
Pute, Gans – oder ganz etwas anderes? Wer sich noch nicht festgelegt hat, was er Weihnachten als Festtagsschmaus essen möchte, sollte sich das zumindest beim Putenbraten gut überlegen. Denn die Chance ist groß, dass mit dem Tier eine gehörige Portion Medikamente gleich auf dem Teller landet.
Den Schluss lässt zumindest eine aktuelle Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen zu: In 93 Prozent aller Fälle behandelten die Züchter ihre Puten gleich mehrfach mit bis zu zehn verschiedenen Antibiotika – auch mit solchen, die für Menschen gedacht und für Geflügel verboten sind.
Wie man Antibiotika richtig einsetzt
Bakterien verändern sich ständig, um sich an wandelnde Umweltbedingungen anzupassen. Kleine Variationen im Erbgut, die Mutationen, verschaffen manchen Mikroben einen Überlebensvorteil. Sie vermehren sich daraufhin stärker als ihre übrigen Artgenossen. Dieses Grundprinzip der Evolution hilft auch Krankheitserregern, sich gegen Antibiotika zu wehren, etwa indem sie Wirkstoffe zerstören, bevor sie ihnen gefährlich werden. Doch man kann es den Keimen schwerer machen, diese Resistenzen zu bilden, wenn einige Dinge beachtet werden.
Auch wenn es banal klingt – nur wenn ein Bakterium mit einem Antibiotikum in Kontakt kommt, bringt ihm eine Resistenz einen Überlebensvorteil. Daher sollten Mediziner die Mittel nur dann verordnen, wenn es aus medizinischen Gründen wirklich erforderlich ist. Doch noch immer setzen sie Antibiotika viel zu lax und häufig ein. Sogar dort, wo sie gar nicht wirken: etwa bei Erkältungen. Die werden meist von Viren verursacht, gegen die jedes Antibiotikum machtlos ist. Erste Schnelltests für Hausärzte gibt es schon, die zwischen Viren oder Bakterien unterscheiden.
Verordnet ein Arzt ein Antibiotikum, darf es nicht zu niedrig dosiert oder die Behandlung zu früh abgebrochen werden. Sonst überleben genau jene Keime, die Abwehrstrategien entwickelt haben. Sie geben die Resistenzen dann an ihre Nachkommen weiter.
Krankenhäuser sind ein Paradies für Keime: Die vielen vorkommenden Erreger können Resistenzgene austauschen; alte, immungeschwächte Patienten bringen neue Keime ins Haus, jede Operation eröffnet den Erregern ideale Einflugschneisen in den Körper. Deshalb ist penible Hygiene und Desinfektion in Kliniken extrem wichtig.
Das Problem: Die Bakterien gewöhnen sich an die Mittel, sie werden resistent. Befallen sie dann den Menschen, gibt es womöglich keine Rettung. Eine Lungenentzündung ist dann schnell tödlich.
„Solange es Massentierhaltung gibt, werden Landwirte Medikamente einsetzen“, glaubt Markus Matuschka von Greiffenclau. Der Spross einer Adelsfamilie aus dem Rheingau glaubt mit seiner 2009 gegründeten Firma Lysando einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden zu haben: mit einer ganz neuen Klasse von Antibiotika, die keinerlei gefährliche Resistenzen erzeugen soll.
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Die ersten Kunden in der Pharmabranche hat er bereits überzeugt. Im Sommer sicherte sich Boehringer Ingelheim Vetmedica eine Lizenz an den neuen Bakterienkillern und entwickelt sie seither für den Einsatz an Tieren weiter. Und vor Kurzem stieg mit der Siam Cement Group (SCG) aus Thailand eines der größten asiatischen Industriekonglomerate mit einem 20-Prozent-Anteil bei Lysando ein.