
Viele hatten ICQ schon längst vergessen. Jetzt ist der einstige Star unter den Messaging-Diensten aus den 90ern zurück – und zwar mit einer neuen Version. Damit will der im Jahr 2010 von der russischen Mail.ru Group gekaufte Nachrichtendienst an seine Erfolgsära anknüpfen.
Zu Spitzenzeiten zählte der Messenger während der Jahrtausendwende laut der Nachrichtenagentur Bloomberg mehr als 100 Millionen Nutzer weltweit, etwa ein Zehntel davon war 2013 übrig geblieben. Das sind die letzten Nutzerzahlen, die öffentlich wurden. Das ist heutzutage für einen Messenger eine überschaubare Nutzerzahl. Zum Vergleich: Über WhatsApp kommunizierten im Februar täglich mehr als eine Milliarde Menschen. Die Aufholjagd zum Messenger-Giganten scheint angesichts der Nutzerzahlen schier unmöglich.
Zumal es sich bei der Version 10 von ICQ um einen Messenger mit dem üblichen Funktionsumfang handelt: Die Nutzer können darüber chatten, bis zu vier Gigabyte große Daten verschicken und empfangen, den Client mit bunten Stickern aufhübschen und sowohl mobil als auch stationär videotelefonieren. Aber selbst die Videotelefonie ist mittlerweile auch über andere Dienste wie Skype und WhatsApp möglich.





Umso mühsamer wird es für den einstigen Instant-Messenger-Monopolisten ICQ werden, Nutzer für seinen Dienst zu begeistern. Marc Herzmann vom IT-Dienstleister Computacenter ist überzeugt, dass ICQ auf dem Messenger-Markt nahezu chancenlos ist. "Gerade weil ICQ nur die herkömmlichen Messenger-Funktionen und keinen zusätzlichen Mehrwert anbietet, wird es für den Dienst schwierig werden, Markanteile zu gewinnen." Allenfalls Nostalgiker, die ICQ damals intensiv nutzten, würden sich noch einmal mit der neuen Version auseinandersetzen.
Der Messenger hätte nach Meinung des IT-Experten deutlich früher auf die Veränderungen am Markt reagieren müssen, um seinen Erfolgskurs fortzusetzen. Der von einem israelischen Start-up gegründete Dienst war Ende der 90er ein rein stationärer Desktop-Client. Mit dem Siegeszug des Smartphones Mitte der 2000er etablierten sich mobile soziale Medien wie Facebook und WhatsApp. ICQ blieb tatenlos. "Der Messenger hat den Wandel verschlafen", sagt Herzmann.
Facebook und WhatsApp erkannten hingegen das Potenzial der mobilen Kommunikationsära und profitieren noch heute vom Netzwerkeffekt. "Der Client ICQ bringt dem Nutzer wenig, wenn sich seine Freunde und Bekannten auf anderen sozialen Plattformen bewegen. Eine Anwendung reicht den Nutzern heutzutage", sagt Herzmann.
Zwar geraten WhatsApp und Facebook wegen ihrer Sicherheitsvorkehrungen ständig in die Kritik. ICQ lässt seine Nutzer vollkommen im Unklaren darüber, wie der Dienst ihre Daten sichert. "ICQ hat zwar Sicherungsmaßnahmen eingerichtet, kann aber nicht ausschließen, dass Ihre personenbezogenen Daten preisgegeben werden", heißt es auf der Unternehmensseite. Und im Gegensatz zu WhatsApp werden Daten bei ICQ nicht einmal ansatzweise verschlüsselt.