Ernährung Die große Verschwendung

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This Thursday, Aug. 4, 2011 Quelle: dapd

In Deutschland sind solche Ideen noch nicht verbreitet. Einige Supermärkte reduzieren immerhin die Preise für Waren kurz vor Ablauf oder mit leichten Beschädigungen. Die meisten Händler aber scheuen dies, weil sie befürchten, sich damit die Preise kaputt zu machen.

Abhilfe bei der Datenkonfusion könnten sogenannte sensorische Frische-Label schaffen, die gerade erforscht werden. Etwa an der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien in München. Deren Mitarbeiter haben eine in die Packung integrierte Sensorfolie entwickelt, die vor verdorbenen Speisen warnt. Der Indikatorstoff in der Folie reagiert auf Stoffe, die sich bilden, wenn die Zersetzung von Lebensmitteln beginnt. Die Farbe der kostengünstigen Sensorfolie wechselt dann von Gelb zu Blau. "Die Information der Sensorfolie beruht im Gegensatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum nicht auf einer Schätzung, sondern auf der tatsächlichen Kontrolle des Lebensmittels", betont Forscherin Anna Hezinger.

Das wäre auch hilfreich, um festzustellen, ob ein Lebensmittel vorzeitig schlecht geworden ist, weil die Kühlkette unterbrochen war. Um Lebensmittel wie Fleisch, Fisch oder Milchprodukte auf ihrem oft langen Weg zum Verbraucher frisch zu halten, ist eine permanente Kühlung wichtig. 35 Prozent solcher leicht verderblichen Lebensmittel landen weltweit wegen mangelhafter Kühlung auf dem Müll.

Verderbender Kühlschrank

Am Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren der TU Darmstadt wurde inzwischen auch ein RFID-Funk-Etikett mit einem Sensor versehen, der Unterbrechungen in der Kühlkette registriert. So können eventuelle Kühlungsunterbrechungen schnell bemerkt werden.

Nicht für jedes Lebensmittel ist die frostige Kälte des Kühlschranks jedoch der beste Aufbewahrungsort, sagt die in Amsterdam lebende koreanische Designerin Jihyun Ryou. Einige Gemüsesorten verderben im Kühlschrank deutlich schneller als draußen. Bei Zucchini und Auberginen etwa erfriert bei unter acht Grad Celsius die Haut und sie bekommen faulige Stellen. Auch Gurken oder Tomaten halten besser ohne Kühlung.

Ryou machte daraus ein Kunstprojekt mit dem Titel "Save food from the fridge" (rettet das Essen aus dem Kühlschrank). Seither steckt sie Karotten, die sonst achtlos in der unteren Schublade des Kühlschranks landen, aufrecht stehend in Hängeregale mit feuchtem Sand und Glasfront, ebenso Lauch. Die Idee stammte von den Bauern, die sie besucht hatte. Sie hielten so das Gemüse für viele Wochen frisch.

Sinnlose Gewohnheiten

Auch für Eier hat der Kühlschrank einen Nachteil: "Sie nehmen den Geruch an, der sie umgibt." Ryou hat deshalb ein eigenes Eierregal entworfen. Und weil kaum jemand weiß, wie lange Eier eigentlich nach dem Legedatum halten, hat sie es mit einen kleinen Wasserbehälter ausgestattet. Hier lässt sich die Frische der Eier testen: Sind sie noch gut, sinken sie zu Boden, schwimmen sie an der Wasseroberfläche, empfiehlt Ryou, sie nicht roh zu essen, sondern sie zu braten oder hart zu kochen.

Im Moment schreibt Ryou an einem Buch über ihre Recherchen bei holländischen, italienischen und koreanischen Bauern. Denn sie weiß, dass sich in unseren Küchen Gewohnheiten etabliert haben, die völlig sinnlos sind, etwa die Eier in den Kühlschrank zu legen. Wenn sie Menschen fragte, warum sie das tun, bekam sie stets zur Antwort: "Weil es dort einen Platz für die Eier gibt." 

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