Ernährung Tiere müssen Industriemüll fressen

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Aus 2,7 Kilo Roggen gewinnt das Unternehmen einen Liter Sprit und ein Kilo Viehfutter, rechnet CropEnergies-Manager Lutz Guderjahn vor. „Es heißt immer Tank versus Teller, aber wir praktizieren Tank und Trog und damit Teller.“ Guderjahn nennt die Stäbchen ein internes Hedging-Instrument, da ihr Absatz darüber entscheidet, ob die Bioethanolfabrik profitabel läuft: Würde das Unternehmen die 250 000 Tonnen Schlempe pro Jahr kostenpflichtig entsorgen, müsste das Werk schließen. So werden sie verkauft und bringen 10 bis 20 Prozent des Gesamtumsatzes ein. Seit 2004 geht das so.

Jahre später, erst Ende 2009, prüft die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft erstmals, ob sich Schlempen als Futter fürs Vieh überhaupt eignen. Fazit: Ein Mastbulle vertrage ein Kilo Weizen- und Gerstenschlempe am Tag. Allerdings dürfe das nicht die einzige Eiweißquelle sein, weil es dem Rückstand an Lysin mangelt, ein Eiweißbaustein, den alle Tiere für gesundes Wachstum brauchen. Deshalb müsse Lysin künstlich zugesetzt werden.

Die Nährstoffdefizite im Futter haben sich in jüngster Zeit ohnehin verschärft, weil die Verarbeiter noch den letzten Inhaltsstoff aus Schlempe und anderen Reststoffen isolieren und separat verkaufen. Aus der grüngelben Molke etwa, die in Käsefabriken übrig bleibt, werden beispielsweise Eiweiße wie Albumin gefiltert. Der ausgelaugte Rückstand wird dann künstlich mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert, damit die Tiere nicht an Mangelerscheinungen zugrunde gehen.

Genmanipulierte Schlempe

Sorgen bereiten Experten wie Agrarforscher Nicolas di Lorenzo von der Texas Tech University auch die Mikroben in der Schlempe. Vielfach werden mittlerweile gentechnisch veränderte Hefen im Gärprozess verwendet, die möglichst viel Biosprit aus dem Korn holen sollen. Diese genmanipulierten Kleinstlebewesen werden mit der Schlempe von Kühen, Schweinen und Hühnern gefressen – mit unbekannten Folgen. CropEnergies betont, dass man nur natürliche Hefen verwende. Doch auf gentechnisch veränderte Mikroben wird die Schlempe überhaupt nicht routinemäßig geprüft.

All das ist kein Problem für den Deutschen Verband Tiernahrung, der die Futterhersteller repräsentiert. Statt sauberer Forschung würde es die Lobbygruppe ohnehin lieber sehen, wenn die Hersteller Zigmillionen Tonnen Schlempe aus den USA importieren könnten, was bislang noch verboten ist, weil darin oft gentechnisch verändertes Getreide enthalten ist.

Denn es geht um ein Milliardengeschäft: 2010 fuhren die rund 330 deutschen Mischfutterhersteller mit 6,7 Milliarden Euro ihren zweithöchsten Umsatz in ihrer Geschichte ein, rund acht Prozent mehr als im Vorjahr.

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