Von Nullen und Einsen

Kreativsoftware aus der Wolke

Wurden einst vor allem Daten und eher schlichte Server-Dienste zu Cloud-Computing-Services ausgelagert, versucht es die Software-Industrie nun mit Anwendungen, die man sich früher noch auf Datenträgern kommen ließ. Das jüngste Beispiel ist der Design-Spezialist Adobe, der sein komplettes Hauptprogramm in eine "Creative Cloud" auslagert. WirtschaftsWoche Online Technik-Kolumnist Ben Schwan über Sinn und Unsinn des Angebots.

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Adobe CEO Shantanu Narayen Quelle: dapd

Lange Jahre kamen kreative Menschen ohne Software des US-Design-Spezialisten Adobe nicht aus: Titel wie Photoshop oder Illustrator brauchte man einfach, wenn man Bilder bearbeiten oder Grafiken gestalten wollte. Die Funktionsvielfalt war so verlockend, dass sich auch viele Privatmenschen die Profitools kauften und auf Mac oder PC installierten. Adobe wurde zum uneinholbaren Marktführer. Doch irgendwann scheint man bei den kalifornischen Software-Helden auf die Idee gekommen zu sein, dass es sich lohnt, diese Marktmacht auch auszunutzen. Ergebnis waren Preise, die man sich als Otto Normalkunde nur leisten konnte, wenn man wirklich Geld mit den via Adobe-Software erstellten Kreationen verdienen wollte.

Ein aktuelles Beispiel gefällig? Da kostet ein Photoshop CS6 dann mal eben als Vollversion schlappe 1000 Euro; sollte es die etwas bessere "Extended"-Version sein, gleich fast 1400. Die gesamte "Creative Suite" mit allen Teilen ("Master Collection") wird für fast 3600 Euro verkauft. Und noch unschöner: Die Lokalisierung lässt sich Adobe immer gleich Extrageld kosten, es gibt gigantische Preisunterschiede zwischen europäischer und US-Version. Bei der erwähnten "Master Collection" (2599 US-Dollar) macht das beim aktuellen Kurs sage und schreibe 1600 Euro aus, wenn man die Mehrwertsteuer, die in den USA beim Download-Kauf oft nicht gezahlt wird, einmal außen vor lässt.

Die wichtigsten Cloud-Computing-Anbieter
Logo von United Internet Quelle: Presse
Logo der Deutsche Telekom Quelle: AP
Logo von Salesforce
Logo von SAP Quelle: dpa
Logo vom Rackspace Hosting
Microsoft-Chef Steve Ballmer Quelle: AP
Diverse Google-Logos Quelle: rtr

Offenbar scheint man sich bei Adobe mittlerweile im Klaren zu sein, dass diese Strategie auf Dauer nicht mehr verfängt. Tatsächlich gibt es inzwischen kostengünstige Alternativen. Programme wie Pixelmator oder gar das Open-Source-Werkzeug GIMP können mit etwas Anstrengung als Photoshop-Ersatz herhalten, kostenlose Werkzeuge wie Apples iBooks Author machen dem Layout-Programm InDesign zumindest bei der Erzeugung digitaler Druckwerke Konkurrenz. Es scheint, als sei die Zeit der 1000-Euro-Programme endgültig vorbei.

Da man bei Adobe an seinen Umsätzen hängt, will man nun gegensteuern. Am Freitag startet deshalb ein ganz besonderes Projekt: Die sogenannte Creative Cloud soll alle Programme der Creative Suite gegen eine Monatsgebühr vereinen. Das Prinzip ist dabei denkbar einfach: Hat man einmal das Abo abgeschlossen, darf man von Photoshop über Acrobat, Flash oder Dreamweaver bis hin zu Premiere alles herunterladen, was Adobe an wichtigen Tools zu bieten hat. Bei der Installation wird der Account gecheckt - ist er bezahlt, kann man die Software ausführen.

Lohnt sich die Adobe Cloud?

Screenshot Quelle: Pressebild

Doch Adobe wäre nicht Adobe, wenn die Geschichte nicht nach wie vor etwas teuer wäre. Preislich beginnt der Spaß für Neukunden bei 61,49 Euro im Monat, wenn man sich gleich ein Jahresabo holt. Will man Monat für Monat kündigen können, ist man gar mit 92,24 Euro dabei. Immerhin ist erlaubt, zwei Plattformen, also Windows und Mac, zu nutzen und es gibt zusätzliche Goodies wie einen Cloud-Speicherdienst.

Man kann sich nun fragen, ob sich die Creative Cloud lohnt. Wer nur ab und zu mit Adobe-Werkzeugen arbeitet, sollte sich das Abo-Modell durchaus überlegen - es verursacht schließlich keine hohen Einstiegskosten mehr Und wer weiß, vielleicht erfindet Adobe ja künftig auch noch preisgünstigere Abstufungen, so dass man sich nur Teile der Creative Suite kaufen kann. Ein Photoshop für 30 Euro im Monat wäre jedenfalls überlegenswert.

So nutzen Dax-Konzerne die Cloud
AdidasAdidas setzt nach eigenen Angaben zunehmend auf Cloud Computing und dabei verstärkt auf Software as a Service (SaaS) ein - also Anwendungen, die nicht lokal installiert sind, sondern über das Netzwerk ausgeführt werden. Die Rechenkraft kommt aber immer noch aus der eigenen IT-Abteilung: "Cloud-Infrastruktur-Dienste nutzen wir eher wenig - hier sehe ich für kleinere Firmen mehr Potential", so Jan Brecht, CIO der Adidas-Gruppe. Dabei setzt Adidas nicht auf einen bestimmten SaaS-Anbieter, sondern lässt sie in Ausschreibungen gegen traditionelle Formen der Applikationsbereitstellung antreten. "Zunehmend gewinnen die SaaS-Anbieter nicht nur in Randgebieten wie Mobiltelefonabrechnung, Tankkartenabrechnung und Reisekostenabrechnung, sondern auch in Kernprozessen wie Logistik-Portal und Fracht-Management", so der Chief Information Officer. Quelle: dpa
Allianz meidet die externe CloudAls Versicherer ist Allianz bei ihrer IT besonders vorsichtig. Trotz unbestrittener Vorteile setzt der Technik-Chef der Allianz-Gruppe, Ralf Schneider, in sensiblen Bereichen nicht auf externe Dienstleister. "Cloud Services an den richtigen Stellen bringen Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen mit sich. Das ist unbestritten. Aber als Versicherer geben wir die Hoheit über unsere Kundendaten nicht aus der Hand. Datensicherheit und Datenschutz haben oberste Priorität", so Schneider. Daten und Anwendungen blieben in der eigenen Verantwortung und unter eigener Kontrolle. Quelle: dpa
Interner Dienstleister baut an Privater CloudIntern setzt die Allianz-Gruppe allerdings auf Cloud-Technologien. Dafür ist der interne Dienstleister AMOS IT zuständig. Weltweit verlagert das Unternehmen derzeit die IT-Infrastruktur in zentral gesteuerte Rechenzentren der AMOS. "In einem nächsten Schritt sollen auch die Applikationen, die auf den Rechnern laufen, von der AMOS IT betrieben werden", so die Sprecherin. Cloud-Services würden erheblich zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen beitragen. Quelle: dpa
Thyssen-Krupp: Viele Wegen führen zur CloudBei Thyssen-Krupp verfolgen die Unterabteilungen des Unternehmens jeweils eigene Strategien. "Derzeit gibt es im Thyssen-Krupp-Konzern viele dezentrale IT-Versorger. Eine Harmonisierung ist im Gange - jedoch nicht notwendigerweise verbunden mit physischer Zentralisierung", so ein Unternehmenssprecher. Im Konzern gäbe es einzelne Ansätze wie etwa cloud-basierte E-Mai-Farmen (seit etwa fünf Jahren im Einsatz) und ein bereits seit zehn Jahren cloud-basiertes Intranet. Public-Cloud-Ansätze würden nicht verfolgt. Vom Konzept ist auch Thyssen-Krupp überzeugt: "Clouds reduzieren nachweislich Kosten". Quelle: dapd
CommerzbankBei der Commerzbank wird die IT derzeit durch die Integration der Dresdner Bank umgebaut. Das Thema Cloud Computing rückt dadurch in den Hintergrund. "Wir prüfen regelmäßig die Entwicklungen am Markt und sind grundsätzlich offen für neue Lösungen", so eine Sprecherin.   Quelle: dpa
Munich ReFür die im Dax vertrene Munich Re hat die Ergo-Versicherungsgruppe die Fragen stellvertretend beantwortet. Aus Sicht der Ergo können die auf dem Markt verfügbaren Public-Cloud-Lösugen die besonderen Sicherheitsaufklagen, die Versicherer an den Schutz ihrer Kundendaten stellen, derzeit noch nicht erfüllen. "So sind die Fragen, wo und wie die Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt gespeichert sind, ungeklärt", sagte ein Sprecher. Intern nutzt die Ergo nach eigenen Angaben aber bereits "Cloud-ähnliche Prinzipien zur Betriebsoptimierung". "In Bereichen, in denen keine besonderen Datensicherheitsniveaus notwendig sind, setzen wir heute schon auf extern gehostete öffentliche Cloud-Lösungen", so der Sprecher. Beispiele seien die Ideenforen von Itergo, die Vertriebe oder die neue Ergeo-Kundenwerkstatt Quelle: dpa
BASFDie Chemieriese setzt nach eigenen Angaben seit einigen Jahren auf Private-Cloud-Technologien, ein hybrides Cloud-Modell ist in Planung. "Mit der Private Cloud haben wir gute Erfahrungen gemacht", so ein Mirarbeiter des internen IT-Dienstleisters BASF IT Services. Die Private Cloud werde durch BAST IT Services bereitgestellt, für die hybride Cloud sei der Anbieter noch offen. "Für die Zukunft planen wir eine verstärkte Nutzung und werden insbesondere unsere PaaS-Leistungen (Platform as a Service) weiter ausbauen", so der IT-Mitarbeiter. Die Versprechen der Cloud-Techonologie habe sich voll erfüllt, insbesondere was die Bereitstellungszeit neuer Systeme angeht. "Diese hat sich von mehreren Wochen auf wenige Stunden verkürzt". Quelle: dpa

Das IT-technische All-you-can-eat-Programm aus der Cloud, das Adobe nun auflegt, liegt voll im Trend und gilt bei weitem nicht nur für klassische Software-Produkte. Google verkauft ein vollständiges Online-Büropaket gegen Monatsgebühr zunehmend erfolgreich an Großkonzerne und Regierungsorganisationen. Microsoft versucht sich mit Office 365 an webifizierten Varianten von Word, Excel und Co. und hat in kleineren Märkten bereits getestet, sogar sein Windows-Betriebssystem im Abo anzubieten. Amazon will auf längere Sicht seinen Kindle-E-Book-Katalog nicht mehr nur einzeln verkaufen, sondern als eine Art universelle Leihbücherei Monatsgebühren kassieren. Der auf Informationstechnik spezialisierte Buchverlag O'Reilly macht es bereits vor: Über 22.000 Titel gibt's in seinem "Safari Bookshelf" ab schlappen 23 Euro, bezahlt alle vier Wochen per Kreditkarte.

Auch Hollywood und die Musikstudios haben den scheinbar nicht versiegenden Abo-Einnahmestrom im Blick: Netflix, Lovefilm und ihre Konkurrenten arbeiten schon lange im Flatrate-Verfahren für Streaming-Video, während Spotify und andere Audio-Dienste derzeit wieder versuchen, Musikmonatsabos zu etablieren, die das rein hitbasierte Tonträgergeschäft planbarer machen sollen. Und es ist ja auch höchst attraktiv: Abonnements und Flatrates werden von vielen Kunden einmal abgeschlossen und dann vergessen - oder zumindest oft weniger genutzt, als eigentlich denkbar. Das lohnt sich dann schnell. Für Adobe, darauf tippe ich hier mal vorsichtig, wird das auch so sein.

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