Werbung für Corona-Warn-App „Bloß nicht die Rama-Familie“

Ein altes Emailschild wirbt für Rama-Margarine Quelle: imago images

Die Bundesregierung plant eine große Werbekampagne, damit die Corona-Warn-App schnell zum Erfolg wird. Der Markenberater Peter Pirck, Chef der renommierten Agentur Brandmeyer, sagt, warum ausgerechnet der heftige Streit um die Technik dabei helfen könnte und was die Warn-App mit der Deutschen Mark verbindet.

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WirtschaftsWoche: Herr Pirck, Ihr Unternehmen hat Kommunikations- und Markenstrategien für Firmen und Produkte wie Dr. Oetker, Henkel, das ZDF, Bitburger oder Tesa entwickelt. Eine App als Marke, geht das?
Peter Pirck: Sicher. Der Begriff der Marke reicht heute weit über klassische markenprägende Produkte hinaus, wie das etwa bei Maggi, Coca Cola oder Persil der Fall war. Heute sind alle erfolgreichen Apps Marken: WhatsApp, TikTok, Freeletics, Runtastic oder Instagram – die Leute verbinden etwas mit dem Begriff, die Apps werden Synonyme für Tätigkeiten, für bestimmte Formen der Kommunikation oder von Freizeitaktivitäten.

Wie muss ich mir denn die Marke „Corona-Warn-App“ vorstellen?
Nicht im Sinne klassischer Produktmarken. Wohl aber als anerkannter, eigener Wert. So wie das etwa mit der Deutschen Mark war. Die wurde nie unter Markengesichtspunkten positioniert, hat aber trotzdem in der Wahrnehmung der Menschen ganz hohes Ansehen und ein immenses Vertrauen gewonnen. Sie war mit positiven Merkmalen aufgeladen und verkörperte auch staatliche Identität. Ansehen, Vertrauen, Identität – das sind alles Eigenschaften, mit denen auch Unternehmen ihre Marken assoziiert sehen wollen. Die Corona-App könnte zum Synonym werden für das gemeinsame Bemühen der ganzen Gesellschaft, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Zum Begriff für den verlässlichen Begleiter, der uns hilft, den Alltag zu normalisieren.

Peter Pirck, Chef der renommierten Agentur Brandmeyer. Quelle: Presse

Sie kommt viel später als geplant, war zeitweise heftig umstritten, wurde konzeptionell grundlegend umgestaltet. Ist der Ruf der App nach dem bisherigen Hick-Hack nicht schon zu sehr ramponiert, um noch positiv angenommen zu werden?
Bei einem normalen Markenprodukt hätte ich nach einem derart unrunden Start schon meine Zweifel. Aber die Corona-App darf man nicht mit Maßstäben klassischen Produktmarketings messen.
Ich glaube sogar, dass die Diskussionen hilfreich waren, um Glaubwürdigkeit zu schaffen. Wir reden schließlich von einem Produkt, das uns auf Schritt und Tritt begleiten und entscheidend dazu beitragen soll, eine lebensbedrohliche Pandemie einzudämmen. Ziel des Streits war ja, die Lösung mit der breitesten Akzeptanz zu finden und mit der besten Kombination aus Datenschutz und Funktionen. Ich denke, die Mehrheit der Menschen hat nun verstanden, dass und warum die App kein Überwachungswerkzeug ist. Jetzt ist allerdings entscheidend, dass die Software auch verlässlich und sicher funktioniert und nicht im Nachhinein doch noch irgendwelche Sicherheitslücken auffallen.

Wäre die App ein „normales“ Konsumprodukt, welche Botschaften müsste die Bundesregierung vermitteln, um die Menschen dazu zu bewegen, sie aufs Handy zu laden?
Ich sehe drei entscheidende Punkte. Zum einen müssen die Menschen den hohen persönlichen Nutzen für sich erkennen. Das ist bei Chat- und Bilder-Apps sicher leichter, weil die Anwender einen unmittelbaren Vorteil in der Kommunikation mit Familie, Freunden und Bekannten haben. Bei der Corona-App ist es komplizierter. Da beruht mein persönlicher Mehrwert darauf, dass ein anderer mich vor einer möglichen Infektion warnen kann. Mit dem Wissen kann ich dann meine Familie, Freunde oder Kollegen schützen. Damit bin ich im Grunde bei der zweiten Nutzenebene. Dass ich nämlich auch der Gesellschaft etwas Gutes tun kann, wenn ich mitmache und die Verbreitung des Virus bremse oder stoppe.

Und drittens?
Braucht es das große Vertrauen der Menschen, dass die App erstens wirkt und zweitens niemand mit den erfassten Daten Schindluder treibt. Diese Vertrauensarbeit ist entscheidend. Dass die Programmierer jeden Schritt der Entwicklung und auch den Programmcode öffentlich gemacht haben, war gut und wichtig. „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“ ist passenderweise auch der Titel eines der ersten, grundlegenden Lehrbücher der Markenentwicklung. Da schließt sich der Kreis: Wenn die Menschen der App vertrauen, werden sie sie nutzen.

In klassischen Produktkampagnen preist meist irgendein begeisterter Mensch als Werbeträger das Produkt dem TV- oder Radiopublikum an. Würde das helfen, die Corona-App zu verbreiten?
Also ganz sicher braucht es keine fröhliche Rama-Familie, die sich am Frühstückstisch gut gelaunt über die Vorteile der App austauscht. So ein Heile-Welt-Bild passt nicht zur Coronapandemie, und es passt ja auch nicht zur App. Es geht darum, Vertrauenswürdigkeit auch über Seriosität zu vermitteln und über glaubwürdige Partner.

Wer wäre das aus Ihrer Sicht?
Personen und Institutionen beispielsweise, die ihrerseits für Seriosität und Verlässlichkeit stehen, karitative Vereinigungen wie die Kirchen oder das Rote Kreuz, das ja etwa in Österreich Herausgeber der Stopp-Corona-App ist. Daneben Marken, die in ihren Communities große Glaubwürdigkeit und Anhängerschaft genießen, beispielsweise Gewerkschaften aber auch Sportverbände oder einzelne Vereine wie beispielsweise der FC Bayern oder der BVB mit ihren riesigen Fangruppen.

Der Deutsche Fußball-Bund hat seine Unterstützung für den App-Start schon angekündigt.
Genau solche gesellschaftsrelevanten Partner meine ich. Von denen braucht es viele, damit die Menschen das Thema nach dem Start der App überall wahrnehmen. So entsteht das Gefühl, „da geht etwas ab, da muss und will ich auch dabei sein“. Bei den Apps der sozialen Netze nennt man das den Netzwerk-Effekt – dass sie immer wichtiger und attraktiver werden, je mehr Menschen sie nutzen.

Glauben Sie, dass das klappt?
Ich denke, dass es ein anspruchsvolles Ziel ist. Aber eines, dass zu wichtig ist, um es nicht zu versuchen. Es wäre jedenfalls eine Schande, wenn wir die Chance vertun, die uns die App bietet.

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