
Es könnte künftig unübersichtlich werden im Internet. Fast 2000 Anträge auf neue Domainendungen sind bei der ICANN eingegangen, die für die Verwaltung der Namensräume zuständig ist. Heute wurde die Liste aller Bewerber veröffentlicht.
Neben den Länderkürzeln wie .de gibt es bislang nur 22 so genannte generische Top Level Domains, die bekanntesten sind .com, .info oder .edu. Doch in Zukunft wird es hunderte zusätzlicher Endungen geben: Von .berlin oder .love bis hin zu .ketchup oder .vermögensberater.
Vor allem Firmen haben sich um die neuen Endungen beworben. Zu den beantragten Namen und Marken gehören: Apple, Calvin Klein, Canon, Cartier, Fiat, Google, Honda, Intel, Lego, Microsoft, Nokia, Philips, Pfizer, Samsung oder Sony.
Auch viele deutsche Unternehmen sind unter den Bewerbern: ADAC, Audi, Bauhaus, BMW, Bosch, Boehringer, Deutsche Post, Edeka, GMX, Lidl, Merck, NetCologne, Obi, Schaeffler, SAP, Schlund GmbH, Spiegel Verlagsgruppe, Volkswagen. Mit den Top Level Domains .allfinanzberater oder .vermögensberater kommen auch zwei der ausgefallensten Anträge aus Deutschland.
Neben solchen Marken soll es auch neue Endungen für Städte oder Regionen geben. Bewerber sind beispielsweise Afrika (.africa), Amsterdam, Paris oder Tokio (.tokyo). Aus Deutschland soll es als geografische Endungen Hamburg, Koeln, Saarland, Bayern und Berlin geben.
Die wichtigsten Fragen zu den neuen Internet-Endungen
Mit neuen Top Level Domains (TLD) wird der Namensraum im Internet ausgeweitet. Neben den Länderkürzeln (wie .de) und 21 generischen Top Level Domains (wie .org, .net, .com) wird es hunderte neuer Adress-Endungen geben. Die zuständige Behörde Icann hat jahrelang über die Ausweitung beraten.
Folgende Dax-Unternehmen haben sich beworben: Bayerische Motorenwerke AG mit .bmw oder .mini, Linde AG mit .linde, MAN SE mit .man, Merck KGaA mit .merck, RWE AG mit .rwe, SAP AG mit .sap, Deutsche
Post AG mit .deutschepost oder .trust und Volkswagen mit .volkswagen und .audi
Internationale Bewerber sind unter anderem: Amazon, AOL, Apple, Calvin Klein, Canon, Cartier, Chrysler, Cisco, Dell, Deloitte, Fiat, Google, Honda, Intel, Microsoft, Mitsubishi, Ricoh, Samsung, Sanofi, SAS, Seat, Sony, Suzuki, Symantec, Toshiba, Verisign, Yahoo, Zara
Dazu gibt es geografische Top Level Domains wie Afrika (.africa), Amsterdam, Bayern, Berlin, Hamburg, Kapstadt (.capetown), NRW, Paris, Sydney, Stockholm, Tokio (.tokyo), Zürich (.zuerich).
Von den deutschen Bundesländern sind Bayern mit .bayern, Berlin mit .berlin, Hamburg mit .hamburg, Nordrhein-Westfalen mit .nrw und das Saarland mit .saarland vertreten. Als einzige deutsche Stadt neben Berlin tritt Köln an, gleich sowohl mit .koeln, als auch mit .cologne.
Das Bewerbungsverfahren begann am 12. Januar 2012. Bis Ende des Jahres prüft die ICANN nun die Anträge und muss vor allem über konkurrierende Bewerbungen entscheiden. Frühestens 2013 werden die ersten neuen Top Level Domains im Netz sein.
1998 wurde die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), mit Sitz in Kalifornien, von einem Zusammenschluss verschiedener Interessenverbände gegründet. Die privatrechtliche aber nicht-kommerzielle Organisation verwaltet die Top Level Domains, entscheidet über Erweiterungen und technische Änderungen - sie wird daher auch manchmal als "Internet-Regierung" bezeichnet. Das Board of Directors der ICANN besteht aus 21 Mitgliedern aus aller Welt. Bekannte deutsche Mitglieder waren unter anderem Helmut Schink (Siemens AG), Andy Müller-Maguhn (Stellvertretender Vorsitzender des Chaos Computer Club Berlin e. V.) und Hagen Hultzsch (ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom AG).
Bei konkurrierenden Bewerbungen haben Markeninhaber Vorrang. Allerdings könnte es trotzdem zu Streitfällen kommen sein, beispielsweise wenn sich um .bounty der Schokoriegelhersteller und der Küchenrollenproduzent bewerben. Können sich beide nicht auf eine gemeinsame Nutzung einigen, kommt es zu einer Auktion.
Als weiterer Schutzmechanismus soll ein Trademark Clearinghouse eingerichtet werden – bei diesem Zentralregister können Marken registriert werden. Das genaue Prozedere ist jedoch noch unklar.
Allein die Bewerbungsgebühr bei der Icann beträgt 185.000 Dollar. Zudem sind die technischen und juristischen Anforderungen hoch: Jeder der eine der neuen Topleveldomains betreibt, hat ähnliche Rechte und Pflichten, wie die DENIC, die jetzt die .de-Adressen verwaltet. Daher können sich auch keine Privatpersonen bei der ICANN für die neuen Endungen bewerben, sondern nur Firmen und Organisationen, die bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu gehört ein Nachweis der technischen Befähigung. Experten schätzen den Aufwand im ersten Jahr auf mindestens 500.000 eher eine Million Euro.
Schon jetzt kann man sich Domains mit den neuen Adressen reservieren, teils direkt bei den Bewerberinitiativen, teils bei den üblichen Registraren die auch bisherige Adressen vermitteln. Die Kosten dürften später ähnlich wie bei bisherigen Domains liegen: Von zweistelligen Eurobeträgen für normale, wenig gefragte Adressen bis zu sechs- und siebenstelligen Summen bei besonders attraktiven Begriffen.
Befürworter hoffen auf neue Marketingmöglichkeiten und ein besseres Ranking in Suchmaschinen, wenn die gefragten Begriffe Teil der Domain sind. Zudem steigt die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten und neuer, noch freier Domains immens. Die große Frage ist jedoch, ob und welche TLD sich durchsetzen. Denn einerseits lassen sich sehr eindeutige und attraktive Adressen bilden, andererseits wird das Netz dadurch viel unübersichtlicher. Entscheidend für den Erfolg wird es sein, ob und wie große Unternehmen die Adressen nutzen und vermarkten.
Bis die neuen Endungen im Netz auftauchen wird es jedoch noch mindestens ein Jahr dauern. Ab Juli prüft die ICANN die ersten Anträge. So dürfen die Bewerber keine Markenrechte verletzten und müssen bestimmte technische Anforderungen erfüllen. Andere Markeninhaber können in den kommenden sieben Monaten Einspruch anmelden. Ab Dezember will die Organisation erste Ergebnisse veröffentlichen.
Streit um .movie, .music oder .tire
Bei den meisten Anträgen handelt es sich um eingetragene Marken, die den Inhabern zugesprochen werden dürften. Doch eine ganze Reihe anderer attraktiver Endungen sind heftig umkämpft. So haben sich allein sieben Interessenten um die Endung .app beworben, auch für .home, .inc, .movie oder .art gibt es mehrere Interessenten.
In einigen Fällen dürfte es noch hochspannend werden, wer letztlich die begehrten Endungen erhält. Für .tire (Englisch für Reifen) haben sich beispielsweise die beiden Reifenhersteller Goodyear und Bridgestone beworben.
Bei solchen Streitfällen wird eine wichtige Rolle spielen, wem die Markenrechte an umstrittenen Begriffen gehören. Doch es drohen auch juristische Streitfälle. So haben sich beispielsweise der deutsche und der amerikanische Pharmakonzern Merck um die gleichnamige Endung beworben. Sollte kein Bewerber aufgrund bestehender Markenrechte den Vorzug erhalten oder sich beide Parteien auf eine gemeinsame Nutzung verständigen, könnte am Ende eine Auktion darüber entscheiden, wer den Zuschlag erhält.
Die neuen Adressen sind auch so ein teures Vergnügen. Allein pro Bewerbung war eine Gebühr von 185.000 Dollar fällig. Dazu kommen nach Schätzungen des deutschen Branchenverbands Bitkom Projektentwicklungskosten von bis zu 500.000 Euro und jährliche Betriebskosten von bis zu 200.000 Euro. „Eine Million Euro im ersten Jahr muss man mindestens kalkulieren“, sagt Thorsten Troge, Markenrechtler bei der Anwaltskanzlei TaylorWessing.
Amazons und Google streiten um attraktive Endungen
Einer der eifrigsten Bewerber ist der Online-Riese Amazon. Das Unternehmen bewirbt sich um gleich 77 Endungen, darunter das umkämpfte .app aber auch so populäre Begriffe wie .book, .news, .movie oder .music. Auch .search oder .drive gehören zu Amazons Anträgen und könnten auf Ambitionen in neuen Geschäftsfeldern hindeuten. Um die Endung .mail buhlt Amazon auch mit einem deutschen Interessenten: Die 1&1 GmbH, unter anderem bekannt für den beliebten E-Maildienst web.de
Google hat über die Firma Charleston Road Registry sogar 101 Bewerbungen eingereicht und interessiert sich dabei oft für die gleichen Begriffe, wie Amazon. So haben beide Anträge auf die Endungen .app, .book, .cloud, .game , .map, .music und .shop gestellt - da diese zu den attraktivsten Top Level Domains gehören ist ein Konflikt programmiert. Ähnlich sieht es bei .docs aus, um diese Endung streitet Google mit Microsoft.
Manche Anträge von Google sind durchaus überraschend. So hat es das Unternehmen auch auf die Endungen .baby, .dad, .dog oder .family abgesehen. Auch Kürzel wie .fyi (for your interest), .lol (loughing out loud) oder .wow stehen auf der Liste.
Und auch aus deutscher Sicht sind die Ambitionen des Suchmaschinenkonzerns interessant, denn Google hat sich auch für das urdeutsche .gmbh beworben. Dieses Kürzel könnte künftig für manche Unternehmen interessant werden - kein Wunder, dass gleich sechs Bewerber um die Domain streiten. Google kommt dabei vor allem der TLDDOT Gmbh aus Berlin in die Quere, die ebenfalls die .gmbh-Adressen betreiben will.