Viktor Mayer-Schönberger "Man könnte Daten rosten lassen"

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Facebook Quelle: Getty Images

Wie soll das Verfallsdatum aussehen? 

Immer wenn Sie einen Text, ein Bild oder ein Video speichern, werden Sie gebeten, neben dem Dateinamen auch ein Ablaufdatum anzugeben. Dieses Verfallsdatum wird als sogenannte Meta-Information mit der Datei gespeichert...

...ähnlich wie bei Fotos der Ort der Aufnahme in der Datei gespeichert werden.

Den Rest übernimmt der Computer: Er verwaltet Ablaufdaten und tilgt Dateien, deren Zeit abgelaufen ist. Das ist bei Filmen aus Online-Videotheken heute schon üblich.

Was passiert, wenn eine Datei eine zu kurze Lebenszeit bekommen hat? 

Es wäre kein großer Aufwand, eine Funktion zu integrieren, die den Besitzer rechtzeitig vor dem Verfall von Dateien informiert. Letztlich ist das nichts anderes, als den Kühlschrank nach abgelaufenen Lebensmitteln zu durchsuchen.

Vielen dürfte das schon Arbeit genug sein.

Ein kurzes Nachdenken, ein oder zwei Klicks – länger darf es nicht dauern, das Verfallsdatum einzustellen. Sonst wird die Idee nicht akzeptiert. Dabei könnte die Software mögliche Verfallsdaten zur Auswahl vorschlagen, beispielsweise 4 Wochen, 48 Monate oder 400 Jahre. Das würde sicherstellen, dass wir uns immer wieder mit der Tatsache auseinandersetzen, dass eine Information möglicherweise für immer im Netz zu finden ist.

Sie wollen also erzieherisch tätig werden.

Wenn Sie so wollen, ja. Übrigens gibt es solche Ansätze, den Verlust der Vergesslichkeit zu überwinden, längst.

Zum Beispiel? 

Bei Drop.io etwa, einer Netz-Plattform zum Tauschen von Fotos oder Dokumenten, können Kunden angeben, wie lange die Daten online bleiben sollen. Mit dem Programm Tigertext wiederum können Smartphones wie iPhone und Blackberry Nachrichten verschicken, die nach einiger Zeit verschwinden – im Gegensatz zur SMS. Evizone wiederum bietet Ähnliches für Unternehmen an.

Alles keine Top-Namen. Google und Amazon dagegen leben davon, möglichst viel über ihre Kunden zu wissen.

Ich hoffe, dass die Kunden mit ihren Füßen abstimmen und Angebote nutzen, die das digitale Vergessen erlauben. Aus Gesprächen weiß ich, dass eine solche Funktion sehr wohl Thema bei großen Suchmaschinen ist. Es mag allerdings sein, dass ein gesetzlicher Rahmen für ein Haltbarkeitsdatum notwendig ist.

Wie sollte sich Google ändern? 

Der Suchkonzern könnte zwei Buttons anbieten: „Suche und erinnere “ sowie „Suche und vergiss “. Wettbewerber Ask.com bietet etwas Ähnliches schon. Nutzer hätten dann die Kontrolle über intime Informationen: Beispielsweise können sie geheim halten, dass sie nächtelang zum Thema Depression recherchiert haben. Auch Autoren von Web-Seiten sollten Google sagen können, wie lange ihre Inhalte im Internet über Suchmaschinen zu finden sein sollen.

Mitunter sind auch E-Mails ein Problem, die zu lange am falschen Ort bleiben.

Programme wie Outlook von Microsoft oder Mail von Apple könnten mit einer Zusatzfunktion ausgestattet werden, die abgelaufene Mails aussortiert. Voraussetzung ist aber, dass alle Programme und Internet-Portale einen Standard unterstützen, der das ermöglicht.

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