit eigener Musik - Gema-Kritiker und Gitarrist Michalke. Quelle: Rudolf Wichert für WirtschaftsWoche

In knallrotem Neonlicht leuchtet der Schriftzug "Supermarkt" in die Nacht. Früher verkaufte "Kaiser's" hier Lebensmittel. Heute beherbergt das ehemalige Ladenlokal im Berliner Brunnenviertel Musikstudios, Konferenzräume und eine Cafébar. Das "kreative Ressourcenter", wie sich der Treffpunkt für Kultur-, IT- und Alternativlinge selbst nennt, könnte bald Musikgeschichte schreiben: als Geburtsort einer Gegenorganisation zur zunehmend verhassten Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz: Gema.

Auf einem Barcamp, wie Workshops neuerdings in der Szene heißen, trafen sich Anfang September rund 100 Künstler - vorwiegend Musiker - aus allen Winkeln der Republik, um nach stundenlanger Diskussion in verrauchter Luft den Beschluss zu fassen: Möglicherweise schon Anfang kommenden Jahres soll ein neuer europaweiter Musikrechteverwerter namens Cultural Commons Collecting Society (C3S) den Angriff auf die Gema starten.

Das Geschäftsmodell des Neulings läuft in zentralen Punkten auf die totale Abkehr von den umstrittenen Regularien des bisherigen Monopolisten hinaus:

  • Musiker, Komponisten und Texter sollen bei C3S nicht wie bei der Gema alle ihre Werke anmelden und diese die Gebühren eintreiben lassen, etwa wenn Radio-Anstalten, Online-Portale oder Discjockeys die Stücke unters Volk bringen. Stattdessen sollen die Künstler selbst entscheiden, wofür sie von wem wie viel Geld verlangen.
  • Jeder Künstler soll bei C3S das gleiche Stimmrecht haben. Anders als bei der Gema kann jedes Mitglied - unabhängig von seiner wirtschaftlichen Macht - gleichberechtigt über die Vermarktung der Werke und der Urheberrechte mitbestimmen. n Anstelle statistischer Schlüssel wie bei der Gema, die Großverdiener bevorzugen, soll C3S die Tantiemen für öffentlich aufgeführte oder verbreitete Stücke genau auf die Urheber verteilen. Geringverdiener unter den Musikern dürfen ihre Einnahmen komplett behalten.
  • Im Gegensatz zur Gema, die als eingetragener Verein agiert, soll C3S die Rechtsform der Europäischen Genossenschaft erhalten. Die 30.000 Euro Gründungskapital sollen über Spenden aufgebracht werden.
Die bekanntesten Musik-Portale im Internet
Amazon startet Prime Music in Deutschland und Österreich - als Bestandteil von Amazon Prime ohne zusätzliche Kosten. Quelle: obs
Apple Music Quelle: dpa
Die seit März 2012 existierende Plattform Spotify bietet mehr als 30 Millionen Songs an. Eine Gratis-Version erlaubt das Anhören der Musik mit Werbeunterbrechungen. Zusätzliche Premiumfunktionen wie das Downloaden von Liedern sind wie bei den meisten Streaming-Angeboten kostenpflichtig. Nach eigenen Angaben hat Spotify mehr als 75 Millionen Nutzer, 20 Millionen von ihnen zahlen. Der Streaming-Dienst ist in 58 Ländern verfügbar. Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich
Die Streaming-Plattform Deezer ist vor allem in Frankreich sehr beliebt. 2007 startete sie als erster Gratis-Streamingdienst auf dem Markt. Heute kostet eine Mitgliedschaft, wie auch bei vielen anderen Diensten, Geld. Kostenlos gibt es nur ein Radio-Angebot und Lied-Ausschnitte. Die Plattform ist mittlerweile in mehr als 180 Ländern verfügbar. Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Mit Ampya versucht die ProSiebenSat.1 Media seit 2011 auf dem boomenden Markt der Streaming-Dienste Fuß zu fassen. Beflügelt durch viel Werbung auf den TV-Kanälen des Medienunternehmens zählt Ampya zu den bekanntesten Diensten in Deutschland. 2014 wurde Ampya von Deezer mit dem Ziel übernommen, in Europa noch weiter zu wachsen. Preis: kostenlos bis 9,99 Euro monatlich Quelle: Screenshot
Seit 2012 ist WiMP aus der Bethaphase heraus. Gegründet wurde der Musikstreamingdienst in Norwegen, wo sein Mutterkonzern "Aspiro" sitzt. WiMP gibt es bis jetzt in fünf Ländern zu hören: Deutschland, Norwegen, Dänemark, Schweden und Polen. "Aspiro" spielt schon mit dem Gedanken WiMP auch in Finnland, Portugal, Österreich und der Schweiz zu etablieren. Mit einer hohen Sound-Qualität (gegen Aufpreis) und einem eigenen Redaktionsteam, das Musik empfiehlt, will sich WiMP von der Konkurrenz abheben. Preis: 4,99 bis 19,90 Euro monatlich
Napster startete als Musiktauschbörse und wurde schnell zur Plattform für illegale Raubkopien. Auf rechtlichen Druck der Musik-Industrie wurde die Plattform 2001 geschlossen. Der legale Streaming-Dienst gleichen Namens bietet mehr als 25 Millionen Songs und ist damit einer der größten überhaupt. Nach einer kostenlosen Testphase gibt es den Dienst allerdings nur noch gegen Geld. Preis: 7,95 bis 9,95 Euro monatlich Quelle: AP

"Ende dieses Jahres könnte es so weit sein, dass wir dem Deutschen Patent- und Markenamt den Antrag auf Zulassung vorlegen", sagt Meik Michalke. Der Musiker und Psychologe an der Düsseldorfer Universität ist einer der Protagonisten der Alternativ-Gema und betätigt sich seit 20 Jahren als Gitarrist und Sänger in Rockbands.

Die Gema steht schon lange in der Kritik. Zum öffentlichen Eklat kam es im Sommer, als die Münchner Rechteverwerter mit einer Tariferhöhung von bis zu 2.000 Prozent Musikklubbesitzer in Rage versetzten. Folge war eine deutschlandweite Unterschriftenaktion, an der sich 300.000 Personen beteiligten und die an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ging. Es war bereits die zweite Eingabe an das Parlamentariergremium zum Thema Gema. Die erste datiert aus dem Jahr 2009 und stammt von 110.000 Unterzeichnern.

Inzwischen gibt es eine Beschlussempfehlung des 26-köpfigen Ausschusses an den Bundestag und die Bundesregierung, die der WirtschaftsWoche vorliegt.

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