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Bekämpfung von Krankenhauskeimen "Ohne rechtliche Verpflichtung passiert gar nichts"

Wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ernsthaft gegen lebensgefährliche Krankenhauskeime vorgehen will, müssen Schnelltests und andere innovative Methoden Pflicht werden, fordert Professor Carsten Perka, einer der Leiter des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Beriner Charité.

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Fiese Keime
EbolaDie Ausbreitung dieses Filovirus ließ sich in der Vergangenheit durch Isolation der Kranken sehr gut eingrenzen, weil der Erreger nur durch engen Kontakt mit Erkrankten und deren Körperausscheidungen oder Blut weiter gegeben wird. Zudem können Menschen, die sich mit Ebola angesteckt haben, andere erst dann infizieren, wenn sie selbst offensichtlich erkrankt sind. Während der bis zu 21 Tage dauernden sogenannten Inkubationszeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Krankheit besteht keine Ansteckungsgefahr. Die fadenförmigen Viren befallen vor allem die Fresszellen unter den weißen Blutkörperchen sowie Zellen in der Leber, den Lymphknoten und der Milz. Sie lösen dabei hohes Fieber und Blutungen aus. 60 bis 90 Prozent der Erkrankten sterben innerhalb weniger Tage oder Wochen an diesem hämorrhagischen Fieber. Weil die Seuche so tödlich ist, hat sie sich bisher immer nach wenigen Wochen selbst auslöscht. Weil sie aber auch Tiere befällt, kommt es immer wieder zu Infektionen von Menschen und neuen Epidemien. Quelle: AP
AidsDas Immunschwäche auslösende Virus (Humanes Immundeffizienz Virus, HIV) wird zwar ebenfalls durch Blut und Körperflüssigkeiten vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen, hat aber eine ganz andere Ausbreitungsdynamik. Hier dauert es im Mittel zehn Jahre, bis die Erkrankung offensichtlich wird. Trotzdem kann der Infizierte schon während dieser jahrelangen Inkubationszeit andere Menschen anstecken. Vor allem in den ersten Wochen ist die Ansteckungsgefahr besonders hoch. So hat sich das Aids-Virus, seit es Anfang  der 1980er Jahre vom Affen auf den Menschen übersprang, sehr erfolgreich über die ganze Welt verbreitet. Die Pandemie hat seither etwa 28 Millionen Menschenleben gefordert. Aids kam vor allen in den Anfangsjahren einem Todesurteil gleich. Heute lässt sich das Virus – zumindest in der westlichen Welt – mit einem Dreifach-Cocktail aus zwischenzeitlich entwickelten Medikamenten recht gut unter Kontrolle halten. Auch  die Ausbreitung wurde durch Aufklärung deutlich eingegrenzt: Am wirksamsten ist der Schutz durch Kondome beim Sex. Quelle: Gemeinfrei
Hepatitis BDiese Form der Leberinfektion wird wie Aids vor allem beim Geschlechtsverkehr weitergegeben. Aber auch Piercing, Spritzen oder Blutkonserven sind potenzielle Übertragungswege. Mit über 350 Millionen Infizierten gehört das Hepatitis-B-Virus zum erfolgreichsten Krankheitserreger der Welt. Es ist vor allem in China und Südostasien, dem Nahen Oste und Afrika weit verbreitet. Bei 90 Prozent der Infizierten heilt die Erkrankung aber schnell und vollständig aus – oft sogar ohne die typischen Gelbsucht-Symptome wie Gelbfärbung der Haut oder Gliederschmerzen. Dennoch sind auch diese unerkannten Infizierten anstecken. Und bei jenen zehn Prozent der Betroffenen mit chronischem Verlauf kommt es zu schweren Leberzirrhosen und zum Leberkrebs. Durch eine Impfung konnte das Virus vor allem in der westlichen Welt allerdings drastisch eingedämmt werden. In Deutschland werden seit 1995 alle Neugeborenen gegen Hepatitis B geimpft. Quelle: Gemeinfrei
Hepatitis CAuch dieses Virus wird über Blut und Körperflüssigkeiten weitergegeben. Es befällt wie sein naher Verwandter, das Hepatitis-B-Virus, die Leber und bleibt oftmals unerkannt. Der Anteil chronischer Erkrankungen ist allerdings deutlich höher: Bei etwa einem Drittel der Betroffenen zerstört das Hepatitis-C-Virus (HCV) das Organ. Weltweit sind rund 170 Millionen Menschen mit HCV infiziert, allein 300.000 in Deutschland. Besonders betroffen ist zum Beispiel Ägypten, wo 15 bis 20 Prozent der Menschen das Virus in sich tragen. Auch Nicht-Erkrankte können den Erreger weiter geben. An einer Impfung arbeiten Forscher derzeit – zum Beispiel beim Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und beim  schweizerischen Biotechnik-Unternehmen Okairos, das 2013 vom britischen Pharma- und Impfstoff-Konzern GlaxoSmithKline aufgekauft wurde. Seit Ende vorigen Jahres ist zudem ein sehr wirksames Medikament des kalifornischen Unternehmens Gilead Sciences auf dem Markt, das allerdings wegen seines hohen Preises ebenso hohe Wellen schlägt: Eine einzelne Sovaldi-Pille kostet 700 Euro, die zwölf Wochen dauernde Behandlung schlägt mit gut 60.000 Euro zu Buche. Quelle: Gemeinfrei
InfluenzaAnders als Ebola, Aids oder Hepatitis befallen Grippe- oder Influenza-Viren die Atemwege der Menschen und verbreiten sich beim Husten oder Niesen durch winzige Tröpfchen sehr effektiv über die Luft. Damit ist es sehr schwer, sich vor einer Ansteckung zu schützen – und Infizierte sind bereits eine Ansteckungsgefahr für Mitmenschen, lange bevor sie selbst mit hohem Fieber und Gliederschmerzen schwer krank im Bett liegen. Anders als eine gewöhnliche Erkältung kann eine echte Grippe durchaus lebensbedrohlich sein. Allein in Deutschland fordert die saisonale Wintergrippe jedes Jahr bis zu 15.000 Menschenleben. Vor allem ältere und immun geschwächte Menschen sind gefährdet. Da jedes Jahr andere Grippestämme grassieren, besteht die Schutzimpfung alljährlich aus drei unterschiedlichen Virentypen, die von den Beobachtungsteams der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgewählt werden. Quelle: Gemeinfrei
SchweinegrippeDa Influenza-Viren auch Vögel und Schweine befallen, entstehen laufend neue Erregertypen. So brachte zwischen 1918 und 1920 solch ein für den Menschen völlig neuer und besonders virulenter Influenza-Stamm – die sogenannte spanische Grippe – weltweit mindestens 25 Millionen Menschen um. Der Erreger gehörte zum Subtyp A/H1N1, der unter dem Namen Schweinegrippe im Frühjahr 2009 erneut für Aufsehen sorgte. Damals war die Sterblichkeit bei den Erkrankten des zuerst in Amerika auftretenden Erregers extrem hoch. Später zeigte sich jedoch, dass vor allem ältere Menschen teilweise gegen den neuen Schweinegrippe-Erreger immun waren. Die zunächst befürchteten zigmillionen Toten blieben aus. Das Virus hat sich aber inzwischen aber weltweit ausgebreitet und unter die saisonalen Grippeerreger gemischt. Quelle: dpa
VogelgrippeUnter ständiger Beobachtung stehen Influenza-Viren der Subgruppe A/H5N1 und A/H9N7, die bei Geflügelzüchtern verheerende Schäden anrichten und sich auch über wildlebende Zugvögel weltweit verbreiten. Vor allem eine Infektion mit dem H5N1-Typ, der auch unter dem Namen Geflügelpest bekannt ist, endet für Legehennen oder Masttiere wie Enten, Truthähne oder Gänse in der Regel tödlich. Immer wieder springen Vogelgrippe-Erreger vor allem im asiatischen Raum auch auf den Menschen über, was bisher aber nie zur befürchteten Pandemie beim Menschen mit avisierten sieben Millionen Toten führte. Quelle: AP

WirtschaftsWoche: Professor Perka, sie als Gelenkchirurg haben vor allem mit den Menschen zu tun, die in den Kliniken als Problemgruppen in Sachen multiresistente Keime betrachtet werden, nämlich alte Menschen aus Alten- und Pflegeheimen, die zum Beispiel eine neue Hüfte bekommen sollen. Hilft Ihnen der Vorstoß des Bundesgesundheitsministers Gröhe weiter?

Carsten Perka: Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn der Bundesgesundheitsminister das Thema als wichtig erkannt hat. Denn was wir erleben und in einer aktuellen Studie an der Charité auch nachweisen konnten, ist eine derartig hohe Durchseuchung unserer Patienten mit allen möglichen unangenehmen und gegen Antibiotika weitgehend resistenten Erregern, das ist spektakulär.

Zur Person

Gröhe will einen Zehn-Punkte-Plan erstellen. Welches wäre aus Ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme?

Dreh- und Angelpunkt wird der rechtliche Rahmen sein. Nur wenn ich als Arzt dazu verpflichtet bin, Patienten vor der Aufnahme in meine Klinik daraufhin zu untersuchen, welche Keime sie mitbringen, werde ich das auch tun. Denn bisher ist die Situation doch die folgende: Die klassischen bakteriologischen Tests dauern mehrere Tage und damit viel zu lange. Doch die neuen, teils auch sehr gut funktionierenden Schnelltests auf Erbgut-Basis, die schon existieren, verwendet kaum ein Krankenhaus.

Carsten Perka, einer der Leiter des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Beriner Charité, im interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Und warum setzen die Mediziner diese innovativen Gentests gegen Killer-Keime nicht ein?

Ganz einfach: Die neuen Schnelltests kommen nicht zum Einsatz, weil sie mit 200 bis 400 Euro recht teuer sind, aber von den Kassen bisher nicht erstattet werden. Solange ich mich als Arzt meiner Klinikverwaltung gegenüber aber nicht darauf berufen kann, dass ich das zwingend machen muss, kann ich solche Tests nur vereinzelt einsetzen. Dabei wäre es natürlich viel sinnvoller, viel mehr oder sogar alle Patienten vorab einem Keim-Check zu unterziehen, um die Ausbreitung dieser Keime zu unterbinden. Wir wechseln zum Beispiel pro Jahr rund 250 alte Implantate gegen neue aus. Gerade diese Wechselpatienten sollte man untersuchen, weil dort oft multiresistente Keime die Ursache dafür sind, dass das Implantat Probleme macht. Aber 400 Euro mal 250 macht 100.000 Euro, auf denen das Krankenhaus dann sitzen bleibt. Denn die gleichen Politiker, die den Kampf gegen die muliresistenten Keime fordern, wollen auch, dass die Klinikkosten nicht aus dem Ruder laufen und vor allem die städtischen Krankenhäuser keine roten Zahlen schreiben.

Problem-Keime in Krankenhäusern

Wäre es unter dem Strich aber nicht günstiger in Tests zu investieren, statt lebensgefährliche Infektionswellen mit zuweilen tödlichem Ausgang zu riskieren? Auch Ihr Haus, die Charité, hatte diese Probleme bereits. Deutschlandweit sterben daran nach Ministeriumsangaben 15.000 Menschen.

Theoretisch ja. Aber praktisch wird ohne rechtliche Verpflichtung und eine Erstattung rein gar nichts passieren. Denn es kommt ja noch ein weiteres Problem dazu: Wenn  ich die Patienten vorab untersuche, werde ich in einem Großteil der Fälle auch Erreger finden, die ich dann behandeln muss. Erstattet wird aber lediglich der Tausch des Hüftgelenks. Der Fehler liegt im Abrechnungssystem.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will das Thema Killer-Keime sogar auf den Themenplan für den im Sommer in Deutschland stattfindenden G7-Gipfel setzen. Könnte eine solch internationale Bühne hilfreich sein, um solche Rahmenbedingen zu konzipieren?

Konkret für Deutschland wird das wohl wenig Auswirkungen haben. Aber der internationale Austausch ist trotzdem sehr wichtig. Zum Beispiel, um von anderen Ländern zu lernen, die hier schon vorbildlich arbeiten wie etwa die Niederlande. Das wäre sicherlich nützlich.

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