Unternehmenskommunikation "Die Presseverhinderer werden aussterben"

Kommunikation ist gerade in "hysterischer Krisen-Zeit" für Unternehmen eine strategische Aufgabe. Professionelle Hilfe scheint daher ratsam. Welchen Herausforderungen sehen sich Mittelständler in der Kommunikation gegenüber? Dazu mit Peter Engel, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Agentur Engel & Zimmermann.

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Quelle: Pressebild Quelle: handelsblatt.com

Handelsblatt: Herr Engel, der deutsche Mittelstand ist Teil der globalen Ökonomie geworden. Hat sich die Kommunikation der Unternehmen entsprechend modernisiert?

Peter Engel: Die Presseverhinderer sterben aus, wir beobachten schon seit Jahren, dass die Unternehmen gemerkt haben, dass sie in der Gesellschaft ankommen müssen.

Was meinen Sie damit konkret?

Früher ging es in der Öffentlichkeitsarbeit von Familienunternehmen einzig um die Themen Produkt, Markt, Standort. Diese beschränkte Kommunikation kann sich heute keine Firma mehr leisten, auch und gerade die nicht, die in Familienbesitz sind.

Mit Verlaub, die Bereitschaft, auch einmal negative Meldungen zu kommunizieren, hält sich doch gerade in Familienunternehmen in engen Grenzen ...

Die Mentalität: "Wenn Sie etwas Schlechtes schreiben, reden wir nicht mehr mit Ihnen", die gibt es meiner Beobachtung nach viel seltener als früher. Aber natürlich gibt es die Sorge, in die Skandalisierungsfalle zu geraten.

HB: Können Sie das konkretisieren?

Mein erster ganz großer Fall war, da hatte ich mich kaum selbstständig gemacht, der Glykol-Skandal, Sie wissen schon, die Weinpanscher. Seither hat sich die Geschwindigkeit, mit der Kommunikationskrisen ablaufen, vervielfacht. Und natürlich ist auch die Welle, die gemacht wird, nicht zuletzt mit dem Internet, gewachsen. Wenn ich mir so manchen Skandal der letzten Monate ansehe, dann finde ich schon, dass wir in einer hysterischen Zeit leben, insofern habe ich auch Verständnis für die prinzipielle Zurückhaltung vieler Unternehmen. Da ist einfach sehr schnell Angst im Spiel.

Sie haben hysterisch gesagt. Das ist aber nicht mehr weit vom Wahnsinn entfernt?

Oh ja, ich erinnere an die Vogelgrippe. Da las ich von der Todesinsel Rügen, weil dort ein paar Schwäne verendet sind. Und als bald darauf eine Katze starb, war es die Apokalypse. Heute ist es die Schweinegrippe. Ich finde, wir nähern uns einem krankhaften Zustand, wenn wir angesichts wirklich gravierender Probleme auf dieser Welt bei uns aus jeder Mücke jeden Tag einen Elefanten machen wollen.

Haben Sie noch Beispiele?

Nehmen Sie das Uran im Trinkwasser, das war eine Scheindebatte. So geht das seit Jahren, es gibt die Sommerlochskandale und die Winterlochskandale, und immer sind dieselben Leute unterwegs, zu immer denselben Zwecken.

Wen haben Sie im Auge?

Ich meine die Organisationen, die unter dem Mäntelchen des Gutmenschentums längst zu politischen Kampforganisationen geworden sind, die mit ihren Themen vor allem eins bezwecken: mittels Spendeneinnahmen ihren eigenen Apparat zu finanzieren.

Was ist gerade in Mode?

Da könnte ich Ihnen den Skandal um die Tierhaltung im Zirkus anbieten. Da machen Tierschützer eine Riesenwelle im Augenblick, an jedem Standort des Zirkus Krone machen die derzeit mobil. Oder nehmen Sie die beliebte Kampagne von Greenpeace gegen Pestizide in Obst und Gemüse.

Steckt denn nicht ein legitimes Aufklärungsbedürfnis dahinter?

Wissen Sie, ich habe 30 Jahre lang für Greenpeace gespendet, aber ich habe kein Verständnis mehr dafür, wenn Strafanzeigen als PR-Instrument systematisch missbraucht werden. Greenpeace hat im Rahmen der alljährlichen Pestizid-Kampagne gegen fast alle Handelsketten Anzeige erstattet, mir ist nicht bekannt, dass dies zu irgendeinem Ergebnis geführt hätte.

Warum wehren sich die Unternehmen nicht dagegen?

Das müssen Sie die Unternehmer selbst fragen. Ich finde, das hat auch etwas mit Feigheit vor dem Feind zu tun.

Was raten Sie im Fall einer Greenpeace-Attacke?

Auf keinen Fall dürfen sie solche Attacken aussitzen wollen. Es kommt mehr denn je darauf an, sein Unternehmen zu erklären.

Aber der Laden, den keiner kennt, steht gegen Foodwatch und andere auf verlorenem Posten ...

Kommunikation ist eine zutiefst strategische Aufgabe, auch für Mittelständler. Es geht dabei vor allem darum, sich auf die unterschiedlichen Akteure einzulassen, auf die Politik, national wie regional, auf die Medien, aber auch auf die Wissenschaft. Wenn Sie hier wichtige Akteure auf Ihrer Seite haben, dann haben Sie schon viel gewonnen.

Überfordern Sie damit nicht die Kapazität der Unternehmen?

Ob die Firmen das selbst machen oder die Aufgabe delegieren, ist zunächst gar nicht so wichtig. Es kommt vor allem darauf an, dass der Unternehmer selbst Kommunikation als zentrale Aufgabe begreift und dann authentisch sich selbst und sein Unternehmen darstellt. Entscheidend ist, dass es die Firmen schaffen, ein im Kern positives Umfeld für Berichterstattung herzustellen, Vertrauensarbeit zu leisten, wenn Sie so wollen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Natürlich, Coppenrath & Wiese, Dezember 2003: Ein Mädchen stirbt, nachdem es ein Stück Torte gegessen hat. Da durften wir das ganze Programm durchmachen, eine gewaltige Skandalisierungswelle inklusive einer Umweltministerin aus Düsseldorf, die das Wort Salmonellen in den Mund nahm. Doch das Unternehmen hatte vorgesorgt und bei denen, die man heute bei Ihnen wohl Stakeholder nennt, Vertrauensarbeit geleistet. Von Mitarbeitern, Lokalpolitikern, ja selbst Landesministern haben Sie kein böses Wort gehört. Nach acht Tagen war die Krise unter Kontrolle, an den Vorwürfen war natürlich auch nichts dran.

Worauf kommt es entscheidend an, wenn es brennt?

Wenn der Kommunikator und der Jurist nervös werden, dann können Sie gleich aufhören. Und entscheidend ist auch, mit einer Stimme zu sprechen. Notfalls muss das wirklich eine einzige Person sein, die kommuniziert.

Gibt es ein Patentrezept?

Das mögen die vorgaukeln, die mit Handbüchern gegen die Krise und standardisierten Ablaufplänen auf Kundenfang gehen. Jede Krise ist anders, jeder Skandal hat seine eigene Dynamik, seine eigenen Akteure oder Profiteure. Meiner Ansicht nach kommt es vor allem auf das an, was ich Situationsintelligenz nenne.

Neuerdings drängen auch international aktive Kommunikationsberater ins Geschäft mit dem Mittelstand. Haben Sie Angst davor?

Ich glaube, die meisten Unternehmer fürchten eher, dass sie es mit Türöffnern für Private Equity zu tun bekommen. Ich empfehle den Firmen, auf die jeweiligen Stärken ihrer Berater zu achten: So käme ich nie auf die Idee, als Kommunikator für ein IPO ins Rennen zu gehen. Aber meine Erfahrung lehrt auch, dass Mittelständler am liebsten mit Leuten arbeiten, die ihre Sprache sprechen.

Potenziert sich mit dem Internet der Bedarf an professioneller Kommunikation?

Das Internet ist eine gewaltige Herausforderung, gerade in der Krise kann es wie ein Brandbeschleuniger wirken. Es ist schnell, es ist schrill, heute kann doch jeder Depp weltweit etwas behaupten, ohne für die Konsequenzen geradestehen zu müssen.

Haben Sie Deppen im Sinn?

Ich werde keine Namen nennen.

Wie kann man sich gegen sie wappnen?

Da gilt mein Rezept noch viel mehr: Die Unternehmen müssen ihr kommunikatives Umfeld pflegen, beackern. Denn es ist klar, ohne das Bewusstsein, dass ihre Gegner überall auf der Welt oder im Netz sitzen können, haben sie die Schlacht um die Glaubwürdigkeit von vornherein verloren.

Das klingt ungemütlich.

Das ist ungemütlich. Wenn Sie mit Ihrem Produkt ein Problem haben, in Ihren ökonomischen Verhältnissen etwas nicht stimmt oder es am Umweltbewusstsein hapert, seien Sie sicher, der Informant ist schon da.

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