Energie Wie die Stromversorgung der Zukunft aussieht

Sonnen-, Wind-, Wellen- und Fusionskraftwerke sollen in Zukunft die Stromversorgung der Welt sichern. Auch die Atomkraft hat noch lange nicht ausgedient.

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Solarturmkraftwerk: Sechs Stunden Sonne reichen für die Versorgung der Welt

Bis auf ein paar Millionen Tonnen sind die Erdölvorräte erschöpft. Erdgas geht ebenfalls zur Neige, und Kohle, der 50 Jahre zuvor noch eine Reichweite von etwa 200 Jahren bescheinigt wurde, reicht nur noch für 50 Jahre, weil sie zunehmend in Kraftwerken verfeuert und von der chemischen Industrie eingesetzt wird. Zudem gehen große Mengen Kohle für die Produktion von Kraftstoffen drauf. Und die gewaltigen Vorräte an gefrorenem Erdgas in den Weltmeeren und den sibirischen Permafrostböden lassen sich nicht so schnell und umfassend nutzen wie erhofft.

So verzweifelt könnte die Situation der Menschheit zur Mitte dieses Jahrhunderts sein, wenn der weltweite Energieverbrauch weiterhin so drastisch steigt wie bisher. Der Weltenergierat erwartet bis 2050 eine Zunahme der jährlichen Nachfrage um fast 60 Prozent auf dann 220 Milliarden Megawattstunden.

Droht also der Kollaps der Weltwirtschaft? So weit muss es nicht kommen. „Die Energiemenge, die unser Fusionsreaktor Sonne innerhalb von sechs Stunden in die Wüstenregionen der Erde einstrahlt, entspricht dem Weltenergiebedarf eines ganzen Jahres“, sagt Professor Michael Düren vom II. Physikalischen Institut der Universität Gießen. Aus physikalischer Sicht werde es keine Energiekrise geben, so lange die Sonne scheint. Es müsse nur endlich gelingen, Solarenergie preiswert in elektrischen Strom umzuwandeln.

Solarzellen sind heute noch alles andere als Billigartikel. Ein ein bis zwei Quadratmeter großes Modul zur Produktion von einem Kilowatt Strom schlägt derzeit einschließlich Peripherie mit etwa 4000 Euro zu Buche – kein Wunder, dass sich in Italien, Spanien, aber auch hierzulande die Diebstähle von Anlagen häufen. Dabei hat die Solarindustrie in den zurückliegenden fünf Jahren die Produktionskosten bereits um 30 Prozent reduziert. Und Anton Milner, Vorstandschef des weltgrößten Solarzellenherstellers Q-Cells in Thalheim in Sachsen-Anhalt, sieht kurzfristig ein Kostensenkungspotenzial von weiteren 40 bis 50 Prozent. Der norwegische Hersteller REC schätzt, dass bis zum Jahr 2012 die Produktionskosten für Strom aus Sonnenenergie in südlichen Ländern auf fünf Cent pro Kilowattstunde sinken werden. In Deutschland hingegen wird dezentral erzeugter Solarstrom allen Preissenkungen zum Trotz selbst auf lange Sicht nicht konkurrenzfähig sein können. Ohne Importe wird es deshalb nicht gehen. Solarstrom aus den sonnenverwöhnten Regionen Südeuropas oder Nordafrikas ließe sich mithilfe von verlustarmen Übertragungstechniken (WirtschaftsWoche 16/2008) nach Mitteleuropa transportieren.

Alternative Energiequellen nutzen

Genau darum ging es Anfang Juli beim 1. Gießener Workshop zur SolarEnergiePartnerschaft mit Afrika. Die Idee: Gewaltige Parabolspiegel oder sogenannte Receiver an der Spitze eines Turms fangen die Wärme der Sonne ein und nutzen sie zur Erzeugung von Dampf, der in Turbogeneratoren in Strom verwandelt wird. Im vergangenen Jahr ging im US-Bundesstaat Nevada ein 64-Megawatt-Kraftwerk dieser Art ans Netz. Noch in diesem Jahr folgt in Spanien Andasol 1. Weltweit sind Anlagen dieser Art mit 9000 Megawatt im Bau oder geplant. Zum Vergleich: Die modernsten Kernkraftwerke produzieren gegenwärtig 1400 Megawatt.

Auch zur Erzeugung von Windenergie ist Deutschland nicht der optimale Standort. Im Nordatlantik und vor der Westküste Nordafrikas sorgen kräftige und vor allem stetige Winde für deutlich höhere Wirkungsgrade als Windgeneratoren hierzulande erreichen können. Die Technik ist allerdings auch noch entwicklungsfähig. Gearbeitet wird an Generatoren mit Hochtemperatur-Supraleitern, die bei gleicher Leistung mit weniger als der Hälfte an Gewicht auskommen. Siemens hat bereits einen solchen Generator gebaut.

Leichte Generatoren würden den Bau von Windkraftwerken auf hoher See wesentlich erleichtern: Fundamente ließen sich dann durch schwimmende Plattformen ersetzen, die lediglich mit Seilen am Meeresboden verankert werden.

Etwa 3,5 Prozent des Weltstromverbrauchs könnten ohne Belastung des Klimas mit Strom aus dem Meer gedeckt werden, haben Berechnungen des Heidenheimer Anlagenbauers Voith Siemens Hydro Power Generation ergeben. Er denkt dabei an die energetische Nutzung der Meeresströmungen, der Gezeitenwechsel sowie der Kraft der Wellen. Den Berechnungen ließ das Unternehmen auch gleich Taten folgen: Voith Siemens kaufte vor drei Jahren das schottische Unternehmen Wavegen, das auf der Insel Islay das weltweit erste Wellenkraftwerk zur Stromerzeugung betreibt. Im spanischen Baskenland bauen die Partner derzeit 16 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 250 Kilowatt.

Auch ContiTech setzt aufs Meer. Die Niedersachsen sind an mehreren Entwicklungen beteiligt, unter anderem an Pelamis, einer 150 Meter langen neuzeitlichen Seeschlange. Sie besteht aus mehreren Segmenten, die sich im Wellengang gegeneinander verschieben. Diese Bewegungen übertragen sich auf Pumpen, die Hydrauliköl durch einen Turbogenerator pressen. Vor Portugal, das bis zum Jahr 2050 bis zu 30 Prozent seines Stroms aus Meeresenergie beziehen könnte, sollen zunächst drei dieser Seeschlangen mit einer Gesamtleistung von 2,3 Megawatt ausgelegt werden.

Unweit davon soll auch Wave Dragon heimisch werden. Der Wellen-Drache, entwickelt vom gleichnamigen dänischen Unternehmen, besteht – vereinfacht gesagt – aus einem Becken im Meer, das stetig von über den Rand schwappenden Wellen befüllt wird. Das Wasser, das durch eine Öffnung im Becken wieder herausläuft, treibt einen Turbogenerator an.

Drastischer Anstieg

Derzeit baut das Unternehmen mit EU-Fördergeldern in Höhe von 2,4 Millionen Euro vor der walisischen Küste einen Drachen mit sieben Megawatt Leistung. „Wir rechnen damit, die Anlage im Sommer nächsten Jahres in Betrieb nehmen zu können“, sagt Wave-Dragon-Chef Hans-Christian Sorensen. Weitere Wellenkraftwerke mit einer Gesamtleistung von zunächst 50 Megawatt sind geplant.

Auf Windmühlen unter Wasser setzt hingegen der Düsseldorfer Energieriese E.On. Vor Wales will das Unternehmen bis 2011 ein Kraftwerk mit einer Leistung von acht Megawatt bauen, das sich die Gezeitenströmungen zunutze macht.

In Deutschland werden die erneuerbaren Energien auf absehbare Zeit nur eine Nebenrolle spielen – aktuell tragen sie etwa 13,7 Prozent zur Stromerzeugung bei. In Politik und Wirtschaft mehren sich daher die Stimmen, die für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke plädieren und sogar den Bau neuer Reaktoren fordern. Die kommen nicht nur mit weniger Uran aus, sondern verringern auch die Betriebsrisiken – selbst die Schmelze des Reaktorkerns führt hier nicht mehr zwangsläufig in die Katastrophe.

Selbst für Norwegen, das seinen Strom zu nahezu 100 Prozent aus Wasserkraft bezieht, ist Kernenergie wieder eine Option. „Keine Technologie sollte vergöttert oder verteufelt werden“, mahnte kürzlich eine hochkarätig besetzte Kommission, die im Auftrag der Regierung die Möglichkeiten einer langfristigen Energieversorgung auslotete. Sie empfahl, die „Option Thorium“ aufrechtzuerhalten. Das Schwermetall lässt sich in speziellen Kernkraftwerken zur Stromerzeugung nutzen. Das Thorium wird in Grafit eingebettet, das höhere Temperaturen schadlos übersteht als der Reaktor je erzeugen kann, mehr noch: Der Reaktor schaltet sich bei übermäßigen Temperaturen selbst ab. Die ersten Thorium-Hochtemperatur-Reaktoren liefen von 1966 an in Jülich – dort wurde der sogenannte Kugelhaufenreaktor erfunden – und von 1983 an in Hamm-Uentrop. Aus politischen Gründen wurden die einst vielgepriesenen „Atomreaktoren der Zukunft“ Ende der Achtzigerjahre stillgelegt. Heute verfolgen die Technik nur noch China, das bereits den zweiten Reaktor dieser Art baut, sowie Südafrika.

Das wiedererwachte Interesse an der Technik ist kein Zufall. Thorium kommt auf der Erde fünfmal häufiger vor als Uran. Zudem werden Kugelhaufenreaktoren mit Helium gekühlt und erreichen so Temperaturen von bis zu 900 Grad Celsius. Uran-Reaktoren kommen auf lediglich 350 Grad. Das hohe Temperaturniveau reicht aus, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Damit ließe sich beispielsweise eine kohlendioxidfreie Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Außerdem kann die mörderische Hitze Methan (Erdgas) in Wasserstoff und Kohlenmonoxid spalten. In kaltem Zustand lässt sich das Gasgemisch beispielsweise in ein Kraftwerk im Stadtzentren pumpen. Mithilfe von Katalysatoren reagieren die Gase dort miteinander. Dabei entsteht wiederum Methan, das zum Reaktor zurückgepumpt wird, sowie Wärme, die zur Stromerzeugung, zum Heizen oder auch als industrielle Prozesswärme genutzt werden kann. In den Siebzigerjahren ist dieses System in der damaligen Kernforschungsanlage (heute Forschungszentrum) Jülich erfolgreich getestet worden.

Sonne als Vorbild

Aber vielleicht gehört die Zukunft ja auch der Kernfusion. 2020, so hoffen Politiker wie Wissenschaftler, soll im französischen Cadarache der erste Fusionsreaktor ans Netz gehen, in dem nach dem Vorbild der Sonne radioaktive Wasserstoffisotope bei einer Temperatur von 100 Millionen Grad Celsius zu Helium verschmelzen. Nachdem es Forschern in Experimentalanlagen gelungen war, das heiße Isotopengemisch mit gewaltigen Magnetfeldern im Zaum zu halten, wollen sie nun im fünf Milliarden Euro teuren Experimental-Reaktor namens „Iter“ (kurz für International Thermonuclear Experimental Reactor) das Verfahren erstmals zur Energieerzeugung in bescheidenem Umfang nutzen. Iter ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Union mit den USA, Russland, China, Südkorea, Indien und der Schweiz.

Gelingt die Kernfusion im großtechnischen Maßstab, wären sämtliche Energieprobleme gelöst: Ein 1000-Megawatt-Reaktor verbraucht jährlich ganze 100 Kilogramm Deuterium, das aus Wasser gewonnen wird, und 300 Kilogramm des reichlich verfügbaren Leichtmetalls Lithium.

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