Abschied von der grünen Biotechnik Genfood: Deutschland steht sich selbst im Weg

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Keine Besserung in Sicht

Was steckt in unserem Essen?
Gestreckter KaffeeUm mehr Geld zu verdienen kommt es immer wieder vor, dass Hersteller ihren Kaffee strecken. Dafür mischen sie laut einer NDR-Reportage den gemahlenen Bohnen zu etwa zehn Prozent den Stoff Maltodextrin bei. Dabei handelt es sich um eine Zuckerart, die in der Lebensmittelindustrie als günstiger Füllstoff eingesetzt wird. Auch Karamell wird zum Strecken verwendet. Kunden sollten im Supermarkt bei der Aufschrift "Melange" hellhörig werden. Auch im Kleingedruckten geben die Hersteller an, ob sie das Produkt gestreckt haben. Damit gibt es keine rechtlichen Konsequenzen. Quelle: dpa
Ewig frisches FleischSeit Tagen liegt das Hackfleisch im Kühlschrank und noch immer sieht es frisch aus. Die Lebensmittelindustrie macht es möglich, indem sie einfach ein Gasgemisch mit viel Sauerstoff in die Verpackung pumpt. Dadurch bleibt das Fleisch optisch frisch. Am Geschmack lässt sich das Alter dann aber doch erkennen. Das Max-Rubner-Institut hat herausgefunden, dass derartig behandelte Ware ranzig schmeckt. Außerdem soll das Gasgemisch das Wachstum bestimmter Bakterien fördern. Quelle: dpa
Gefärbte OlivenIm Handel werden sowohl schwarze als auch grüne Oliven vertrieben. Schwarze Oliven gelten dabei als besondere Delikatesse, da sie schon reif und damit vollmundiger im Geschmack sind. Die grünen Oliven sind noch sehr jung und damit eher herb und säuerlich im Geschmack. Weil sich die schwarzen Exemplare besser verkaufen lassen, sind findige Hersteller auf die Idee gekommen, grüne Oliven einfach schwarz zu färben. Rein optisch ist es sehr schwer die echten von den gefälschten schwarzen Oliven im Glas unterscheiden zu können. Wer wissen will, welche Oliven er kauft, muss einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Sind die Stabilisatoren Eisen-2-Gluconat oder Eisen-2-Lactat aufgelistet, handelt es sich um Trickserei. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Natürliche AromenVielen Verbrauchern ist es wichtig, dass in Produkten keine oder zumindest wenig Chemie enthalten ist. Wer aber darauf vertraut, dass in einer Erdbeermarmelade mit "natürlichen Aromen" nur Erdbeeren und Zucker enthalten sind, der kann sich täuschen. Natürliche Aromen können nämlich auch pflanzliche Öle sein, die dem Obstgeschmack nahe kommen. Quelle: dpa
PestoSo beklagt die Verbraucherorganisation Foodwatch, dass beispielsweise im Pesto Verde der Marke Bertolli (Unilever) Cashewnüsse, Pflanzenöl, Aroma und Säuerungsmittel enthalten sind. Dabei wirbt Unilever mit "original italienischer Rezeptur", "nur die besten Zutaten", "feinstes Bertolli Olivenöl" und Pinienkernen. Mehr als ein Fingerhut voll Olivenöl muss aber gar nicht drin sein und auch die teuren Pinienkernen müssen nur zu einem geringen Teil enthalten sein. Quelle: Fotolia
PuddingAuch im Pudding muss nicht drin sein, was draufsteht: So reicht es beispielsweise, wenn im Schokoladenpudding ein Prozent echtes Kakaopulver enthalten ist. Der Rest darf eine bunte Mischung aus Aromen, Zucker, Fett und Gelatine sein. Nur wenn weniger als ein Prozent Kakao - also Schokolade - im Schokopudding ist, muss das entsprechend deklariert werden. Quelle: dpa/dpaweb
FruchtsaftgetränkeAuch bei Fruchtsäften müssen Verbraucher aufmerksam sein. Nur, wenn auf der Packung "Fruchtsaft aus 100 Prozent Frucht" steht, ist tatsächlich nichts anderes drin. Die deutsche Fruchtsaftverordnung erlaubt allerdings auch die Verwendung von Fruchtsaftkonzentrat und 15 Gramm zusätzlichem Zucker pro Liter Saft. Saft aus Zitronen, Limetten, Bergamotten und schwarzen, roten oder weißen Johannisbeeren darf mehr Zucker zugesetzt werden. Beim Fruchtnektar handelt es sich dagegen um eine Mischung aus Fruchtsaft und/oder Fruchtmark, Wasser und Zucker. Der Fruchtanteil beträgt 25 bis 50 Prozent. Noch niedriger ist der Fruchtanteil bei Fruchtsaftgetränken: Bei Orangensaft liegt dieser bei sechs Prozent, bei Traubensaft und Apfelsaft bei 30 Prozent. Bei Eistees reicht es, wenn Obst auf der Packung abgebildet ist, enthalten sein muss keins. So beanstandet Foodwatch den Pfanner-Eistee "Zitrone-Physalis", in dem die Menge an Physalis ist so gering ist, dass sie nicht einmal deklariert werden muss. Im zwei-Liter-Karton sind außerdem enthalten: 44 Stück Würfelzucker, 15 Prozent gelber Tee, Aromen und E330 (Zitronensäure). Quelle: dapd

Weil parallel dazu kleine, vielversprechende deutsche Biotech-Gründungen von großen Konzernen geschluckt wurden – zum Beispiel Plantec von Bayer, Metanomics und Sungene von BASF –, wandern deren Forscher gleich mit ab. „Sungene schließt Ende 2013 die Pforten“, sagt etwa deren Mitgründer Uwe Sonnewald. Er hat sich in Erlangen wieder auf die Grundlagenforschung verlegt. Aber selbst da falle es schwer, sehr gute Studenten für Pflanzenwissenschaften zu begeistern.

Umso mehr als auch der Europäische Gerichtshof Mitte Dezember wegen Verfahrensfehlern die Zulassung der gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffel gekippt hat. Auf deren Zulassung hatte BASF 13 Jahre lang gewartet.

Besserung ist nicht in Sicht – schon gar nicht in Deutschland. „Weit ab von jeder rationalen Begründung wird der Forschungsstandort Deutschland auf diesem wichtigen Zukunftsfeld ausgebremst“, sagt Ulrich Wobus. Er leitete bis 2007 das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben in Sachsen-Anhalt – neben Köln und Potsdam das deutsche Zentrum für die Anwendungsforschung transgener Pflanzen.

Dabei verfolgten die Gen-Ingenieure hehre Ziele: Sie wollten per Gentransfer Pflanzen leistungsfähiger und robuster gegen Schädlinge und Klimaschwankungen machen – und so auch die Ernährung für immer mehr Erdenbewohner sichern.

Warum gerade die Europäer bei Gentechnik im Essen so misstrauisch sind, hat mehrere Gründe. Angst ist einer davon. Die Enthüllungen rund um die BSE-Krise in den Neunzigerjahren haben das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelindustrie nachhaltig erschüttert. Übertreibung ist ein weiterer: Anfangs habe die Branche grüne Gentechnik viel zu positiv dargestellt, räumt Philip von dem Bussche ein, der Chef des Saatgutherstellers KWS: „Da müssen wir uns als Branche an die eigene Nase fassen.“ Auf Genfood gegen Herzinfarkt und Falten etwa können die Verbraucher wohl noch lange warten.

Das passt zum grundlegenden Marketingproblem der grünen Gentechnik: Anders als bei Biotech-Medikamenten haben die Verbraucher bisher keinen erfahrbaren Nutzen vom Genfood. Und die Landwirte, die von ertragreicheren Sorten profitieren könnten, setzen in Europa mit seiner landwirtschaftlichen Überproduktion ohnehin eher auf Klasse statt Masse.

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