Aber auch ohne das Zutun der Plattform professionalisiert sich die Webvideo-Welt: YouTuber schließen sich zu Netzwerken zusammen, teilen sich Produktionsräume und verweisen aufeinander. Wenn die Videos von Y-Titty, LeFloid und Daaruum die neuen Sendungen sind, stellen diese Netzwerke die neuen Fernsehsender dar.
Das größte europäische Netzwerk, gewissermaßen das RTL der neuen Welt, heißt Mediakraft, und Christoph Krachten ist dessen Chef. In seinem Büro lehnt ein gerahmtes Poster an der Wand, das ihn als Superman hinter einer goldenen 50 zeigt, schmeichelhaft jung ist er darauf dargestellt, der graue Vollbart fehlt, die Muskeln zeichnen sich auf dem blauen Kostüm ab; er hat das Bild dieses Jahr zu seinem 50. Geburtstag bekommen. "Mich nennen alle den YouTube-Daddy", sagt Krachten, und unter dem karierten Hemd wölbt sich der Bauch. Er ist es, der den Videoday erdacht und organisiert hat.
Es ist Sonntag, Köln strahlt in herbstlichem Sonnenlicht, aber Krachten verbringt den Vormittag in der Firmenzentrale am Barbarossaplatz. 600 YouTuber gehören seinem Netzwerk an, das macht 700 Kanäle und 200 Millionen Klicks – jeden Monat. Über drei Stockwerke verteilt liegen Schnittplätze, Studios und Büros.
Krachten hat 30 Jahre lang für beinahe alle deutschen Fernsehsender gearbeitet, und was er sagt, klingt wie ein Abgesang auf die alte Welt. "Ich habe den Untergang des klassischen Fernsehens erlebt: Wie begonnen wurde, Sendungen totzuformatieren – aus Angst, sie könnten floppen", sagt er. "YouTube-Produktionen sind dagegen billiger, und keiner muss auf die Entscheidungen eines Vorgesetzten warten. Jeder macht einfach, was er will", sagt Krachten. "Auf gewisse Weise ist YouTube professioneller als Fernsehen – im Sinne von: beweglicher, innovativer."
Auch die braune Couch, auf der Phil, TC und OG von Y-Titty während des Gesprächs über das Fernsehen der Zukunft sitzen, steht seit einigen Monaten nicht mehr in ihrer Kölner Wohngemeinschaft, sondern in den Studios von Mediakraft. Man sieht den Videos an, dass aus den Laien, die sie anfangs gedreht haben, so etwas wie Profis geworden sind: Der Ton in den Videos ist gut, das Bild scharf, die Farben stark, nichts wackelt.
"Wir planen, bald auch längere Sachen zu machen, Sketche, zwischen denen wir etwas erzählen, also mit einer Art Zwischenmoderation. Das könnte dann so eine halbe Stunde gehen", sagt Phil. Beinahe wie in einer richtigen Fernsehsendung also. Sie würden das bloß nicht so sagen. Denn "wie Fernsehen", das ist in der Welt, in der sie Stars sind, ein Schimpfwort.