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Valley Talk

Drinks vorbeischicken

Matthias Hohensee Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Matthias Hohensee Korrespondent (Silicon Valley)

Die Kasinos ins Las Vegas hoffen auf neue Klientel – durch Facebook, Twitter und Foursquare. Von Matthias Hohensee

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Matthias Hohensee: Wird das Geld für neue Ideen und Produkte knapp? Quelle: Gabor Ekecs für WirtschaftsWoche

Für Gary Loveman, den ehemaligen Ökonomieprofessor an der Harvard Business School, ist die Wirtschaft tatsächlich ein Kasino. Er ist einer der wenigen Spitzenwissenschaftler seiner Disziplin, die ihre Theorien persönlich in der Praxis testen können. Das macht er seit zehn Jahren als Chef des Kasinobetreibers Caesars Entertainment. Seither hat er das von ihm geführte Unternehmen durch Zukäufe zum größten Kasinobetreiber der Welt gemacht.

Loveman vertritt die These, man könne so ziemlich alles messen und analysieren, daraus Angebote entwickeln und die wieder testen. Eine Tages-Flatrate für alle Buffets der Caesars-Kasinos in Las Vegas etwa: Seine Daten verraten, dass nach der Völlerei mehr gespielt wird. „Ich weiß nicht, wie sich das auf Amerikas Übergewichtigkeit auswirkt, aber es ist gut für unser Geschäft“, flachst der Kasino-Ökonom.

Und während noch heiß debattiert wird, wie relevant Social-Media-Werkzeuge wie Twitter oder Facebook tatsächlich für Unternehmen sind, ist Loveman bereits ein überzeugter Anhänger. „Je mehr wir über die Interessen unserer Kunden wissen, desto besser“, sagt der Caesars-Chef. Sein größter Stolz sind die 44 Millionen Kundenkarten seiner Spieler und Hotelgäste. Immer wenn die golden schimmernden Total-Rewards-Plastikkarten in einen Spielautomaten gesteckt oder an der Kasse am Bufet durchgezogen werden, erfährt Loveman etwas mehr über seine Klienten.

Die Software, um diesen Datenschatz mit zusätzlichen Informationen aus Facebook, Twitter oder Foursquare zu untermauern, wird gerade entwickelt. Mit ihr könnte Loveman feststellen, ob sich ein besonders wertvoller Kunde gerade in einem konkurrierenden Kasino eincheckt und ihn mit einem Spezialangebot ins eigene Etablissement lotsen. Oder aber ermitteln, wer seine spielfreudigen Freunde regelmäßig zu Besuchen nach Las Vegas animiert und deshalb ebenfalls umworben werden sollte.

Normalerweise plaudern Kasinobetreiber nicht aus dem Nähkästchen. Doch auf einer Konferenz des Analysesoftwareanbieters SAS Institute in Las Vegas machten sie jüngst eine Ausnahme. Das Unternehmen liefert die Werkzeuge, um aus Millionen von Datensätzen Trends herauszufiltern.

Regierungen und Unternehmen nutzen SAS-Produkte, um mutmaßliche Terroristen oder – wie Netto in Deutschland – Kassierer zu analysieren. Aber niemand setzt ihre Formeln so konsequent ein, wie die Las-Vegas-Kasinos. Denn die Wirtschaftskrise in den USA hat ihrer Branche schwer zugesetzt. Jetzt geht es darum, die lukrativsten Spieler zu identifizieren. Mit Softwarehilfe können die Kasinos schon vor deren Ankunft kalkulieren, wie viel diese ungefähr ausgeben werden, ob sich ein freies Hotelzimmer lohnt oder gar ein Gratisflug.

Software verrät sogar, welche Spielautomaten angeschafft und wie diese aufgestellt werden sollten. Rom Hendler, Chef für strategisches Marketing beim Caesars-Konkurrenten Sands, berichtet, dass seine Mitarbeiter schon oft an den Vorschlägen der Software zweifelten und die Automaten wieder umstellten. „Aber Tests ergaben dann, dass die Software recht hatte.“

Computer statt Cocktail

Auch Hendler hofft, seine Klienten per Social Media noch besser erreichen zu können. Heute wisse man, dass ein bestimmter Kunde beispielsweise in der Regel drei Stunden spielt und dann aufhört. Hendlers Traum ist, den Spieler 15 Minuten vorher – entweder am Spielautomaten oder über sein Handy – mittels Sonderangebot zum Weitermachen zu animieren. Bisher läuft das noch eher ungezielt: „Wir schicken einfach regelmäßig ein paar Drinks vorbei.“

Einen Aufschrei wegen der Nutzung von Daten aus dem Internet erwartet er nicht. Als die Kundenkarten Ende der Achtzigerjahre eingeführt wurden, hatte man Protest erwartet. Stattdessen wurden sie ein voller Erfolg. Da liegt nahe, dass begeisterte Spieler auch ihre Twitter- oder Facebook-Kennung freizügig herausrücken. Ein paar Gratisrunden an der Slot-Maschine als Bonus werden’s schon richten.

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