
Als Andreas Flemm seinen Sohn Theo endlich findet, kauert der Elfjährige auf der Bank einer Bushaltestelle, das Smartphone in der Hand, die Wangen ganz rot vom Weinen. Theo hatte nicht aufgepasst – und war in den falschen Bus gestiegen. Alles war fremd, die Häuser, die Straßen. Der Junge bekam Panik. Vater Flemm saß daheim, als sein Mobiltelefon bimmelte und auf dem Display stand „Theo braucht Hilfe“, dazu eine Karte mit dessen Standort. Flemm setzte sich ins Auto und fuhr hin. „Ohne diese Meldung hätte ich nicht gewusst, wo er ist“, sagt der 41-Jährige.
Möglich macht all das die App Familonet, die die Familie aus Wien seit rund zwei Jahren nutzt. Die Anwendung kann noch mehr: Betritt oder verlässt Theo die Schule oder sein Zuhause, benachrichtigt der Dienst automatisch die Eltern. „Wir fühlen uns so nicht nur sicherer“, sagt Flemm. „Wir können auch besser organisieren, wer einkaufen fährt und wer Theo von der Schule abholt.“
Das können Eltern tun
Viele moderne Handys, etwa von Samsung oder Microsoft, haben einen Kindermodus. Der begrenzt Zugriffe auf Apps und Web-Seiten. Programme wie Kido’z oder Kids Place rüsten das für Android-Handys nach.
Viele Router sperren Web-Seiten über Filter; etwa mit dem der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Auch Dienste wie OpenDNS oder Kinderserver leisten das. Wichtig: Router mit Passwort sichern.
Jede Sperre lässt sich umgehen. Daher im Gespräch mit dem Kind bleiben, wo es surft.
Was sich für so manchen in Deutschland noch exotisch anhört, ist in vielen Ländern längst Alltag: den Nachwuchs mit Apps aus der Ferne zu überwachen. Nicht nur in der realen Welt, sondern auch in der virtuellen: Mit wem chattet mein Kind gerade? Was stellt es auf Facebook an? Auf welchen Internet-Seiten treibt es sich herum? Viele der Anbieter gerade in den USA appellieren letztlich immer an den Urinstinkt der Eltern, ihre Kinder vor Gefahren beschützen zu wollen. Südkorea hat das jüngst auf die Spitze getrieben und schreibt die Totalüberwachung des Nachwuchs sogar per Verordnung vor. Ein Ansatz der hierzulande unter Juristen, Datenschützern und Pädagogen umstritten ist. Doch Nachfrage existiert auch in Deutschland – und das Angebot ist mittlerweile vielfältig.

Für die Entwickler ist der Markt enorm attraktiv. So schätzen die Analysten der schwedischen Marktforschung Berg Insight, dass allein in diesem Jahr rund 55 Millionen Menschen in Europa und Nordamerika Tracking-Apps nutzen werden, in fünf Jahren sollen es schon 82 Millionen sein. Der deutsche Familonet-Dienst ist nur ein Anbieter unter vielen, die deutschen Mamas und Papas die Dauerüberwachung des Nachwuchses ermöglichen – und hat dennoch mehr als 500.000 Nutzer. Das Hamburger Start-up vertreibt den Dienst seit knapp zwei Jahren. Mittlerweile ist er in zehn Sprachen verfügbar. In den USA heißen ähnliche Dienste Little Nanny oder Life360.
Die wichtigste Voraussetzung für die Überwachung des Kindes – das Smartphone – steckt selbst bei den Kleinsten in der Tasche. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest schätzt, dass mehr als 90 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein Handy mit Netzzugang haben. Bei den Jüngeren nutzt jedes zweite Kind zwischen zehn und elf Jahren zumindest ab und zu ein Smartphone, so der Digitalverband Bitkom, bei den acht- bis neunjährigen jedes vierte.