Energie Strom ernten

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Strom aus Schall

Dabei werden die Grenzen der Energieversorgung, wie wir sie kennen, gesprengt. Künftig sind etwa Netzwerke aus batterielosen Funksensoren möglich, die sich autark mit Energie versorgen. Damit lassen sich Sensoren auch an Orten betreiben, die nur schwer oder gar nicht erreichbar sind: im Beton großer Brücken zum Beispiel, wo die Messfühler rechtzeitig vor Rissen warnen können.

Oder in der Luftfahrtindustrie: EADS-Forscher kleben bereits testweise batterielose Sensoren an Flugzeugrümpfe, die ins Cockpit melden, wenn sich der Zustand von Verschleißteilen verschlechtert. Ihren Strom erzeugen die Sensoren mit sogenannten Thermogeneratoren. Das sind kleine Silizium-Chips, etwa des Freiburger Startups Micropelt, die Elektrizität erzeugen, sobald zwischen ihren Enden ein Temperaturunterschied entsteht – zum Beispiel zwischen dem warmen Metallkörper eines Flugzeugs und der eiskalten Luft. Vom Seebeck-Effekt sprechen Physiker dabei.

Das britische Startup Perpetuum wiederum will bald elektronische Fühler liefern, die Bremslager von Eisenbahnwaggons überwachen. Die Minisender generieren Energie mithilfe der Vibration des Zuges. Eine winzige Metallspule nimmt die Bewegung auf und schwingt dabei viele Male pro Sekunde an einem Magneten vorbei. Wie bei einem Fahrraddynamo entsteht dabei elektrische Spannung. Sogar energiehungrige GPS-Chips von Containern auf der Ladefläche des Zuges ließen sich mit dieser Technik betreiben, sagt Perpetuum-Chef Roy Freeland.

Den ganzen Tag fliegen

Doch die neuen Sensoren sollen auch tief in unseren Alltag dringen. Mit batterielosen Schaltern etwa, die Heizungen oder die Beleuchtung steuern. Ganz weit vorne in dem Feld ist der Oberhachinger Funksensoranbieter Enocean, der allerhand autarke Sender produziert: Solarbetriebene Sensoren in Fenstergriffen etwa schalten per Funk die Heizung aus, wenn jemand das Fenster öffnet. Nächstes Jahr soll laut Enocean auch ein Heizungsventil auf den Markt kommen, das Betriebsenergie aus der Wärme des Heizkörpers gewinnt und per Handy steuerbar ist. Bis zu 40 Prozent Energiekosten sparen Hausbesitzer mit solchen Techniken, sagt der Anbieter.

Dass Energy Harvesting überhaupt funktioniert, verdanken die Ingenieure einem Naturgesetz, auf das bereits im Jahr 1840 der Heilbronner Physiker Julius Robert von Mayer stieß. Als von Mayer mit 26 Jahren als Schiffsarzt auf einem holländischen Dreimaster nach Indonesien anheuerte, machte er eine fundamentale Beobachtung: Aufgewühlte Wogen waren stets wärmer als die ruhige See.

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