Debatte um den Glasfaserausbau Wir brauchen schnelles Internet – und zwar zügig!

Kabelsalat: Der Glasfaserausbau stockt immer noch an vielen Stellen. Quelle: dpa

Schnelles Internet ist der entscheidende Standortfaktor der Zukunft, Zögerlichkeit beim Netzausbau deshalb keine Option. Ein Plädoyer für Qualität und Tempo beim Glasfaserausbau. Ein Gastbeitrag.

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Dr. Stephan Albers ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO) und antwortet hier auf einen Beitrag von Tim-Oliver Müller.

Neben der Umsetzung der Energiewende ist der Glasfaserausbau das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands. Dass wir den flächendeckenden Ausbau der zukunftssicheren digitalen Infrastruktur brauchen, darüber sind sich inzwischen alle einig. Wie und damit einhergehend auch mit welcher Geschwindigkeit dieser Ausbau vorangetrieben werden soll, dagegen anscheinend nicht. 

Thorsten Dirks, CEO vom Netzbetreiber Deutsche Glasfaser schreibt in seinem Artikel für die WirtschaftsWoche völlig richtig, dass Glasfaser längst zu einem der wichtigsten strategischen Wettbewerbs- und Standortvorteile geworden und schnelles Handeln aller beteiligten Akteure beim Ausbau erforderlich ist. Auch die BREKO-Marktanalyse 2021 zeigt, dass aufgrund des schnell wachsenden Datenverkehrs in Unternehmen und Privathaushalten die Nachfrage nach Glasfaser-Anschlüssen noch deutlich schneller zunehmen wird, als es jetzt schon der Fall ist.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie antwortet darauf mit einem Appell, der die notwendige Offenheit gegenüber international erprobten und modernen Ausbauverfahren vermissen lässt. Der Appell zeichnet ein Bild von sorglosem „Schnell-schnell“, verbunden mit der Warnung vor den „verheerenden Folgen“ eines überhasteten Ausbaus.

Das Interesse am Glasfaserausbau ist mittlerweile groß. Politik, Wirtschaft und Kommunen haben verstanden, dass wir die zukunftssichere und - aufgrund ihres geringen Energieverbrauchs - auch gleichzeitig nachhaltigste digitale Infrastruktur dringend brauchen. Und zwar überall, im ländlichen Raum und in den Ballungsgebieten. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger wünschen sich endlich auch einen Zugang zum schnellen Netz, Investoren versorgen den Markt mit Kapital, Netzbetreiber fordern die richtigen Maßnahmen, um den Ausbau schnell vorantreiben zu können. 

Und die deutsche Baubranche? Sie mahnt, man solle über das Tempo nicht die Qualität vernachlässigen und malt Schreckensbilder von Glasfaserkabeln, die von Häuserwänden hängen.

Es stimmt: Wer zum Beispiel schon einmal in Asien unterwegs war, sieht, dass der Ausbau des Glasfasernetzes andernorts ganz anders angegangen wird als in Deutschland. Da hängen die Kabel an Masten oder werden an Häuserwände getackert. Das „Wie“ ist beim Ausbau der digitalen Hauptschlagadern in anderen Ländern zweitrangig – Hauptsache, es geht schnell. Nicht verwunderlich, dass dadurch Länder wie Südkorea oder Japan ganz oben in den Ranglisten der Verfügbarkeit des schnellen Internets stehen und demgegenüber hierzulande weniger als 20 Prozent der Haushalte und Unternehmen mit echter Glasfaser bis in die Gebäude verbunden sind.

Klar ist: Der Standard beim Glasfaserausbau muss zu Deutschland passen. Wir sind keine Gesellschaft, die um Masten geschlungene Kabel ertragen könnte. Und vor dem Hintergrund drohender Starkwetterereignisse im Zuge des fortschreitenden Klimawandels ist das auch weniger denn je ein empfehlenswerter Weg. Aber: Der Rückwärtsgang kann auch nicht die Lösung sein. Deutschland ist nicht nur qualitätsbewusst, sondern auch innovativ. Unsere Netzbetreiber, sowohl private als auch kommunale Unternehmen, und qualifizierte Kabelleitungstiefbauer haben mittlerweile solide alternative Methoden (weiter-)entwickelt, mit denen das Tempo beim Glasfaserausbau erhöht werden kann, ohne auf Qualität zu verzichten.

Verlegeverfahren, mit denen weniger tief gegraben werden muss, sind schneller, ressourcenschonender und deshalb umweltfreundlicher. Sie haben das Potential, uns beim Ausbau der digitalen Infrastrukturschneller mehr als doppelt so schnell voranzubringen – bei gleichbleibender Qualität. Diese Verfahren, die etwa in Skandinavien oder den Niederlanden längst zum Einsatz kommen und erprobt sind, haben entscheidende Vorteile.

Erstens: Die modernen Verlegeverfahren berücksichtigen die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und zielen immer auf eine hochwertige Oberflächenwiederherstellung. Dort, wo Pflaster liegt, wird dieses angehoben und ohne Qualitätsverluste wieder verlegt. Dies funktioniert auch mit Asphalt. Eine kostspielige Erneuerung der Straßen nach einigen Jahren ist damit keinesfalls erforderlich.



Zweitens: Der Einsatz von modernen Verlegeverfahren sorgt für ein besseres Zusammenspiel mit anderen Infrastrukturen. Durch die geringere Bautiefe sinkt das Risiko, darunterliegende Leitungen zu beschädigen. Grundsätzlich sollte jedes Unternehmen, ob aus der Glasfaserbranche oder aus anderen Industrien, beim Bau Sorgfalt walten lassen – durch Baustellenbegehungen, eine genaue Beachtung der vorhandenen Leitungsdokumentationen und ergänzende Suchschachtungen auf den Baustellen. Glasfaserleitungen sollten, wo immer möglich, seitlich von bestehender Infrastruktur gebaut und ein vertikaler Überbau von Gas-, Wasser- und Energieleitungen, der Wartungsarbeiten erschwert, vermieden werden. Außerdem ist eine saubere Dokumentation der neu verlegten Trassen wichtig.

Drittens: Gerade beim Thema Nachhaltigkeit haben die modernen Verlegeverfahren entscheidende Vorteile gegenüber der konventionellen Bauweise: eine geringere Bautiefe mit schmalen Schächten anstatt breiter Gräben bedeutet weniger Bodenaushub und damit wesentlich weniger Energieaufwand, mehr Bautempo und weniger Lärmbelästigung für Anwohnerinnen und Anwohner. 

Wir können es uns beim Ausbau unserer digitalen Infrastruktur nicht leisten, auf die Bremse zu treten. Qualität ist und bleibt wichtig, aber unter ihrem Deckmantel am Althergebrachten festzuhalten, kann nicht (mehr) unser Ansatz sein. Der Glasfaserausbau kann schnell vorankommen und trotzdem höchsten Qualitätsansprüchen entsprechen. Dazu brauchen wir eine größere Offenheit für moderne Verlegemethoden.

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