Antikörper im Visier Neuer Ansatz im Kampf gegen Alzheimer

Forscher der Berliner Charité haben im Kampf gegen Alzheimer einen neuen Ansatz gefunden: Eine Blutwäsche kann möglicherweise gegen die Krankheit helfen. Verschiedene Versuche aus Berlin lassen ganz vorsichtig hoffen.

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Vergessen, wo es lang geht: Ein Demenzkranker in einem Pflegeheim in München. Quelle: dpa

Berlin Sind manche Formen von Alzheimer möglicherweise durch eine Autoimmunkrankheit hervorgerufen, bei der sich der Körper irrtümlich gegen das eigene Abwehrsystem richtet? Auf diesem neuen Pfad suchen Berliner Forscher vom Uniklinikum Charité und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) nach Ansätzen, um der Alzheimer-Erkrankung und anderen Demenzformen zu begegnen. Unabhängig voneinander fanden sie im Blut von Erkrankten verschiedene Antikörper aus einer fehlgeleiteten Immunantwort des Körpers. In beiden Fällen bewirkte eine spezielle Blutwäsche, die demente Patienten von diesen Antikörpern befreite, eine deutliche Besserung, zum Beispiel bei der Gedächtnisleitung. Doch bislang wurden erst ganz wenige Patienten behandelt.

„Das ist ein sehr spannender und auch neuer Ansatz“, kommentiert Richard Dodel (Universität Marburg) von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie die Berliner Veröffentlichungen. Allerdings sei es noch zu früh und die vorgelegten Daten - auch im Längsschnitt - noch zu gering, um Hoffnungen bei Patienten auf eine sofort zur Verfügung stehende Therapie zu schüren. Weitere Studien sind notwendig.

„Die Fallzahlen sind noch sehr klein“, räumt auch Marion Bimmler vom MDC ein. Nur eine Handvoll Patienten konnten bislang behandelt und sechs bis zwölf Monate beobachtet werden - allerdings mit gutem Ergebnis. Ein handfester Nachweis gelang dem Forscherteam, zu dem auch Experten einer kleinen Berliner Biotechfirma gehören, jedoch im Tierversuch: Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass bestimmte fehlregulierte Abwehrstoffe des Immunsystems Blutgefäße im Gehirn definitiv beschädigen (Journal „PloS ONE“).

Bei den Abwehrstoffen des Immunsystems handelt es sich um fehlregulierte Antikörper, die den eigenen Körper angreifen, sogenannte Autoantikörper. Mit Hilfe der Kernspintomographie wiesen Bimmler und Kollegen bei Ratten nach, dass sich diese Autoantikörper an bestimmte Oberflächenproteine (alpha1 adrenerge Rezeptoren) von Blutgefäßzellen binden - und dadurch die Gefäße des Gehirns schädigen. Der Grund: Sie verursachen eine Dauerstimulation des Rezeptors und bewirken dadurch mittelbar eine Verdickung der Gefäßwände.


Spezielle Blutwäsche für Patienten

„Durch schlecht durchblutete Gefäße können auch keine Schadstoffe, etwa Plaques, abtransportiert werden“, erläutert Bimmler. Deshalb wurden in Zusammenarbeit mit einer Geriatrischen Klinik der Charité Patienten mit Alzheimer und durchblutungsbedingter (vaskulärer) Demenz einer speziellen Blutwäsche unterzogen. „In den sechs bis zwölf Monaten seit der Behandlung verbesserten sich die Gedächtnisleistungen und Alltagsfertigkeiten der behandelten Patienten deutlich. Der Zustand von anderen, die die Behandlung abbrachen, verschlechterte sich dagegen dramatisch“, sagt Bimmler.

Das potenzielle Einsatzgebiet des Verfahrens wäre möglicherweise groß: „Etwa die Hälfte der Patienten mit Alzheimer oder vaskulärer Demenz hat derartige Antikörper“, sagt Bimmler. Allerdings fehlen auch hier noch Belege über die klinische Relevanz und Zahlen aus größeren klinischen Studien.

Einen etwas anderen Weg beschreitet das Team um den Charité-Neurologen Harald Prüß. Zwar geht auch Prüß davon aus, dass Demenzerscheinungen durch ein gestörtes Immunsystem hervorgerufen werden können - und als Begleiterscheinung einer Autoimmunerkrankungen therapierbar sind (veröffentlicht in „Neurology“). Allerdings sucht das Charité-Team nach anderen Antikörpern, nämlich solchen, die fälschlicherweise gegen einen bestimmten Ionenkanal im Gehirn (NMDA) gebildet werden und somit Nervenfunktionen schädigen.

Auch hier hatten die speziellen Blutwäschen einen ähnlich guten Effekt, aber die Patientenzahlen waren ebenfalls noch sehr klein. Eine große Studie soll in Kürze zeigen, wie hoch der Anteil der - potenziell behandelbaren - NMDA-Antikörperträger bei Patienten mit Alzheimer, aber auch Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder Parkinson ist. „Ich kann noch nichts Konkretes verraten, aber soviel, dass ihr Anteil relevant ist“, sagte Prüß.

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