Ernährung Tiere müssen Industriemüll fressen

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Generell seien nur bis zu fünf Prozent Glycerin im Futter vertretbar, warnt die DLG. Denn es ist einem natürlichen Energiespeicherstoff etwa aus Nüssen zwar ähnlich – aber nicht identisch. Daher ist es problematisch, dass oft mehr beigemischt wird. Die DLG-Forscher untersuchen regelmäßig, was ohne Ertragseinbußen in den Trog darf. Die Stellungnahme ist jedoch nur eine Empfehlung. Wie gesund Fleisch und Milch von glyceringemästeten Tieren für den Menschen sind, beantworten die Experten erst gar nicht.

Breit angelegte Studien mit dieser Fragestellung fehlen – trotz beunruhigender Indizien: Marta Terré, Agrarwissenschaftlerin aus dem spanischen Katalonien, untersuchte 102 Lämmer, die sie in drei Gruppen aufteilte. Eine Gruppe ernährte sie glycerinfrei, eine weitere bekam fünf und eine andere zehn Prozent der Chemikalie. Terré beobachtete, dass mit dem Anteil von Glycerin im Futter auch der Gehalt an kürzerkettigen, gesättigten Fetten im Fleisch zunimmt.

Diese Fette treiben den Cholesterinspiegel im Blut des Menschen in die Höhe und begünstigen laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Tonnenweise weitere Abfälle

Auch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in Brüssel hat das Thema mittlerweile auf der Agenda: Sorge bereiten den Fachleuten die Verunreinigungen im Rohglycerin. Bis zu einem Fünftel der vermeintlich Kraft spendenden Futterpampe besteht aus anderen Reststoffen der Biodieselproduktion, darunter Salze, giftiges Methanol – das als Blindmacher in selbst gebranntem Schnaps gefürchtet ist – und andere noch nicht identifizierte Chemikalien.

Dass diese Mixtur problematisch sei, räumen selbst die Experten vom Deutschen Verband Tiernahrung ein: „Da hat es unliebsame Vorfälle gegeben.“ Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub geht etwas mehr ins Detail und schreibt von Vergiftungen bei Schweinen aufgrund des hohen Salzgehaltes. Die Tiere sind letztlich innerlich vertrocknet.

Während die Wissenschaft nicht recht vorankommt, landen immer weitere Abfälle aus Biospritfabriken im Futter: Neben Glycerin stehen neuerdings Hunderttausende Tonnen sogenannte Schlempe auf dem Speiseplan von Schwein, Kuh und Huhn.

Schlempe ist eine eiweißhaltige, braune Masse, die zurückbleibt, wenn Getreide zu Bioethanol vergoren wird. Einer der führenden europäischen Bioethanolproduzenten CropEnergies aus Zeitz bei Leipzig, verarbeitet sie zu kleinen, braunen Stäbchen und vermarktet sie an Mischfutterhersteller. Das Futter riecht säuerlich, ein bisschen wie vergorener Hefeteig.

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