Topraks Technik Talk

Googles unaufhaltsamer Abstieg

Die Übermacht der Suchmaschine wird heftig kritisiert. Dabei hat Google seine besten Zeiten schon hinter sich. Das behauptet zumindest wiwo.de-Autor Mehmet Toprak. Doch Plan B der Google-Strategen ist bereits angelaufen - und vielleicht noch gefährlicher.

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Street-View: Google-Auto filmt Quelle: dpa

Über Google hat man in den letzten Monaten viel Böses gehört. Google beherrscht den Suchmaschinenmarkt. Google sammelt Nutzerdaten. Google digitalisiert ungefragt Bücher. Und im Projekt Street View fahren Google-Autos durch die Städte, um alles zu fotografieren und dem digitalen Speicher des Informations-Giganten einzuverleiben. Eine Frechheit. Die Kritik daran ist berechtigt. Auf der anderen Seite gibt es aber Anzeichen, dass die Dominanz von Google langsam aber sicher zu Ende geht.

Für diese These sprechen vier Trends.

Trend 1: Weniger Suchanfragen

Die erste Phase der Internet-Nutzung in den 90er-Jahren war durch das Surfen gekennzeichnet. Die Anwender ließen über die Hyperlinks ziellos von Seite zu Seite tragen. Die zweite Phase war durch das Suchen im World Wide Web bestimmt. Die Anwender gehen gezielt auf bestimmte Seiten oder suchen gezielt nach Informationen. Dazu brauchen sie eine Suchmaschine. Inzwischen beginnt eine neue Phase. Die meisten haben ihre Lieblings-Websites als Favoriten gespeichert, und neue Websites werden verstärkt über soziale Netzwerke wie Facebook ausgetauscht. Vor allem die sozialen Netzwerke mit ihrer Fähigkeit, Menschen und Informationen zu verknüpfen, ersetzen die ein oder andere Suchanfrage.

Trend 2: Webseiten werden von Google unabhängig

Viele Internet-Anbieter sind völlig von Google abhängig. Ohne eine Top-Platzierung bei den Trefferlisten können sie ihren Laden gleich zumachen. Auch bei der Werbung, mit der viele ihr kostenloses Web-Angebot finanzieren, läuft nichts ohne die Suchmaschine. Bisher galt, einfach gesagt: Je mehr Klicks eine Seite bekommt, desto mehr Werbung. Deshalb war eine gute Platzierung bei den Trefferlisten extrem wichtig. Das ändert sich zurzeit spürbar. Inzwischen ist die mithilfe von Google erzielte Reichweite nicht mehr das Hauptkriterium. Immer wichtiger werden die Qualität des Web-Angebots, die Zielgruppe und die Verweildauer, also wie lange sich jemand auf einer Seite aufhält. Dafür benötigt man aber kein gutes Suchmaschinen-Ranking. Die Finanzkrise tut ein Übriges, dieses Google-zentrische Geschäftsmodell aufzubrechen. Bei den Werbekunden sitzt das Geld nicht mehr so locker. Es wird weniger Werbung geschaltet und die Betreiber von Webseiten suchen nach neuen Wegen, bei denen die Suchmaschine nicht mehr unbedingt die Hauptrolle spielen muss.

Auch im Geschäftsleben tragen Netzwerke wie Xing dazu bei, dass man Informationen, Webseiten oder Geschäftspartner findet, für man sonst eine Suchmaschine bemühen müsste. Möglicherweise sind Xing, Facebook und MySpace eine größere Konkurrenz für Google als alternative Suchmaschinenanbieter wie Metager.

Trend 3: Der Algorithmus wird alt

Ein Grund für den Erfolg von Google ist die Leistungsfähigkeit des Algorithmus, mit dem die Suchmaschine arbeitet. Google ist einfach besser als die anderen. Doch es gibt Entwickler, die an neuen Konzepten arbeiten. Beispielsweise die Wissensmaschine "knowledge engine" Wolfram Alpha oder themenorientierte Suchmaschinen wie die Business-Suchmaschine Newssift. Die spielen jetzt natürlich noch keine Rolle. Aber der Tag kommt, an dem Google nicht mehr gut genug ist. Natürlich wissen das auch die Entwickler und Strategen in der Konzernzentrale. Klar, dass auch sie schon seit langem an der Weiterentwicklung ihrer Technik arbeiten und Ideen wie die semantische Suche realisieren wollen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie beim nächsten technischen Quantensprung wieder so ein Ding aus dem Hut zaubern können wie den jetzt so erfolgreichen Algorithmus.

Der Zwang zur Kontinuität in einem Riesenunternehmen macht es schwer, etwas wirklich Neues auf die Beine zu stellen. Je größer das Produkt-Portfolio und die Kundenbasis, desto unbeweglicher wird ein Unternehmen. Das kann man gut an Microsoft sehen. So hat Windows sich in den letzten 15 Jahren immer sehr kontinuierlich weiterentwickelt, ein völlig neues Betriebssystem-Konzept ist bis heute nicht in Sicht. Das Gewicht von einigen hundert Millionen Anwendern lässt wenig Spielraum für kreative Neuerungen. Google wird es da ähnlich gehen.

Trend 4: Googeln wird uncool

Google: Cool wie ein Pentium Quelle: AP

Vor einigen Jahren waren die schlichte Eingabezeile und die leere weiße Startseite von Google die coole Alternative zu den optisch überladenen Seiten von Yahoo und MSN. Und dann war noch die witzig-einprägsame Wortschöpfung "Google". Diese Zeiten sind vorbei. Heute sind wir längst an Google gewöhnt, und bei vielen setzt der Überdruss ein. Es gibt kaum einen Bereich, der so stark von der ständigen Sehnsucht nach Neuem geprägt ist wie die Technik. Das wird auch Google demnächst zu spüren bekommen. Bald wird die Suchmaschine so altbacken und konventionell wirken wie heute ein Pentium-PC mit Windows 98. Und das kostet letztlich Kunden.

Hinzu kommt, dass die überwältigende Dominanz von Google dem Image des Unternehmens geschadet hat. Der Name, der früher eine magnetische Anziehungskraft auf Internet-Surfer hatte, steht heute für das Bild eines undurchsichtigen IT-Riesen, dem man auf die Finger kucken muss. Jeder neue Service, jedes neue Projekt wird mit Misstrauen beäugt und in kritischen Presseberichten analysiert. Auch hier geht Google den Weg, den Microsoft gegangen ist. Monopole fordern immer den Widerstand heraus, und das ist auch gut so.

Plan B aus Mountain View

Diese Trends bilden zusammen einen schleichenden Prozess, der früher oder später die Macht von Google schwächen wird. Ein flotter Spruch wie "Google ist tot, die wissen es nur noch nicht", wäre aber trotzdem nicht angebracht. In der Konzernzentrale weiß man sicherlich sehr genau, dass die Suchmaschinen-Technologie den Höhepunkt des Erfolgs erreicht oder bereits überschritten hat. Genau das ist dann wohl auch der Grund für Plan B, die gigantische Digitalisierungs-Initiative, bei der Bücher, die Erdoberfläche, der Meeresgrund und alle Straßen dieser Welt komplett gescannt, fotografiert, und gespeichert werden sollen. Irgendwann könnten dann auch Filme hinzu kommen, Youtube gehört ja schon zu Google. Ein Privatunternehmen aus Mountain View in Kalifornien als Hüter der Weltkultur - eine düstere Aussicht. Dies ist ein Projekt, das in die Hände von Regierungen gehört und nicht in die eines börsennotierten Unternehmens.

Für Google ist dieses Zukunftsprojekt die zweite Chance, einen Markt zu erobern und zu beherrschen. Für alle anderen ist es die zweite Chance, ein gefährliches Monopol in der Informationsgesellschaft zu verhindern …

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