Bei mir ist das so: Ich miste nicht so gerne alte Schuhe aus, weil ich immer auf den einen Moment warte. Den, bei dem ich ein seit Jahren ignoriertes Paar aus dem Keller wieder mal anziehe und dann sagt jemand: "Coole Schuhe. Neu?"
Und so ähnlich ist es bei mir auch mit Xing. Ich bin da schon solange dabei, damals hießen die noch OpenBC. Ich bin da immer noch, weil es ja doch mal passieren kann, dass sich das auszahlt. Ich habe auch nach über zehn Jahren den Glauben nicht aufgegeben, obwohl es bislang nicht einen einzigen Xing-Moment gegeben hat, der mich beruflich auch nur einen Hauch weiter gebracht hätte.
Nun gut, ich habe mir in all den Jahren nicht gerade ein riesiges Xing-Netzwerk aufgebaut. Ein Freund von mir hat so viele mit ihm auf Xing verbundene Kontakte, da zeigt das System nur noch an: 999+
Nutzerzahlen der bekanntesten sozialen Medien
10 Millionen aktive Nutzer hat das Karriereportal Xing monatlich.
Quelle: We are social, Unternehmensangaben
LinkedIn hat deutlich mehr aktive User: 100 Millionen Menschen nutzen das Karriereportal im Monat.
Auch das soziale Bildernetzwerk Pinterest kommt auf 100 Millionen registrierte, aktive Nutzer.
Noch weit vor Pinterest, LinkedIn und Xing liegt Snapchat, der kostenlose Instant-Messaging-Dienst zur Verbreitung von Bildern und Videos. 200 Millionen Menschen nutzen Snapchat im Monat.
Den Nachrichtendienst Twitter nutzen jeden Monat 320 Millionen Menschen.
Der Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos - Instagram - registriert 400 Millionen aktive Nutzer im Monat.
Der erfolgreichste Instant-Messaging Dienst ist WhatsApp mit 1000 Millionen Nutzern pro Monat.
Das soziale Netzwerk Facebook kann jedoch keiner der anderen sozialen Netzwerke toppen: 1600 Millionen User nutzen das Portal jeden Monat aktiv.
Bei mir stagniert es seit Jahren bei um die 150 oder so. Weil ich mich frage: Wozu brauche ich diese Verbindung auf Xing? Leute, denen ich geschäftlich verbunden bin, erreiche ich per Telefon oder E-Mail. Kollegen, die gute Bekannte oder meine Freunde sind, dürfen mich jederzeit gerne per WhatsApp und Threema anschreiben.
Ich habe bei Xing schon Gesichter von Leuten gesehen, die mir das System als zukünftige Kontakte vorschlägt, mit denen stehe ich in regelmäßigem persönlichen Kontakt. Dann mache ich die bei Xing zu meinen Kontakten und denke mir: Und nu?
Wozu brauche ich eine weitere Liste mit Kontakten auf Xing? Ich bekomme regelmäßig E-Mails mit Informationen, dass der eine jetzt eine neue Jobbezeichnung hat und eine andere sogar eine komplett neue Aufgabe. Ok, interessant. Aber das veröffentlichen viele ja ohnehin auf Facebook.
Ich hatte die Hoffnung, dass mich auf Xing zusätzlich zu meiner Website Leute finden, die an meiner Arbeit und gar an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Aber das läuft bei mir weiter allein über persönliche Empfehlungen oder eben über meine Site. Auf Xing: Flaute.
Erst dachte ich: "Marcus, du bist einfach zu geizig. Du brauchst das kostenpflichtige Profil. Gönn dir den Business-Luxus, du alter Profi, und deine Karriere steigt auf bis zu den Sternen."
Aber auch meine neue Großzügigkeit brachte mir nichts weiter als das Gefühl, ich hätte nicht so großzügig sein sollen. Ich bestellte das Abo wieder ab.
Und nun dümpelt mein Profil da so herum. Aktivitätsgrad: Null Prozent. Gerade eben war ich mal wieder drin und habe ein paar Kontaktanfragen bestätigt. Und frage mich mal wieder: Und nu?
Das Blöde ist außerdem: Bei Portalen, die ich so selten aufsuche, vergesse ich ständig das Passwort. DriveNow, REWE online und so. Jeder Besuch beginnt mit derselben Zeremonie: "Passwort vergessen? Wir schicken Ihnen eine E-Mail..." Maaaann!
Nur: Bei DriveNow will ich fahren. Bei REWE will ich was Leckeres bestellen. Aber bei Xing? Was soll ich da? Da will ich ja eigentlich gar nichts.
Vielleicht bin ich einfach nicht der Xing-Typ. Wildfremde Menschen einzeln oder in Gruppen anschreiben, um sie zu fragen, ob wir vielleicht mal irgendwie ins Geschäft kommen wollen: nicht mein Ding.
Entdeckt auf Xing
Ich habe gerade eben mit einem guten Freund telefoniert. Der hat gar nicht mal so viel mehr Xing-Kontakte als ich, aber der ist Feuer und Flamme. Kein Wunder, den Glückspilz hat schließlich ein Headhunter über Xing entdeckt und hat ihm einen neuen Job besorgt. Und den Job findet mein Kumpel geil.
Und so nutzt er Xing als sein privates Kontakte-Verzeichnis und für Recherchezwecke (Motto: Wer kann was?). Wenn man ihn so hört, kriegt man Lust, sein Xing-Profil für ein letztes großes Aufbäumen richtig schön aufzupolieren und es endlich krachen zu lassen.
Nach dem Telefonat habe ich mir im Überschwang erstmal drei neue Kontakte gemacht bei Xing.
Aber schon fällt mir da der nächste Knackpunkt ein, den mein Kumpel gerade ansprach: "Also bei Xing habe ich ungefähr 200 Kontakte. Bei LinkedIn so 300."
LinkedIn. Das weltweite berufliche Netzwerk. Der gewaltige internationale Konkurrent - mit nach eigenen Angaben 400 Millionen Nutzern. Seit 2009 gibt es das Angebot auch auf Deutsch.
Es ist so frustrierend. Da hat man eine erfolgreiche Idee und wird dann irgendwann vom amerikanischen Konkurrenten überrollt. StudiVZ wurde seinerzeit von Facebook platt gemacht. Und es fühlt sich für mich persönlich irgendwie so an, als könnte das Hamburger Unternehmen Xing das nächste Opfer der Internet-Weltmacht Kalifornien sein.
Denn: Warum seine Kontakte auf zwei Plattformen verteilen, wenn es den universellen internationalen Anbieter gibt, bei dem man auch seine Geschäftspartner findet, die nicht aus der D-A-CH-Region kommen?
So erkennen Sie Fake-Profile bei LinkedIn und Co.
Die Fakes geben sich als selbstständige Headhunter oder als Recruiter von Firmen aus, die es nicht gibt.
Die Profilbilder zeigen in der Regel sehr hübsche, junge Frauen.
Oft stammen Texte und Bilder auch 1:1 aus anderen - echten - Profilen
Die Profile sind voller Keywords (IT-Recruitment, Talent Acquisition, Human Ressources), damit sie leichter gefunden werden. Die meisten Schlagwörter haben einen Bezug zu den Branchen Logistik, Öl- und Gas, also dem Energiesektor
Persönliche Informationen über Uni, Vereine, berufliche Stationen gibt es hingegen kaum.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch machen Millionen von Menschen die Zweiteilung mit. LinkedIn hat sogar selber mal gesagt, sie verstünden dieses Phänomen auf dem deutschen Markt nicht.
Fragt sich nur, wie aktiv diese ganzen treuen Xing-Mitglieder sind.
Laut der Xing-E-Mail von vorgestern bin ich ein "Top XING Mitglied". Mit gerade mal 150 Kontakten und einem Aktivitätsgrad von null Prozent. Xing schreibt mir: "Herzlichen Glückwunsch! Sie gehören zu den Top Netzwerk-Profis. Weiter so!"
Weiter so? Na gut.