Vergleichsplattformen für Software Gibt’s vielleicht etwas Besseres als Zoom?

Tipps für ein anderes Computerprogramm im Arbeitsalltag gibt es reichlich. Nur welchen können Manager trauen?  Quelle: dpa

Unternehmen verzweifeln daran, die richtigen Computerprogramme für ihren Alltag auszuwählen. Plattformen wie OMR Reviews, Capterra oder G2 erleichtern den Prozess, indem sie Bewertungen bei denen einsammeln, die sie bereits nutzen. So wächst ein Millionenmarkt heran – samt neuer Marketingmöglichkeiten.

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Die Klasse ist zwar wichtig, aber mit der Masse lässt sich besser angeben: Capterra verweist stolz auf mehr als 1,5 Millionen Bewertungen, bei G2 sind es etwas über 1,4 Millionen, bei Trustradius immerhin noch 324.000 – und beim deutschen Klon OMR Reviews, der vor einem Jahr gestartet ist, sind es bereits mehr als 10.000. In Checklisten und Freitexten haben Nutzer ausführlich beschrieben, was sie von Software halten, die sie im Geschäftsalltag verwenden: Welches ist das beste Programm für das Projektmanagement? Welche Cloudlösung hilft dabei, Kundendaten zu verwalten? Und welche Alternativen zu Zoom gibt es für Videokonferenzen?

Eine Qual der Wahl. Knapp 30 Milliarden Euro geben Unternehmen allein in Deutschland jedes Jahr für Software aus, die sie für die alltägliche Arbeit brauchen. Laut einer Prognose des Marktforschungsinstituts Statista steigt diese Summe jedes Jahr um etwa zehn Prozent. Immer mehr unterschiedliche Programme kommen zum Einsatz und müssen von IT- oder Fachverantwortlichen ausgewählt und eingekauft werden. Dafür müssen sich die Mitarbeiter tief in die Themen eingraben, durch Reports von Analysten wie Gartner oder ICD wühlen – oder auf die Versprechen der Softwarefirmen verlassen.

Gerade Software-as-a-Service-Anbieter, die Zugänge zu ihren Lösungen per Monats- oder Jahreslizenz vergeben, stecken viel Geld ins Marketing, laden zu Events, veröffentlichen Studien – aber werden deutlich stiller, wenn es um konkrete Preise und Leistungsumfänge geht. „Die Anschaffung von Software ist teuer und hat meist extrem langfristige Konsequenzen für die Firmen. Gleichzeitig gibt es wenig Möglichkeiten, die Programme vor dem Kauf wirklich bewerten zu können“, sagt Philipp Westermeyer. Der Gründer der Marketingplattform OMR und einer großen Messe für die Digitalwirtschaft suchte in der Coronakrise nach zusätzlichen Einnahmequellen – und schob die eigene Vergleichsseite an.

Ehrliches Fazit statt Werbephrasen

Der Bedarf für eine unabhängige Beratung ist groß. Im Meer der Softwareanbieter können sich die Plattformen als hilfreiche Lotsen positionieren. Sie versprechen, unabhängige Erfahrungen von tatsächlichen Nutzern zu sammeln. Anstelle von Marketingphrasen ist zu lesen, was Anwender an einem Programm gut finden und was sie stört: „Zoom ist nicht mobile first und wenn man auf dem Handy an Videocalls teilnehmen möchte, ist es nicht ideal“, kritisiert etwa ein Marketingmanager den populären Videokonferenzdienst bei OMR Reviews. Verbraucher kennen den Wert solcher Bewertungen von Amazon oder anderen Einkaufsplattformen. Seiten wie Kununu oder Glassdoor sammeln die Aussagen von Angestellten und Bewerbern darüber, wie angenehm das Arbeitsklima in Unternehmen wirklich ist.

Bei der Software kommt dazu: Die Nutzer sind auf der Suche nach Lösungen. Und bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen, sobald sie sich entschieden haben. Dieses unmittelbare Kaufinteresse nutzen die Vergleichsplattformen aus – und lassen die Softwareanbieter zahlen. Bewertet werden können in der Regel zwar alle vorhandenen Programme. Doch die Hersteller müssen Premium-Zugänge kaufen, um mit neugierigen Nutzern direkt interagieren und auf Bewertungen reagieren zu können. Zudem sehen sie, bei welchen Konkurrenzprofilen interessierte Besucher noch vorbeischauten.

Und zum Teil lässt sich datenschutzkonform über die IP-Adresse erkennen, aus welchem Unternehmensnetzwerk gleich mehrere Interessenten kommen. „Dann können die Softwarefirmen ihre Vertriebsaktivitäten entsprechend ausrichten“, sagt Westermeyer. Die Vergleichsplattform, so das Versprechen, wird damit zum wichtigen Helfer bei der Kundenakquise. Andere Portale wie etwa Softwarecheck lassen Unternehmen die E-Mail-Adressen von Nutzern zukommen, die nach bestimmten Kategorien gesucht haben.

von Matthias Hohensee, Stefan Hajek, Annina Reimann, Martin Seiwert

Gutes Geschäft für die Vergleichsplattformen

All das eröffnet den Lotsendiensten einen millionenschweren Markt. Schon für 2021, das erste volle Geschäftsjahr, rechnet Westermeyer mit zwei bis drei Millionen Euro an Umsatz für die Plattform. Und hofft auf das Alleinstellungsmerkmal des deutschsprachigen Angebots: „Der große Wettbewerb findet in den USA statt, aber die haben den deutschen Markt nicht so sehr auf dem Schirm.“ Jenseits des Atlantiks sammelte G2 in diesem Juni gut 150 Millionen Dollar von Risikokapitalgebern ein und wurde mit einer Bewertung von 1,1 Milliarden Dollar zum Einhorn. Die Unübersichtlichkeit sorgt für ein gutes Geschäft: Die Komplexität beim Softwarekauf sei noch nie so hoch gewesen wie heute – und das Vertrauen der Nutzer in die Anbieter niedrig, jubelt der deutschstämmige G2-Mitgründer Godard Abel.

Pionier Capterra wurde bereits 2015 vom Marktforschungskonzern Gartner für mehr als 200 Millionen Dollar gekauft. Mit Get App, Software Advice und Gartner Peer Insights hat der börsennotierte US-Konzern gleich eine ganze Reihe an Marken aufgebaut. Die stehen eigentlich in Konkurrenz zum Kerngeschäft, bei dem professionelle Analysten die Software bewerten. Wie das alles zusammenpasst, verrät das Unternehmen aber nicht: Gartner wolle „keine Angaben über seine Strategie veröffentlichen“, heißt es auf eine Anfrage der WirtschaftsWoche.

Dabei ist klar: Die Vergleichsplattformen selbst müssen transparent sein, um ihr wichtigstes Gut nicht zu verspielen – das Vertrauen der Nutzer. „Wir müssen ehrlich bleiben und an die langfristige Verlässlichkeit denken“, sagt OMR-Gründer Westermeyer. Mal eben einen Kunden gegen einen Extra-Euro weiter vorne zu platzieren, ist gefährlich. Das Verbraucherportal Check24 wurde beispielsweise kürzlich von einem Gericht zurechtgewiesen, weil es in die Tarifübersicht bevorzugt zahlende Anbieter aufnahm. Gleichzeitig müssen die Plattformanbieter aufpassen, dass Konkurrenten nicht abfällige Kommentare übereinander platzieren. Insbesondere bei Spezialsoftware können einzelne Angaben erheblich Eindruck machen: Zu Zoom finden sich bei Capterra etwa fast 10.000 Bewertungen, zum aufstrebenden deutschen Start-up Celonis keine einzige.

Werben um die Bewertungen

Die eigentliche Wertschöpfung der Plattformen besteht also darin, Nutzer dazu zu motivieren, ausführliche Bewertungen zu formulieren. Nur dann schauen IT-Verantwortliche regelmäßig vorbei, nur dann bezahlen Softwarefirmen gerne für den Premiumzugang. Zur Transparenz gehört dabei, dass ersichtlich ist, aus welcher Quelle eine Bewertung stammt. Denn zum Teil motivieren die Softwareanbieter ihre Kunden bereits, eine Bewertung zu hinterlassen – und die ersten PR-Agenturen bieten sich bereits an, um Unternehmen beim Management der Kommentare behilflich zu sein.

Die Vergleichsseiten selbst loben regelmäßig Amazon-Gutscheine oder andere Geschenkkarten für regelmäßige Bewerter aus. Dazu kommen spielerische Elemente: OMR stellte in einem Frühjahr in einem Blog-Artikel die fleißigsten Nutzer vor und überzeugte auch Promis wie Fynn Kliemann oder Frank Thelen, einige von ihnen genutzte Programme in einem Video zu rezensieren.

Gründer Westermeyer beobachtet zudem bereits weitere Effekte: Einige IT-Dienstleister und Agenturen schreiben besonders eifrig Bewertungen – weil sie die Plattform als Marketinginstrument in eigener Sache nutzen wollen. Ihr Kalkül: Wer fachkundig über eine Spezialsoftware urteilt, fällt den suchenden Einkäufern als hilfreicher Experte ins Auge. Und kann auf einen Auftrag hoffen, wenn es dann um die Einführung des frisch gekauften Programms geht.

Mehr zum Thema: VW und Co. versuchen hektisch, eigene Betriebssysteme zu entwickeln. Denn die Silicon-Valley-Giganten sind schon deutlich weiter – und drohen bald auch die deutsche Autoindustrie zu beherrschen.

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