Zwischen E-Mail und Facebook Digitale Botschaftshilfe wäre startklar – allein das Geld fehlt

IDA ist eine der Sieger-Apps des #WirVsVirus Hackathons der Bundesregierung. IDA ist Informationsplattform für Deutsche, die im Ausland leben und arbeiten und nicht nach Deutschland zurückkehren können. Die App soll einen direkten Kontakt zu Botschaften ermöglichen. Quelle: Presse

Eine der Sieger-Apps des Hackathons „WirVsVirus“ soll die Kommunikation zwischen im Ausland gestrandeten Deutschen und dem Auswärtigen Amt erleichtern. Die Entwickler sind startklar – doch es mangelt an Unterstützung.

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Lucia Maier strandete in der Corona-Krise in Argentinien – und dann blieben ihr plötzlich nur noch 50 Stunden. Zwei Tage vor dem Start des Rückhol-Fluges von Buenos Aires nach Frankfurt trudelte die E-Mail der deutschen Botschaft bei ihr ein: Sie solle sich „zur Vorbereitung des Abflugs und Erledigung aller Formalitäten“ pünktlich an den Lufthansa-Schaltern einfinden.

Die 16-Jährige aus in Baden-Württemberg musste eiligst ein Auto samt Fahrer organisieren, der sie die 1300 Kilometer von Corrientes in die Hauptstadt bringt – trotz Ausgangssperre im Land. Die Botschaft besorgte die nötigen Passierscheine für die Provinzgrenzen innerhalb des Landes. Lucia Maier hat es geschafft. Nach 15 Stunden Autofahrt erreichte sie pünktlich den Flughafen Ministro Pistarini und landete am 2. April sicher in der Heimat.

Eine andere deutsche Austauschschülerin in Corrientes saß nicht mit im Flieger. Sie hatte keine E-Mail der Botschaft erhalten. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin ist zwar bemüht, jedem deutschen Staatsbürger im Ausland im Bedarfsfall Hilfe anzubieten. Aber angesichts der gewaltigen Zahl von mehreren Millionen Betroffenen, die wegen der Corona-Pandemie zurück nach Deutschland wollten, stehen die Botschaften und Konsulate vor einer logistischen Mammutaufgabe. Und die Voraussetzungen dafür sind alles andere als optimal.

„Die Krisenkommunikation der deutschen Auslandsvertretungen läuft in diesen Wochen sehr sporadisch über E-Mails und soziale Medien. Das ist problematisch für beide Seiten, weil nicht klar ist, wer welche Information erhält und wo der Bedarf gerade am dringendsten ist“, sagt die App-Designerin Laura Chiesa. Die 26-Jährige leitet ein sechsköpfiges Team, das im Rahmen der von der Bundesregierung unterstützten Tech-Initiative „WirVsVirus“, Wir gegen das Virus, für einen Lösungsvorschlag ausgezeichnet worden ist, der diese Lücken im digitalen Flickenteppich schließen will.

In nur wenigen Tagen entwickelte die Gruppe eine Plattform namens IDA, die den Informationsfluss zwischen Deutschen im Ausland und den örtlichen Vertretungen optimieren soll. Die Applikation will sicherstellen, dass jeder Nutzer zu jeder Zeit Zugang zu allen für ihn relevanten Informationen bekommt, die nötig sind, um eine mögliche Ausreise oder andere Hilfeleistungen schnellstmöglich zu organisieren. Besonders in Krisenzeiten soll das Personal der Botschaften so entlastet werden. In der aktuellen Corona-Krise wird deutlich, wie dezentralisiert die deutschen Auslandsvertretungen versuchen, die Bürger auf den neuesten Stand zu bringen.

App-Designerin und Teamleiterin Laura Chiesa. Quelle: Presse

Beispiel Kenia: Die Botschaft dort müht sich seit Tagen nach Kräften, alle gestrandeten Touristen auszufliegen. Per E-Mail und über Facebook versuchen die Diplomaten, ihre Landsleute zusammenzutrommeln. Doch nur wer sich bei der Elektronischen Erfassung für Deutsche im Ausland (Elefand) registriert hat, erhält die Nachrichten in sein Online-Postfach. Zusätzlich war die Internetseite von Elefand in den vergangenen Tagen immer mal wieder nicht zu erreichen, weil der Zugriff bei einer globalen Krise schnell so groß werden kann, dass die Serverkapazitäten nicht ausreichen.

Und Facebook? Das soziale Netzwerk wird immer unbeliebter bei Menschen unter 30 Jahren. Viele der Konten sind schon lange verwaist, weil die Jüngeren sich längst über andere Plattformen austauschen und auf dem Laufenden halten. Alternativ hat die Botschaft einen Bereitschafts-Telefondienst eingerichtet. Doch mündliche Anfragen kosten viel Zeit und entpuppen sich oft als erheblicher Mehraufwand.

„Wir hoffen, dass die Unterstützung weiterlebt“

Auf die nur sporadischen E-Mails wurde vor einigen Wochen Lorenz Schneidmadel aus dem IDA-Team als Erster aufmerksam. Für das deutsch-vietnamesische Start-up Edubao, das Studenten aus dem vietnamesischen, chinesischen und bald auch arabischen Sprachraum bei der Bürokratie eines Auslandsaufenthaltes in Deutschland digital unterstützt, lebt Schneidmadel seit einer Weile in Ho-Chi-Minh-Stadt. Seine Erfahrung: „Man darf keine Nachricht verpassen, und man hat keinen Zugriff auf Informationen, die vor dem Zeitpunkt der eigenen Registrierung versendet wurden“, sagt er.

Schnell war deswegen die Idee geboren, dass sich ein Team aus dem Start-up beim Hackathon engagieren würde, um diese Herausforderung in Angriff zu nehmen. Jetzt steht der Prototyp von IDA, und am vergangenen Sonntagabend unterstrich die Jury des Hackathons, zu der auch ein Vertreter des AA zählte, dass sie eine Lösung auf diesem Gebiet für wertvoll hält.

Teamleiterin Chiesa glaubt, dass es möglich sein sollte, binnen einer Woche, spätestens aber in zwei Wochen, eine fertige Version der Applikation anzubieten. Die Software soll dabei nicht nur dem Informationsfluss in eine Richtung dienen, sondern auch als eine Art Steuerungszentrale für die Botschaft. Die Vertretungen sollen einen Überblick bekommen, wo sich die Deutschen überall im Land aufhalten, welche Probleme ihnen aktuell zu schaffen machen und wo akut Hilfe benötigt wird. Auch nach Naturkatastrophen könnten solche Daten schnell und präzise gesammelt werden.

Die Entwickler sitzen auf heißen Kohlen, weil sie jetzt mehr Unterstützung aus dem AA benötigen, um die Software zu bauen. „Wir haben noch keinen festen Ansprechpartner, den wir benötigen, um uns um die Details zu kümmern“, sagt Chiesa. Aus dem Ministerium ist Input vonnöten, um den Bedarf der Botschaften und Konsulate abzufragen. Das Team benötigt auch finanzielle Hilfe, die bislang nur unverbindlich von der Initiative zugesagt werden konnte. Die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Dorothee Bär, kündigte an, dass Gelder aus verschiedenen Ministerien fließen sollen. Wie viel und wann ist aber noch immer unklar.

Getragen werden soll die Finanzierung unter anderem durch einen Crowdfunding-Topf, in dem die Teams ihre Projekte zur Unterstützung durch Dritte vorstellen können. Gleichzeitig besteht für Privatleute oder Unternehmen die Möglichkeit, über Match-Funding zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Topf wird die erreichte Crowdfunding-Summe um ein Viertel des Betrages aufgestockt.

Die IDA-Teamleiterin schätzt, dass zwei Entwickler und ein Designer im Optimalfall mindestens eine Woche Vollzeit beschäftigt, dazu drei weitere Mitglieder zur Koordination und Kommunikation nötig wären. Je nach Funktionalität der Applikation müsste darüber hinaus weitere Arbeit investiert werden. „Die erste Version unserer Anwendung kann sehr schnell entwickelt werden. Speziellere Funktionen, die die App in Krisensituationen noch effektiver machen können, würden wesentliche Mehraufwände bedeuten“, erklärt Chiesa. „Wir hoffen, dass die Dynamik und die Unterstützung aus dem Hackathon in der Umsetzungsphase weiterlebt und IDA erfolgreich starten kann.“

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