Auf dem Weg zum Cyborg Warum sich Menschen selbst optimieren

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Chips an den Nerven

Eine andere Erweiterung der Sehsinns schwebt dem US-Unternehmer Gary Wörtz vor, Gründer von Omega Ophthalmics: Er entwickelt eine künstliche Linse, wie sie inzwischen schon vielen Patienten mit grauem Star ins Auge eingesetzt wird. Der Clou: Wörtz will in seiner Linse Platz lassen für künftige elektronische Bauteile. So ließen sich etwa durchsichtige Bildschirme integrieren, die Navigationspfeile und andere Informationen aus dem Internet anzeigen – Augmented Reality fürs Auge.

Elektronik und Körper werden so mehr und mehr miteinander verschmelzen. Und je kleiner elektronische Bauteile werden, desto tiefer werden Forscher sie in den Körper hineinbauen. Darauf wettet beispielsweise das britische Start-up Galvani – eine Neugründung des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline und der Google-Mutter Alphabet. Ausgestattet mit umgerechnet rund 600 Millionen Euro Startkapital, soll Galvani Implantate entwickeln, kleiner als Reiskörner, die sich an Nerven binden und deren Signale beeinflussen sollen. In Tierversuchen zeigte sich, dass die Technik gegen chronische Krankheiten helfen kann. Ab 2023 wollen die Briten mit ihren Nervenchips beispielsweise die Insulinproduktion im Körper anregen, um Diabetes zu behandeln, oder Muskeln stimulieren und damit gegen bestimmte Lungenkrankheiten angehen.

Kürzlich bauten Forscher der Universität Wyoming sogar ein System, mit dem sich die Aktivität ausgewählter Körperzellen per Handy fernsteuern lässt. Per Genmanipulation brachten sie den Zellen bei, Insulin zu produzieren, sobald rotes Licht auf sie fällt. Sie pflanzten die Zellen in Mäusen ein, zusammen mit einer LED-Lampe. Die Lampe ließ sich über eine Handy-App fernsteuern. Sobald ein Blutzuckermessgerät hohen Blutzucker meldete, aktivierte die App die Lampe und damit auch die Insulin-Zellen. Künftig könnte das System bei Diabetikern via Handy den Blutzucker automatisch regulieren – eine App für den Pankreas also.

Diese Jobs mischen Roboter auf
IndustrieSchon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“ Quelle: dpa
Das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen Quelle: dpa
BüroSchreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig. Quelle: dpa
Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab Quelle: dpa
Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten Quelle: dpa
Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen Quelle: dpa
Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst Quelle: dpa

Die größten Fantasien aber drehen sich derzeit um ein anderes Organ: das Gehirn. Gelänge es, eine Verbindung zwischen Hirn und Computer zu entwickeln, dann könnten biologische Intelligenz und künstliche Intelligenz miteinander verschmelzen, hofft etwa Tesla-Chef Elon Musk. Dessen Start-up Neuralink entwickelt eine solche Gehirn-Computer-Schnittstelle. Menschen könnten dann mit Gedankenkraft Geräte steuern, E-Mails schreiben oder Erinnerungen teilen. Auch bei Facebook arbeiten Wissenschaftler an dieser Vision. Forscher an der University of California haben dafür schon Drahtlos-Sensoren entwickelt, so klein wie Staubkörner, die künftig zu Tausenden im Gehirn die Aktivität der Neuronen auslesen und die Daten an einen Computer funken könnten.

Der Futurist Ray Kurzweil, der bei Google an künstlicher Intelligenz arbeitet, glaubt, dass wir unsere natürlichen Körperteile nach und nach durch technologische Bauteile ersetzen. Menschen könnten etwa künstliche Blutzellen entwickeln, die sich von selbst durch die Blutbahn bewegen und damit das Herz überflüssig machen. In den 2030er-Jahren schon, glaubt Kurzweil, werden Gehirne direkt mit einer Daten-Cloud verbunden werden und Gedanken dort abspeichern – oder neue intellektuelle Fähigkeiten herunterladen wie Apps. Wir könnten mithilfe von künstlicher Intelligenz unsere Kreativität steigern, unsere Wortgewandtheit, unser Gedächtnis und unsere Empathie. Der Mensch werde dann seine Möglichkeiten viel tiefer ausschöpfen als je zuvor.

Was aber, fragt der Historiker Harari, bleibe noch vom Individuum übrig, wenn sich eines Tages Gehirne und Computer zu einer global vernetzten Superintelligenz verbänden? Wer ist dann noch Ich, wer Du? Wird die Kluft zwischen Arm und Reich noch tiefer, wenn Superreiche ihre Körper viel weitgehender aufrüsten als der Rest der Menschheit? Wird es ein Wettrennen der Selbstoptimierung geben, bei dem auf der Strecke bleibt, wer nicht mitzieht?

Für Biohacker Zayner, der sein eigenes Erbgut manipuliert, gibt es nur einen Weg: den nach vorn. Jeder solle künftig in der Lage sein, DNA zu manipulieren. Mit seinem Startup The Odin verschickt er schon Kits aus Pipetten und Flüssigkeiten mit DNA-Fragmenten, mit denen Laien Bakterien genetisch modifizieren können. Und für 20 Dollar verkauft er in seinem Onlineshop einen Genscheren-Bausatz. Mit ein paar Arbeitsschritten soll es angeblich jeder Nutzer schaffen, seine Muskeln wachsen zu lassen.

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