Was wäre der zweite?
An den Schulen wird gerade viel zu viel getestet. Jeder Schuldirektor weiß ohnehin, bei welchem Lehrer die Schüler nicht genug lernen. Diese Lehrer brauchen Hilfe, wie sie ihren Unterricht verbessern können. Lehrer sind hochbezahlte und hochbelastete Fachkräfte. Sie brauchen Coaching und Supervision.
Lassen sich die Lehrer denn über die Schultern schauen?
Ungern. Eine Kaskade des Jammerns verhindert leider oft den Fortschritt: Professoren beklagen sich über ihre vermeintlich schlechten Studenten, Lehrer über ihre unbegabten Schüler, sogar Kindergärtnerinnen beklagen sich über nicht erzogene Einjährige. Ab und an gibt es glücklicherweise Schulleiter und Kultusbeamte, die dennoch etwas ändern wollen.
Und bis das wirkt, müssen Eltern und Nachhilfe-Unternehmen den Job der Lehrer übernehmen?
Wenn es gut läuft. Leider reicht das Qualitätsspektrum bei Rechenschwächetherapien von schwärzester Scharlatanerie bis zu vernünftiger Arbeit. Und die Eltern können kaum die guten von den schlechten Angeboten unterscheiden.
Leisten können sich die Nachhilfe ohnehin nicht alle?
In der Tat. Das ist sehr teuer, und so findet schon in der Grundschule eine rechtswidrige soziale Auslese statt. Die Schule erfüllt ihre Aufgabe nicht.
Dann müssen die Eltern ran.
Auch das funktioniert eher selten. Oft kommen Kinder zu uns in die Beratung, die schon wahre Dramen zu Hause erlebt haben. Sie üben stundenlang und schreiben trotzdem schlechte Noten. Die Eltern verzweifeln und schreien den Nachwuchs an: Ich habe es dir doch schon fünf Mal erklärt. Warum versteht du es denn immer noch nicht?
Schlechte Matheschüler hören oft, sie sollen mehr üben. Nützt denn das nichts?
Nein. Zumindest nicht bei Kindern, die beim Addieren und Subtrahieren noch mit den Fingern rechnen. Sie können noch so lange üben: Solange sie kein Mengen- und Operationsverständnis entwickeln, bringt es nichts. Sie üben einfach das Falsche.
Ihr Rat für geplagte Eltern?
Einfach raushalten! Denn wenn sie selbst Probleme hatten, stecken sie die Kinder mit ihrer eigenen Matheangst an. Und wenn sie selbst gut waren, werden sie keinerlei Verständnis haben für die Probleme.
Das ist ziemlich unbefriedigend, oder?
Neulich fragte mich ein Vater bei einer Elternversammlung in einer Kindertagesstätte, ob man die Fünfjährigen nicht langsam mal an Mathehausaufgaben gewöhnen sollte. Was für ein grausliger Übereifer. Nein, wenn mein Kind rechnen lernen soll, muss ich eine Schule wählen, in der ein gutes, und kein restriktives Lernklima herrscht. Außerdem gilt immer: Wenn ich will, dass mein Kind im Schulunterricht nicht gequält wird, dann muss ich es intellektuell und emotional bestärken.