Digitaler Wandel "Haben Sie Google zerschlagen, kommt der nächste"

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"Man muss der neuen Zeit eine Chance geben!"

Sharing-Dienste werden längst von Millionen Kunden genutzt. Was wollen Sie da allen Ernstes noch zurückdrehen?

Welzer: Noch mal: Wir erleben, wie private Sphären marktförmig gemacht werden – mithilfe digitaler Werkzeuge. Das ist ja nicht von vornherein ganz furchtbar, aber man muss sehr wach sein und beobachten, was da eigentlich passiert. Ob ich das steuern kann und will, steht auf einem anderen Blatt.

Nestmann: Beobachtung darf aber nicht heißen, dass sich nichts ändert. Dann findet die Veränderung nämlich außerhalb des veralteten Rahmens statt. Oder wir verhindern etwas, was uns vielleicht genutzt hätte.

Welzer: Beunruhigt Sie alle die Frage des Verschwindens von geschützter Privatheit gar nicht?

Joost: Schon. Aber ich nehme wahr, wie anders die jüngere Generation Privatheit versteht, und das will ich zunächst begreifen, ohne es zu verdammen. Ich stelle mir kritisch die Frage, ob meine eigene Definition von Privatheit noch angemessen ist.

Nestmann: Natürlich setze ich mich viel mit der Frage auseinander. Ich bemerke an mir selber, dass ich manchmal eine Entscheidung treffe und – nur als Beispiel – mancher App diesen oder jenen Zugriff nicht gebe. Oft merke ich aber auch, dass ich aus Trägheit, Schnelllebigkeit oder Komfort sage: Ist mir egal. Ich wäre aber stets dafür, in diesen Dingen trial and error zuzulassen und auszuhalten, statt sie gar nicht zuzulassen.

Pausder: Es wäre schade, wenn wir unser Gespräch über den digitalen Wandel auf die Frage der Privatsphäre reduzieren. Man muss der neuen Zeit ihre Chance geben! Ich arbeite ganz viel mit Kindern zusammen. Für die ist sofort klar, dass diese Sphären verschwimmen, die kennen es nicht anders.

Welzer: Ich würde auch meinem Sohn nie irgendetwas verbieten, was für ihn relevant ist. Sehen wir es doch als unterschiedliche Aufgaben für unterschiedliche Generationen. Ich begreife es als meine, unsere freiheitliche, demokratische Gesellschaft zu verteidigen. Wenn das heißt, dass ich etwas klassisch bin, dann bin ich es gerne.

Pausder: Gerne, Herr Welzer! Gegen klassisch hat doch keiner was. Ich begreife es dann als meine Aufgabe, jungen Menschen Mut zu machen, neue Wege zu gehen und den Status quo zu hinterfragen. Immer wieder.

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