
Vor ein paar Tagen habe ich mir die neueste Generation von Amazons Kindle-Lesegerät gekauft. Die Idee dabei war, eine Alternative zum vergleichsweise schwereren Apple-iPad zu haben - und bei schlappen 99 Euro Einstiegspreis hielten sich die Zweifel, ob ein Klick auf den "Bestellen"-Knopf später zu Käuferreue führen könnte, in Grenzen. Hinzu kam, dass ich mittlerweile über eine große Bibliothek an vor allem englischsprachigen Titeln für die Amazon-Buchplattform verfüge, die voll und ganz an die Hardware angepasst ist. (Das Angebot an deutschen Büchern wächst mittlerweile zum Glück ebenfalls stetig.)
Schön schnell
Und tatsächlich: Der Kindle 4 enttäuschte nicht. Während die erste Kindle-Version, die ich anno 2007 erstmals testen konnte, noch unter einer relativ schwerfällig bedienbaren Oberfläche litt und auch das Wechseln von Buchseiten hätte flotter gehen können, ist die aktuelle Version schön schnell. Nicht einmal eine Tastatur hat der Einstiegs-Kindle mehr - und trotzdem war etwa das Eintippen des WLAN- und Account-Passworts mittels Cursor-Steuerkreuz keine allzu große Qual. Auch das Selektieren von Passagen zum Nachschlagen im Wörterbuch klappt gut.
Einzig störend war der nutzerunfreundliche Abgleich mit der bestehenden Bibliothek: Entweder ich habe die passende Funktion nicht gefunden oder man muss tatsächlich bei jedem einzelne Buch, das im Kindle-Archiv liegt, den Download von Hand anstoßen.





Die Verarbeitung überzeugt
Der Kindle 4 ist ansonsten ein gefälliges Stück Hardware: Die Herstellungsqualität des mit 6 Zoll ausreichend kompakten Gerätes ist gut, nichts wackelt oder klappert. Die graue Umfassung wirkt geradezu edel - ebenso der leicht angeraute Rücken. Allerdings zieht letzterer Fingerabdrücke magisch an. Neben dem Steuerkreuz nutzt man vier weitere Knöpfe (Zurück, Tastatur, Menü und Home) sowie zwei Paar Blätter-Buttons an den Kanten (Vor- und Zurückknopf) zur Bedienung. Dann gibt es noch einen Einschaltknopf, der allerdings an der unteren Seite und damit eher unbequem platziert ist. Dafür kann man ihn schwerlich aus Versehen treffen.
Der Bildschirm mit elektronischer Tinte (E-Ink) ist besser als früher: Das Kontrastverhältnis wurde leicht optimiert. Trotzdem haben Buchseiten noch immer den Look grauer Paperbacks, wirklich weiß ist die Hintergrundfarbe nicht. Lesen lässt sich auf dem Kindle 4 trotzdem gut, weil das Display gestochen scharf ist. Zeichen können bis auf ein sehr großes Niveau gezoomt werden, Zeilenabstände und Zeichenzahl darf man einstellen und das Bild sogar ins Querformat drehen. Mit der Standardserifenschriftart des Kindle muss man allerdings leben, falls man nicht zum Bastler werden will. Alternativ gibt's allein eine (serifenlose) Helvetica, die sich für längere Lektüresitzungen kaum eignet.
Technische Defizite





Störend am Kindle 4 empfand ich vor allem die bauarttypische Tatsache, dass der Bildschirm unbeleuchtet ist. Das hat zwar den Vorteil, dass man im Gegensatz zu LC-Displays nicht den ganzen Tag lang in eine Neonröhre starrt, doch dafür muss dann die Umgebungsbeleuchtung stimmen. Wird es hier zu dunkel, ist bei dem sowieso schon eher mäßigen Kontrast die Lesbarkeit dahin. Entsprechend muss man sich überlegen, ob man für die abendliche Lektüre vielleicht eine Kindle-Leselampe kauft. So verrückt das klingt - Amazon bietet ein solches Teil in Form einer Lederhülle an. Das Kindle 4 Case kostet schlappe 54 Euro 99 (Grundgerät: 99 Euro!) und beinhaltet eine ausklappbare LED-Leuchte. Diese bestrahlt den ganzen, 6 Zoll großen Kindle allerdings nicht gleichmäßig, nach unten hin streut sie sichtbar. Hinzu kommt, dass die Hülle mit 159 Gramm nur 11 Gramm leichter ist als der Kindle 4 selbst. Da auch das Gesamtgewicht mit dann 329 Gramm noch erträglich bleibt, fällt das aber nicht sonderlich auf.
Zukunftsprognosen
Bleibt zum Schluss die Frage, ob der E-Ink-Kindle eine Zukunft hat. Als billiges Nur-Lese-Gerät könnte er lange überleben - tatsächlich hat die Baureihe auch in Europa viele Fans. Allerdings ersetzen Tablets, die deutlich mehr können, solche "One-Purpose"-Geräte immer mehr. Amazon selbst hat mit dem Kindle Fire in den USA eine 200 Dollar teure Billig-Flunder mit Farbbildschirm im Angebot.
Digitale Welt
Seine Daseinsberechtigung endgültig verlieren könnte der Schwarz-Weiß-Kindle bereits mit der Einführung der nächsten iPad-Generation. Sie soll, so heißt es jedenfalls aus der Gerüchteküche, eine Auflösung von 2048 mal 1536 Bildpunkten haben (aktuell: 1024 mal 768 Bildpunkte), was Apple als "Retina Display" vermarktet. Damit wäre der für Spiele und Videos geeignet Vollfarbbildschirm gestochen scharf. Würde dann noch das Gewicht - aktuell liegt es bei 601 Gramm für das WLAN-Modell - weiter sinken, wäre das iPad bei vielen Nutzern wohl schnell E-Book-Reader Nummer eins.
Und trotzdem: Die 99 Euro, die Amazon für den Kindle 4 aufruft, sind ein guter Preis für ein ausgereiftes Gerät, dessen Batterien ewig halten und das bei ordentlicher Beleuchtung viel Lesespaß verspricht.