




Wagniskapitalblasen und große Erdbeben haben mehr gemein, als man glauben könnte: Wann sie platzen oder wann sie sich entladen, wo genau und wie heftig, das weiß niemand. Nur die erschütternde Wirkung ihrer Kräfte steht fest.
Gerade jetzt ist der Chor der Frühwarner im Silicon Valley wieder besonders laut. Denn etwa alle sieben Jahre beben hier die Start-ups. Das bislang letzte Durchschütteln war 2008, die letzte, ganz große Erschütterung – das Platzen der Dotcom-Blase – ist bereits 14 Jahre her. Pro Monat fließen in den USA rund vier Milliarden Dollar in Wagniskapital, der höchste Wert seit 2000.
Die Zahl sogenannter „Einhörner“, Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind, ist mit etwa 50 so hoch wie nie. Es gibt sogar schon Super-Einhörner wie den Taxivermittler Uber oder die Bettenbörse Airbnb, deren Wert angeblich die Zehn-Milliarden-Dollar-Grenze überschritten hat. Auch der tägliche Verkehrsinfarkt im Silicon Valley und heftige Bietergefechte um talentierte Programmierer und Manager sind bewährte Signale einer Überhitzung.
Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass sich die Party dem Ende entgegenneigt. Neu ist, dass diesmal kein Notenbankchef wie einst Alan Greenspan das Treiben anprangert, sondern die Wagniskapitalgeber selber.
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Im „Wall Street Journal“ klagte Bill Gurley, Geschäftsführer des Risikokapitalverwalters Benchmark Capital, dass wie 1999 wieder Unmengen von Kapital in Start-ups flössen. Die Zahl der Jungunternehmen, die kein Geld verdienen, so Gurley, sei auf einem neuen Höchststand.
Selbst schuld am Übel
Dem Nestbeschmutzer sprang niemand Geringeres als Marc Andreessen zur Seite. Via Twitter warnte der Internet-Pionier vor zu hohen Bewertungen und der Verschwendung von Kapital. Unter frostigen Marktbedingungen, orakelte er, würden allzu freigiebige Start-ups nicht überleben. Dass gerade Andreessen und Gurley die aktuellen Zustände kritisieren, hat eine gewisse Ironie. Als derzeit prominentester Wagniskapitalgeber des Silicon Valley hat Andreessen die astronomischen Bewertungen über den von ihm gegründeten Kapitalverwalter Andreessen Horowitz mit verursacht.
Gurleys Arbeitgeber Benchmark ist einer der wichtigsten Investoren des Fahrdiensts Uber, der jüngst die Rekordsumme von 1,2 Milliarden Dollar einsammelte. Damit hat Uber die derzeit aggressivste Materialschlacht des Silicon Valley entfesselt – den Kampf mit dem Konkurrenten Lyft. An dem ist Andreessen maßgeblich beteiligt. Gurley hat zudem als Geldgeber von Instagram und Snapchat Erfahrung mit Start-ups ohne Geschäftsmodell. Zumindest Instagram hat er an Facebook verkaufen können, wobei auch Mitinvestor Andreessen profitierte.
Beide Investoren eint der Ärger über das aus ihrer Sicht „dumme Kapital“ von Hedgefonds und Pensionskassen, das aus Mangel an Anlagealternativen zunehmend in Start-ups strömt – und so Preise, Bieterkonkurrenz und Risiko für etablierte Wagniskapitalgeber erhöht.
Verglichen mit 2000 ist trotzdem noch Raum. Damals flossen 101 Milliarden Dolllar in Start-ups, was inflationsbereinigt heute rund 135 Milliarden Dollar wären. Für 2014 werden 50 Milliarden Dollar Wagniskapital erwartet. Zudem ist das Gros der finanzierten Start-ups noch nicht an der Börse. Wenn dort die Luft entweicht, dann wohl ohne großen Knall. Eher könnte die Angst der Investoren börsennotierte und hochbewertete Unternehmen treffen, wie etwa Tesla Motors, Amazon, Facebook oder Twitter. Denen dann wiederum das Geld fehlt, um überbewertete Start-ups aufzukaufen.
Wie es genau kommt, lässt sich nicht voraussagen. Auch das haben Blasen und Erdbeben gemein – kein Kollaps gleicht dem anderen.